Berlin. Die Bötzow-Brauerei, einstmals wichtigste Privatbrauerei Berlins, wurde nach der Wende zu einem Lost Place in Pankow. Alle Infos.
Berlin war Ende des 19. Jahrhunderts eine Stadt des Bieres. Brauer und Bierkutscher prägten das Stadtbild. Der Geruch von Bierwürze lag in der Luft und ein Name war in aller Munde: Julius Bötzow und seine Privatbrauerei in Prenzlauer Berg. Der Hoflieferant des Königs überschwemmte den Markt mit 210.000 Hektoliter Bier pro Jahr – und ließ die bayerische Konkurrenz erzittern. Nach der Wende fiel die einst hochmoderne Brauerei in einen jahrelangen Dornröschenschlaf und die Gebäude drohten zu Industrieruinen zu verfallen. Alle Infos zu dem ehemaligen Lost Place.
Das sind die Fakten zur ehemaligen Bötzow-Brauerei im Überblick:
- Adresse: Prenzlauer Allee 242–247, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
- Geschichte: 1876 zog die Bötzow-Brauerei von ihrem Standort an der Alten Schönhauser Straße auf das Gelände an der Prenzlauer Allee, wo bis 1891 neue Fabrikanlagen entstanden. Der Zweite Weltkrieg läutete das Ende der Brauerei ein, die 1949 den Betrieb einstellte. Nach dem Krieg dienten die erhaltenen Gebäude teilweise als Lager für Konsumgüter; nach dem Mauerfall Leerstand
- Führungen: Eine Tour über das Werksgelände wird regelmäßig zum Tag der Architektur angeboten. Hier geht es zum Programm 2023.
- Denkmalschutz: Objekt-Nr. 09095420
- Status: ehemaliger Lost Place. Das Areal wurde ab 2002 als Geschäfts- und Kunststätte zwischengenutzt. Seit 2014 denkmalgerechte Sanierung und Bebauung nach Plänen des englischen Architekten David Chipperfield
Wo liegt die Bötzow-Brauerei genau?
Das Gelände der ehemaligen Brauerei erstreckt sich an der Prenzlauer Allee 242–247 – im Karree zwischen der Metzer Straße, Straßburger Straße und Saarbrücker Straße. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Areal am besten mit der Tramlinie M2 (Haltestelle Prenzlauer Allee/Metzer Straße) zu erreichen. Vom U-Bahnhof Senefelderstraße ist es alternativ ein etwa achtminütiger Spaziergang entlang der Metzer Straße.
Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte der ehemaligen Bötzow-Brauerei:
Ausgangslage: Brauereien und Biergärten schossen aus dem Boden
Seit Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Berlin mit rasantem Tempo zu einem Zentrum der Bierindustrie. Es herrschte Aufbruchsstimmung im Brauereigewerbe und die Hauptstadt wurde nicht nur der größte Bierproduzent Deutschlands, sondern auch Europas. Mit rund 250 aktiven Brauereien im ganzen Stadtgebiet verteilt konnten auch Traditionsstandorte wie München, Köln, Prag oder Pilsen nicht mithalten.
Legendäre Brauereien wie der spätere Weltmarktführer Schultheiss oder die Königstadtbrauerei prägten die Entwicklung in Prenzlauer Berg. In den gelbroten Klinkerbauten an der Prenzlauer Allee richtete sich ab den 1870er-Jahren die Bötzow-Brauerei auf einem 30.000 Quadratmeter großen Areal ein. Ihr Erfolgsgeheimnis: "Bayerisches" Bier für Berlin.
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Ehemalige Bötzow-Brauerei: Untergäriges Bier eroberte Berlin im Sturm
Als der 25-jährige Julius Bötzow – Sohn eines Spirituosenfabrikanten – gemeinsam mit seinem Onkel Franz 1864 an der Alten Schönhauser Straße eine kleine Brauerei gründete, war die Konkurrenz groß. Der Trick: Statt sich auf obergäriges Bier zu stürzen, wie es fast alle anderen Berliner Brauereien anboten, verlegten sich die Bötzows auf technisch anspruchsvolleres, untergäriges Bier.
