Berlin. Filz, Korruption und Insolvenzen: Seit Jahrzehnten macht die Skandal-Immobilie Steglitzer Kreisel Schlagzeilen. Die wichtigsten Infos.
Hoffen und Bangen um Berlins bekanntestes Hochhaus-Skelett: Seit Jahren steht der ehemals vom Bezirksamt genutzte Wolkenkratzer Steglitzer Kreisel leer, nachdem die letzten Mitarbeiter nach Asbestfunden ausziehen mussten. Der Bezirk hatte Schwierigkeiten, die Problemimmobilie loszuwerden und zahlte Jahr für Jahr Hunderttausende Euro an laufenden Kosten für seine ungeliebte Turmruine – bis ein Investor die Wende versprach und sich dem Hochhaus annahm. Das Versprechen: der Umbau zum Appartement-Hochhaus „ÜBerlin“. Doch bis heute steht die entkernte Bauruine ohne Fassade wie ein hohler Zahn am Rathaus Steglitz. Die wichtigsten Infos zur skandalreichen Geschichte des Lost Place an der Schloßstraße.
Das sind die Fakten zum Steglitzer Kreisel im Überblick:
- Adresse: Schloßstraße 78–82, 12165 Berlin-Steglitz
- Geschichte: Zwischen 1968 und 1980 nach Plänen der Architektin Sigrid Kressmann-Zschach (1929–1990) errichtet; bis 2007 durch das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf genutzt; danach Leerstand
- Führungen: Der kommerzielle Anbieter Stadtreisen Berlin bietet für Gruppen eine geführte Tour rund um das Hochhaus an.
- Denkmalschutz: Nein
- Status: Lost Place. 2017 wurde der leerstehende Hochhausturm an den Unternehmer Christoph Gröner verkauft, der plante das Gebäude zu einem Wohnturm umzubauen
Wo liegt der Steglitzer Kreisel genau?
Der Steglitzer Kreisel liegt in der Schloßstraße 78–82 im Ortsteil Steglitz im Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht man den Turm am besten vom S- und U-Bahnhof Rathaus Steglitz (S1, U9) aus, der direkt an der Grundstücksecke des Steglitzer Kreisels liegt, beziehungsweise mit den Buslinien 170, 186, 188, 282, 283, 284, 285, 380, N9, N88, M48, M82, M85, X83 (Haltestelle Rathaus Steglitz). Das Betreten der Baustelle ist nicht erlaubt. Auch interessant: Lost Places: Diese Strafen drohen bei Hausfriedensbruch
Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte des Steglitzer Kreisels:
Ausgangslage: Der Steglitzer Kreisel wirft seinen Schatten voraus
Das heutige Grundstück des Steglitzer Kreisels war früher der südliche Teil des Gutsdorfs Steglitz (ehemals Stegelitz). Es befand sich in einer abgelegenen Randlage vor den Toren der Stadt Berlin. Noch bis zum Zweiten Weltkrieg war das Areal landwirtschaftlich geprägt – mit der Gastwirtschaft Albrechtshof und einem 1912 eröffneten Kino, das bis in die Nachkriegszeit betrieben wurde.
In den 1960er-Jahren wurden alle Gebäude auf dem Terrain abgerissen – sie mussten für die Baustelle des Steglitzer Kreisels weichen: einem gigantischen Neubauprojekt für Westberlin, dessen schwindelerregende Ausmaßen nur von den Dividendenhoffnungen der Bauherren und Anleger übertroffen wurde. Seit Mitte der 1960er-Jahre plante der Berliner Senat, dass sich in Steglitz zwei U-Bahn-Linien kreuzen sollten: die U9 und die nie realisierte U10.
