Berlin. Der Wasserturm Steglitz prägt den Berliner Ortsteil bis heute und fasziniert. Erfahren Sie hier die wichtigsten Infos zum Wahrzeichen.

Längst haben die Wassertürme in Berlin ihre Funktion als Wasserversorger abgeben müssen. Das heißt aber nicht, dass sie an Faszination verloren hätten. Mit seinen 42 Metern Höhe war der Wasserturm Steglitz ein weit sichtbares Wahrzeichen der Gemeinde. Fast einhundert Jahre später versorgt er zwar keine Haushalte mehr mit Frischwasser, dafür prägt seine charakteristische Kuppel den Kiez und seine verworrene Geschichte kann nicht nur Jäger von verlorenen Orten begeistern. Die wichtigsten Infos zu dem ehemaligen Lost Place.

Das sind die Fakten zum Wasserturm Steglitz im Überblick:

  • Adresse: Bergstraße 34–38A, 12169 Berlin-Steglitz
  • Geschichte: Errichtung 1915 bis 1919 nach Plänen des Architekten Hans Heinrich Müller (1879–1951); 1928 Inbetriebnahme als Wasserreservoir für Steglitz und Schöneberg; Stilllegung als Wasserturm 1962
  • Führungen: Unregelmäßig zum Tag des Offenen Denkmals
  • Denkmalschutz: Objekt-Nr. 9065481
  • Status: Ehemaliger Lost Place. 1999/2000 umfangreiche Restaurierung und Instandsetzung und seit 2000 Nutzung als Verlagsgebäude

Wo liegt der Wasserturm Steglitz genau?

Der Wasserturm liegt an der Bergstraße 38A im Ortsteil Steglitz des Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Er befindet sich im südlichen Bereich des Friedhofs an der Bergstraße am Ende der Hauptachse hinter der neuen Kapelle. Der Friedhof wurde 1874 am Rande des Bismarckviertels auf dem hügeligen Gelände der "Rauhen Berge" angelegt und umschloss durch Erweiterungen allmählich das Areal auf dem der Wasserturm gebaut worden war.

Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist der Turm am besten mit der Buslinie 170 (Haltestelle Altmarktstelle) zu erreichen. Alternativ ist es von der Haltestelle Kottesteig (Buslinie 187) ein etwa siebenminütiger Spaziergang bis zu dem Turm.

Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte des Wasserturms Steglitz:

Ausgangslage: Der Steglitzer Traum von der eigenen Wasserversorgung

Schon von Weitem ist der wuchtige Wasserturm auf dem Friedhof Steglitz zu sehen.
Schon von Weitem ist der wuchtige Wasserturm auf dem Friedhof Steglitz zu sehen. © Dirk Teuber

Mitte des 19. Jahrhunderts versorgte sich die Bevölkerung Berlins und seiner Vororte noch über Zieh- und Handbrunnen mit Wasser. Das änderte sich, als die die preußische Regierung 1852 britische Spezialisten einstellte: "Fox & Crampton" übernahmen. In den Folgejahren erhielt Berlin mit Wasserwerken, Rohrleitungssystemen und Wassertürmen eine effiziente Versorgung.

Seit 1885 bezog Steglitz – damals noch preußische Landgemeinde vor den Toren der Stadt – sein Wasser von den "Charlottenburger Wasserwerken". Für die Charlottenburger ein lukratives Geschäft: Sie strichen 95 Prozent der Bruttoerlöse ein und versorgten Steglitz über den Wasserturm Fichtenberg. Das wollte sich die damals größte preußische Landgemeinde nicht länger bieten lassen und kündigte die Verträge. Das Ziel: ein gemeindeeigenes Wasserwerk für die rund 80.000 Steglitzer.

Doch weil sich die Planungen nicht realisieren ließen, wurde 1914 ein neuer Plan geschmiedet. Dieses Mal mit Lichtenberg, die das Wasser über eine 22 Kilometer lange Rohrleitung von Kaulsdorf nach Steglitz leiten sollten. Dort sollte es auf dem extra für diesen Zweck errichteten Wasserturm auf den Rauhen Bergen ankommen. Ein solider Plan, mit einigen Fallstricken.