Untergärige Hefe benötigt eine niedrige Temperatur zwischen 4 und 9 Grad für die Gärung. Deshalb war diese Braumethode klassisch eher in den Bergregionen Süddeutschlands beheimatet. Mit großangelegten, hochmodernen Kühlkellern brachten die Bötzows das "bayerische" Bier nach Berlin und trafen damit einen Nerv. Schon bald waren die Produktionsanlagen an der Neuen Schönhauser Straße zu klein: Kurzerhand zog die Brauerei in den 1870er-Jahren auf ein mehr als 30.000 Quadratmeter großes Areal an der Prenzlauer Allee 242–247 – eine Investition, die sich lohnen sollte.
Ehemalige Bötzow-Brauerei: So war das die Brauerei angelegt
Bötzow machte keine halben Sachen: 1884 wurde der Grundstein gelegt und schon ein Jahr später nahm die neue Bötzow-Brauerei ihren Betrieb auf. Es entstand ein ausgedehnter Komplex mit Maschinenhaus, Kesselhaus, Werkstattgebäuden, einem Sudhaus für die Bierwürze und weiteren Versorgungsgebäuden.
Auf dem Grundstück am Windmühlenberg wurden riesige, fast 5000 Quadratmeter große Gewölbekeller angelegt, in denen das frisch gebraute Bier kühlen und in der Nachgärung reifen konnte. Der angrenzende Biergarten bot Platz für bis zu 6000 Gäste. Zu Fuß und mit Pferdeomnibussen strömten die Städter auf den "Bötzowberg" an der Prenzlauer Allee.
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Ehemalige Bötzow-Brauerei: Größte Privatbrauerei Norddeutschlands
Durch ihre neuartigen Dampfkessel kam die Brauerei bereits kurz nach ihrer Eröffnung auf eine Produktionskapazität von 210.000 Hektolitern und wurde zur größten Privatbrauerei Norddeutschlands. Verkaufsschlager waren ein helles Versandbier, das Dunkle Nürnberger und ein helles Julherna-Bier. Bötzow durfte sich als erster deutscher Brauer "Hoflieferant seiner Majestät des Königs von Preußen" nennen.
Die gesamte Technik der Brauerei war auf dem neuesten Stand. Das Gelände verfügte über moderne Tiefbrunnen und eine eigene Dampfmaschine trieb die Pumpen, Kompressoren und die für das untergärige Bier wichtigen Eismaschinen an. Selbst elektrisches Licht besaß die Brauerei – damals noch eine Rarität. Neben den Brauereigebäuden ließ Bötzow seine private Villa errichten: Der herrschaftliche Sitz erhielt den Spitznamen "Schloss im Norden".
Ehemalige Bötzow-Brauerei: Niedergang in der Weimarer Republik
Um die Jahrhundertwende wurde der Betrieb noch weiter ausgedehnt und modernisiert: Auf dem Brauereigelände Prenzlauer Allee entstanden zahlreiche Neubauten wie die neue Flaschenkellerei, weitläufige Pferdeställe für die Bierdroschken, aber auch Garagen und Werkstätten für die Bierauslieferung mit Automobilen.
Die Bötzow-Brauerei überzog Berlin mit einem Netz spezialisierter Ausschanklokale wie dem Königshof in der Bülowstraße oder dem Bötzow-Stubl am Kurfürstendamm. Doch mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs wurde der Niedergang des Bötzow´schen Bierimperiums eingeläutet – die große Zeit der familiengeführten Pilsbrauerei war vorbei.
1919 wurde die Brauerei noch einmal zum Schauplatz der Geschichte, als sich Mitglieder von KPD und USPD – darunter auch Karl Liebknecht und Wilhelm Pieck – zum Revolutionsausschuss im Gartenlokal trafen, doch auch in politisch ruhigeren Zeiten konnte die Brauerei nicht mehr an die Erfolge der Vorkriegszeit anknüpfen. Mit der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft und der teilweisen Zerstörung der Brauerei im Zweiten Weltkrieg kam das Aus. Hermann Bötzow, der den Betrieb von seinem Bruder übernommen hatte, verübte im April 1945 auf dem Gelände Selbstmord.
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Ehemalige Bötzow-Brauerei: Verfall der Industrieruine in der DDR
Im Krieg hatte die Brauerei schwere Schäden erlitten: Der Neo-Rokoko-Pavillon ging ebenso verloren wie das "Schloss im Norden" und weitere Industriegebäude. Für den Brauereibetrieb gab es an der Prenzlauer Allee keine Zukunft mehr. 1949 wurde die mittlerweile verstaatlichte Bötzow-Brauerei stillgelegt. Was von den Anlagen noch brauchbar war, wurde in andere ostdeutsche Brauereien überführt.