Für die Bebauungspläne interessierte sich auch die Architektin Sigrid Kressmann-Zschach, kurz „SKZ“, eine der schillerndsten und skandalträchtigsten Figuren der Berliner Baugeschichte. Sie erwarb über Scheinfirmen die Optionen zum Kauf privater Grundstücke an dem Standort und trommelte beim späteren Kanzleramtschef Horst Grabert (SPD) für ihre Pläne der Errichtung eines Einkaufzentrums und eines riesigen Wolkenkratzers nahe des geplanten U-Bahnkreuzes. Schon bald sollte die Baustelle aufgrund dubiosen Finanzgebarens in die Schlagzeilen der bundesdeutschen Presse geraten.
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Steglitzer Kreisel: So war die Anlage über dem U-Bahnhof konzipiert
1968 war der Bauplatz planiert, die Arbeiten an dem Bauensemble konnten beginnen und der Grundstein für den knapp 120 Meter hohen Hochhausturm wurde verlegt – einem der höchsten Gebäudeprojekte Berlins. In das Verwaltungsgebäude mit 30 Etagen und rund 48.000 Quadratmetern Nutzfläche sollten – so der Plan – nach der Fertigstellung Büros und ein Einkaufszentrum einziehen.
Allein der Rohbau des Bauwerks war einige zehntausend Tonnen schwer und wurde für viele Berlinerinnen und Berliner im Südwesten zu einem Wahrzeichen der Stadt. Am Fuße des Riesen entstand außerdem ein Sockelgebäude, das ein Parkhaus, ein Hotel, mehrere Einzelhandelsgeschäfte und einen ganzen Busbahnhof mit U-Bahn-Zugang aufnehmen sollte.
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Steglitzer Kreisel: Finanzskandale erschüttern das Hochhausprojekt
Das Projekt geriet schon bald nach Baubeginn durch immer weiter steigende Baukosten in die Schlagzeilen. „Wenn es in Berlin mit marktgerechten Dingen zuginge, wäre die Erfolgsarchitektin Sigrid Kressmann-Zschach mit ihrem Steglitzer Kreisel vermutlich am Ende,“ schrieb der „Spiegel“ im Jahr 1973. Doch in der Hauptstadt der Immobilienspekulation hielt man an dem Prestigebau im Südwesten fest – koste es was wolle.
Für den Berliner Landeshaushalt wurde der Steglitzer Kreisel ein Fass ohne Boden: Knapp ein Viertel der veranschlagten Baukosten in Höhe von 180 Millionen sollten aus öffentlichen Mitteln finanziert werden, ein weiteres Viertel wollte die Berliner Industriebank AG aus Berlin-Hilfe-Mitteln beisteuern. Zudem stellte der Senat 33 Millionen Mark als Zins- und Tilgungshilfe zur Verfügung. Es half alles nichts: Die erhofften Interessenten blieben aus und SKZs Bauträgergesellschaft meldete 1974 wegen steigender Kosten Insolvenz an.
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Steglitzer Kreisel: Der Turm wird das erste Mal zu einem Lost Place
Über eine leichthin vergebende Bürgschaft in Höhe von 42 Millionen Mark stolperten Finanzsenator Heinz Striek (SPD) und Bausenator Rolf Schwedler (SPD). In der „Kreisel-Affäre“ ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des Betruges – stellte die Ermittlungen aber 1975 ein. Die Bauarbeiten am Kreisel waren unterdessen seit 1972 zu einem Stillstand gekommen. Der skelettierte Turm ohne Außenfassade erinnerte die Steglitzer an geplatzte Erwartungen.
Das Land verlor mehr als 40 Millionen Mark, die es als Berlin-Kredit gewährt hatte, musste die Bürgschaft für mehr als 30 Millionen Mark einlösen und hatte eine weitere Investitionszulage aus Steuergeldern in Höhe von 22 Millionen Mark gewährt. Zwischenzeitlich wurde sogar eine Sprengung der Bauruine erwogen, um die laufenden Kosten zu minimieren, bis sich 1977 mit der Immobilienfirma „Becker & Kries“ ein neuer Gesellschafter für das Bauprojekt fand. Bis 1980 wurde der Turm – nach zwölf Jahren Bauzeit – fertiggestellt. Die Kosten für den Kreisel waren auf 323 Millionen Mark angewachsen, und statt der erhofften Bürovermietung bezogen die Mitarbeiter des nahegelegenen Bezirksamtes den Koloss von Steglitz.