Steglitzer Wasserturm: Dem Turm fehlt das Entscheidende

Der Wasserturm wurde zwischen von 1915 bis 1919 nach Plänen des Architekten Hans Heinrich Müller gebaut. 1916 war der Rohbau des Backsteinturms in Form eines Rundtempels fertiggestellt. Doch es gab ein Problem: Die umliegenden Gemeinden weigerten sich, ihre Rohleitungen für die Versorgung mit Wasser freizugeben und der Turm blieb trocken.

Zum Teil wurden die bereits verlegten Rohre wieder ausgegraben und verkauft. Dennoch gingen die Bauarbeiten nach dem Krieg weiter. Am 4. April 1919 konnte der Turm samt einem riesigen inneren Wassertank der Firma Rönne eingeweiht werden. Leider fehlte weiterhin das Trinkwasser, um ihn zu befüllen. So blieb der Wasserturm ohne Wasser vorerst ein Steglitzer Schildbürgerstreich.

Steglitzer Wasserturm: So war der Turm gestaltet

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© M. Lengemann | M. Lengemann

Mit seiner leuchtend roten Farbe, den aufwendigen Rautenmustern, seinen meterhohen Rundbögen – einst waren sie offen – war der vom damaligen Gemeindebaurat Hans Heinrich Müller entworfene mehr als 40 Meter hohe Wasserturm ein Prachtbauwerk des Ziegelexpressionismus. An seinem Bau waren der Baumeister Schwenke und der Maurermeister Wilhelm Reiche beteiligt.

Das sorgfältig und kunstvoll gemauerte Gebäude aus roten Backstein mit aufwendig gestalteter Fassade erinnerte an einen antiken Monopteros mit kannelierten Pilaster, Architrav, Kranzgesims und Zahnschnitt – verbarg dabei aber nicht seine industrielle Funktionalität.

Steglitzer Wasserturm: Viele Umbauten in den 1920er-Jahren

Mit der Eingemeindung von Steglitz 1920 durch das Groß-Berlin-Gesetz erhielt der neugeschaffene Bezirk sein Wasser von den städtischen Wasserwerken. Die "Rauhen Berge" im Umfeld des Wasserturms wurden größtenteils abgetragen – einst hatte Otto Lilienthal (1848–1896) am Rande der Kiesberge erste Flugversuche unternommen – und Steglitz verfiel dem Filmrausch, als Ernst Lubitsch dort "Das Weib des Pharao" (1922) drehen ließ.

Von den Einnahmen für das Filmgelände finanzierte man ein Kolumbarium, eine Urnenhalle, in dem Turm, der nun von dem benachbarten Friedhof eingeschlossen wurde. Dafür ließ man den installierten Wasserbehälter ausbauen. Dieser fehlte, als sich die Städtischen Wasserwerke des Wasserturmes besannen und ihn in seiner ursprünglichen Funktion wiederherstellen wollten.

Steglitzer Wasserturm: Das Bauwerk wird das erste Mal befüllt

Reich gestaltet: Die Fassade des Wasserturms Steglitz.
Reich gestaltet: Die Fassade des Wasserturms Steglitz. © picture alliance / imageBROKER | Siegfried Grassegger | picture alliance / imageBROKER | Siegfried Grassegger

Im November 1926 wurde ein Hängebodenbehälter vom Typ Barkhausen mit einem Reservoirvolumen für 2000 Kubikmeter Wasser in den Turm eingebaut. Gleichzeitig sollte am Turm ein Krematorium sowie eine Einsegnungs- und Urnenhalle für den Friedhof entstehen. Die schon begonnenen Umbauarbeiten wurden aber 1932 eingestellt.

Ende der 1920er-Jahre hatte der Wasserturm dann seinen großen Moment: 1928 wurde er – fast zehn Jahre waren seit seiner Einweihung ins Land gegangen – das erste Mal mit Wasser befüllt und konnte damit Steglitz und die Hochstadt von Schöneberg einschließlich von Friedenau mit Wasser versorgen.