Auch wenn einige Gebäude in der DDR seit Anfang der 1950er-Jahre als Lagerhalle für die VVB Fischwirtschaft und als Spirituosen- und Tabaklager genutzt wurden, blieb das Gelände des Biergartens lange Zeit eine Brachfläche. Die historische Bebauung der Brauerei wurde noch in der DDR in den 1970er-Jahren unter Denkmalschutz gestellt. An der Baufälligkeit der zum Teil mehr als hundert Jahre alten Gebäude änderte das nichts. Der in der DDR in den 1950er-Jahren auf dem Gelände neugebaute Kindergarten "Hilde Coppi" überlebte samt angrenzenden Spielplatz die Wende nicht.
Ehemalige Bötzow-Brauerei: Lost Place nach der Wende
Nach der Wiedervereinigung war lange Zeit unklar, wie es mit dem Areal der Bötzow-Brauerei weitergehen würde. Das Gelände wechselte mehrfach den Eigentümer. Auch die Nutzungsideen variierten im Laufe der Jahre: Ein Großmarkt mit 40.000 Quadratmeter Fläche war im Gespräch, ein Dienstleistungszentrum und der Bau von Luxus-Appartements. Zu einer Umsetzung kam es nie – und so dämmerten die eindrucksvollen Brauereigebäude vor sich hin, verfielen und drohten zu verlassenen und vergessenen Industrieruinen zu verkommen.
Von den Wänden blätterte der Putz, das Mauerwerk war durch eindringendes Wasser beschädigt und baufällig, durch die Stahlträger fraß sich der Rost und an den Fassaden verewigten sich Graffiti-Künstler. Wer sich einen detaillierten Eindruck von der Industrieruine machen will: Auf der Internetseite boetzowberlin.de wurden ausgewählte Bilder vom Zustand vor der Sanierung veröffentlicht.
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Ehemalige Bötzow-Brauerei: Die Industrieruine diente als Filmkulisse
Das verlassene Brauerei-Gelände wurde ab den 2000er-Jahren gerne als Filmkulisse genutzt: In der Verfilmung von Wladimir Kaminers "Russendisko" (2012) wurde es zum Tacheles der 1990er-Jahre, und auch in "Unknown Identity" mit Liam Neeson (2011) und "Keinohrhasen" (2007) mit Til Schweiger und Nora Tschirner fand die ehemalige Brauerei als Drehort Verwendung.
Seit 2003 gab es eine Zwischennutzung von Teilen des Areals mit Geschäften, Clubs, Galerien und Werkstätte. Doch ein Gesamtkonzept fehlte. Das änderte sich erst, als der Unternehmer Hans Georg Näder das Areal Ende 2010 übernahm.
Ehemalige Bötzow-Brauerei: Ein Masterplan belebt das Gelände
Im Mai 2014 wurde der "Masterplan 2019" für das Areal vorgestellt. Die Entwürfe stammen vom britischen Star-Architekten Sir David Chipperfield, der in Berlin unter anderem auch die James Simon Galerie auf der Museumsinsel konzipiert hat. Die Pläne orientieren sich an der früheren Struktur und Gestaltung des Brauereigeländes. Spuren, die Nutzung und Zeit hinterlassen haben, sollten bei der denkmalgerechten Sanierung erhalten bleiben.
Entstehen soll auf dem Gelände ein Medizin-Campus. Neben Büro- und Therapieflächen sowie hochmodernen Produktionsbereichen soll es auf dem zukünftigen Areal viele öffentliche Bereiche wie Cafés, Restaurants und frei zugängliche Stadtplätze geben. Bereits fertiggestellt ist ein begrünter Innenhof auf der Westseite des Areals. Neben neuen Wohnungen sind Räume für Start-up-Firmen, eine Brauerei mit Biergarten, ein Hotel und ein öffentliches Schwimmbad mit Wellnessbereich geplant. Im August 2023 wurde Richtfest für die ersten beiden von insgesamt vier geplanten Neubauten gefeiert. Geplant ist die Fertigstellung bis spätestens Anfang 2025.
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