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Steglitzer Kreisel: Asbestfunde besiegeln das Schicksal des Büroturms
Das Steglitzer Bezirksamt – seit der Verwaltungsreform 2001 Steglitz-Zehlendorf – bezog mit rund 750 Mitarbeitern 25 Etagen im Steglitzer Kreisel. Die drei oberen Geschosse des Hochhauses waren für die Gebäudetechnik reserviert. Die 24. Etage war komplett durch die geräumige Kantine belegt, von der man bei klarer Sicht einen außergewöhnlichen Blick auf die Berliner Innenstadt genießen konnte. Im Erdgeschoss befand sich das Foyer. Etwa ein Drittel der Fläche der einzelnen Geschosse war für Fahrstühle, Flure, Toiletten und Versorgungseinrichtungen reserviert.
1990 kaufte der Bezirk den Steglitzer Turm für 67 Millionen D-Mark. Der Sockelbau verblieb bei der Immobilienfirma „Becker & Kries“. Dass es ein Asbestproblem in den Fluren und Luftschächten des Amtsgebäudes geben könnte, ahnte man da bereits. Wenige Wochen nach dem Kaufabschluss, wurde die Schadstoffbelastung offiziell bestätigt: Der Turm war durch und durch mit der hochgefährlichen Faser verseucht.
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Steglitzer Kreisel: Leerstehende Ruine seit den 2000er-Jahren
Statt einer kostenintensiven Sanierung schlug man sich in den Folgejahren mit Flickwerk durch: Nur bei auftretenden Gebäudeschäden erfolgte eine Schadstoffbeseitigung, bis ein Gutachten im Oktober 2004 das ganze Ausmaß der Giftstoffbelastung offenbarte. In einer weiteren Begutachtung wurden die Kosten der Sanierung auf 75 Millionen Euro geschätzt.
Der Berliner Senat beschloss 2006, das Bürohochhaus aufzugeben und die dort beschäftigten Mitarbeiter in anderen landeseigenen Immobilien unterzubringen. Wieder musste Geld in die Hand genommen werden: Umzug und nötige Umbauten verschlangen 15 Millionen Euro. Im November 2007 verließen die letzten Beschäftigten des Bezirksamtes das Gebäude und das Haus fiel in einen jahrzehntelangen Dornröschenschlaf – nur unterbrochen von der Schadstoffsanierung.
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Steglitzer Kreisel: Senat bleibt auf seiner Liegenschaft liegen
Erneut war das weitere Schicksal des leerstehenden Turms unklar: Verkauf, Sanierung oder Abriss standen im Raum. Vergeblich hatte der damalige Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) versucht, die Liegenschaft auf dem Immobilienmarkt anzubieten. Doch die potentiellen Käufer schreckte die hohe Investitionssumme, die für die Asbestbeseitigung im Raum stand. Ein Abriss wurde ebenfalls erwogen, war in der Öffentlichkeit aber schwer vermittelbar.
Angesichts der jährlichen Kosten von rund 700.000 Euro für den unbenutzten Steglitzer Kreisel wurden die Lösungsvorschläge mit der Zeit kreativer: 2010 bot der Senat den asbestverseuchten Turm, der zum Ladenhüter geworden war, auf der internationalen Immobilienmesse in Cannes an –mit mäßigem Erfolg. 2012 kam der Vorschlag ins Spiel, den Turm als Lagerhaus zu nutzen sowie eine Begegnungsstätte für jüdische Kultur mit Restaurant einzurichten. Währenddessen verfiel die Bausubstanz des zu einer modernen Ruine verkommenen Turms immer weiter. Eine Lösung musste her.