Steglitzer Wasserturm: Bombenschäden im Zweiten Weltkrieg

In der Zeit des Nationalsozialismus erfuhr der Turm erneute Umbaumaßnahmen. Ganz im Sinne völkischer Heldenverehrung wurde ein "Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs und der Bewegung" im Inneren des Turms eingerichtet, das 1936 mit einem südlich zum Hünensteig angelegten Aufmarschgelände eingeweiht wurde. 1941 brannte die Ehrenhalle nach einem Luftangriff aus. 1943 wurde der Wasserbehälter bei einem Bombenangriff zerstört und der Turm in Mitleidenschaft gezogen. Notdürftig wurde der Turm mit geteerter Dachpappe vor Regenwasser geschützt.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs konnte der Turm bis 1950 wiederhergestellt werden. Der erneuerte Wassertank wurde wieder befüllt und diente noch bis Anfang der 1960er-Jahre zur Versorgung des Kiezes bei der Deckung von Spitzenbelastungen. 1962 wurden beide Steglitzer Wassertürme – der Fichtenberg-Turm und der Bergstraßen-Turm – endgültig stillgelegt. Ein letztes Mal wurde das Wasser aus dem Tank gelassen und der Turm fiel in einen jahrzehntelangen Dornröschenschlaf.

Steglitzer Wasserturm: Lost Place seit den 1960er-Jahren

Der rote Backsteinbau stand für viele Jahre leer und wurde nur gelegentlich als Lagerraum genutzt. Tauben nutzten das Gebäude wie eine riesige Voliere. Inzwischen war die Bausubstanz des Turmes durch Verfall und mehrfachen Vandalismus stark gezeichnet.

Ziegelsteine fielen aus der Fassade, die Dachpappe war in einen beklagenswerten Zustand. Die Fenster waren verbarrikadiert und die Zugänge eilig mit Natodraht versperrt, um Neugierige abzuhalten. Eisenteile wie das Geländer an der Dachkuppel setzten Rost an und auch die Industrietreppe in der Kuppel begann einen unsicheren Eindruck zu machen.

Lange Zeit wurde ein Investor mit einer für den Standort akzeptablen neuen Nutzung gesucht. Inzwischen verfiel das Baumaterial weiter und der Turm bedurfte dringend einer Sanierung, sollte er nicht als vergessener Ort zu einer Industrieruine verkommen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das 40 Meter hohe Gebäude statisch nicht mehr sicher sein würde, sollte keine Instandsetzung erfolgen.

Steglitzer Wasserturm: So wurde das Steglitzer Wahrzeichen gerettet

Der alte Wasserturm an der Bergstraße: 80 Jahre stand er unbeachtet da - im Jahr 2000 zieht wieder Leben ein in das für 2,1 Millionen Mark sanierte Baudenkmal.
Der alte Wasserturm an der Bergstraße: 80 Jahre stand er unbeachtet da - im Jahr 2000 zieht wieder Leben ein in das für 2,1 Millionen Mark sanierte Baudenkmal. © picture alliance / Bildagentur-online/Schoening | picture alliance / Bildagentur-online/Schoening | Bildagentur-online/Schoening

Verschiedene Nutzungsvorschläge wie Seniorenheim oder Hotel- und Veranstaltungsort fanden in der Bezirksverwaltung keine Mehrheit. Sogar über ein Esoterik-Zentrum von Schlagerstar Christian Anders wurde spekuliert, doch der Bewerber lieferte seinen Nutzungsantrag nie ab.

Erst als 1996 ein medizinischer Fachverlag Interesse bekundete, kam wieder Bewegung in die Sache. Der Bezirk und der Medizin-Verlags A.T.I. teilten sich die Kosten der denkmalgerechten Instandsetzung, wobei das Bezirksamt die Fassade und die äußere Anlage und der neue Nutzer die Sanierung der Innenräume übernahm.

Der Turm wurde 1999/2000 in enger Absprache mit dem Denkmalschutz aufwändig restauriert. Dabei wurden sogar die später eingebauten Strahlträger für den Wasserbehälter mit ihren zentimeterdicken Schrauben wieder freigelegt. 2000 zog der Verlag dann in den wiederhergestellten Wasserturm ein, der seitdem als Büro- und Verlagsgebäude dient.

Viele weitere Bilder von dem Turm und Informationen zur Sanierung gibt es auf der Internetseite der a-t heute

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