Steglitzer Kreisel: Luxuswohnungen statt Büros am Himmel Berlins
In den 2010er-Jahren kam die vermeintliche Rettung: Die CG Gruppe des Investors Christoph Gröner – bekannt durch großzügige Spenden an die Berliner CDU – zeigte ein Kaufinteresse an der einstigen Prestigeimmobilie. Zunächst sollte der Senat aber die Asbestsanierung für das Gebäude übernehmen. Seit 2013 wurden die krebserzeugenden Schadstoffe im Steglitzer Kreisel aufwendig beseitigt. Nachdem die letzten Arbeiten nach einigen Verzögerungen 2017 abgeschlossen werden konnten, wurde der Kauf besiegelt und die Immobilienfirma übernahm den Turm.
So sahen die hoffnungsvollen Pläne 2017 aus:
Bereits 2015 hatte die CG Gruppe den Sockelbau des Steglitzer Kreisels gekauft und nun das ganze Bauensemble in einer Hand. Ihr Ziel: ein Umbau des Bürogebäudes zu einem Hochhaus mit knapp 330 Wohneinheiten, davon 262 im Turm und 67 in der zweiten und dritten Etage des Sockels. In den unteren Geschossen sollten eher kleine Apartments ab etwa 30 Quadratmetern für Studenten oder Singles entstehen. In den oberen Etagen des Hochhauses herrschte nach den Bauplänen dagegen purer Luxus: Penthouses sollten gutbetuchtes Klientel anziehen und jeweils mehrere Millionen Euro Kaufpreis erzielen. Für die Vermarktung wurde das Hochhaus „ÜBerlin Tower“ getauft.
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Steglitzer Kreisel: Sorge vor Leerstand und neuerlicher Kreisel-Pleite
Bis heute soll knapp die Hälfte der geplanten Wohnungen inklusive der Edelwohnungen an der Hochhausspitze verkauft oder reserviert sein – doch auf die Schlüssel zu ihrer Wohnung warteten die hoffnungsvollen Käufer vergebens. Im Jahr 2017 machte sich die CG Gruppe daran, mit den Umbauarbeiten zu beginnen: Der Turm wurde eingerüstet, mit Bauplanen verhangen und das Gebäude bis auf das Stahlgerüst entkernt – doch die Arbeiten kamen bald ins Stocken und die Fertigstellung wurde immer weiter hinausgeschoben.
In den ersten Projektskizzen war man noch von einer Umbauzeit von höchstens 24 Monaten ausgegangen. Dabei sollte die Innenräume komplett umgestaltet und die Fassade einen modernen Anstrich mit Naturstein, Glas, Beton und Stahl erhalten. Die Einweihung des neuen Wohntowers war ursprünglich für 2020 angepeilt. Doch nach anfänglichen Enthusiasmus tat sich wenig auf der Endlosbaustelle.
Steglitzer Kreisel: Und wie sieht die Zukunft aus?
Schließlich bewegte sich der Baukran nur noch im Wind und augenfällige Fortschritte konnten Passanten an der Umbauruine nicht mehr feststellen. Einmal mehr hatte sich der Steglitzer Kreisel von einem Hoffnungsträger zu einem Berliner Baufiasko entwickelt. Der früheste Einzugstermin wurde auf 2021 und 2022 verschoben, dann auf 2024, 2025 und jüngst auf 2026.
Vor Gericht erstritten Wohnungskäufer, das die ursprünglich vereinbarten Konditionen eingehalten werden müssen. Inzwischen war die CG-Gruppe von der Consus Real Estate AG geschluckt worden, die ihrerseits in die Adler Group aufging. Diese änderte die Baupläne und versuchte die Käufer zu nachteiligen Ergänzungsverträgen zu drängen, mit der Drohung einer einseitigen Kündigung – bis sie mit dieser Praxis vor dem Landgericht unterlag.
Der angeschlagene Immobilienkonzern scheint sich am liebsten komplett von dem Projekt verabschieden zu wollen. Turm und Sockel sollen verkauft werden. Die Zukunft des Bauprojekts? Ungewiss.