Berlin. Im Südwesten Berlins befand sich die ehemalige US-Kaserne McNair Barracks. Erfahren Sie hier die wichtigsten Infos zu dem Lost Place.

Nicht viele Berliner kennen die ganze Geschichte dieses Ortes, an dem einst Panzer rollten, Helmut Kohl und Bill Clinton die letzte Parade der Soldaten abnahmen und an neuen Radargeräten geforscht wurde. Der Industriekomplex der ehemaligen Telefunken-Werke wurde zwischen 1945 und 1994 von den US-amerikanischen Streitkräften als Kaserne genutzt. Die McNair Barracks waren neben den Andrews und Roosevelt Barracks der dritte große Kasernenstandort der US-Streitkräfte im Süden Berlins und eine regelrechte Stadt in der Stadt. Nach dem Abzug der Alliierten in den 1990er-Jahren standen die meisten Gebäude leer. Die wichtigsten Infos zu dem ehemaligen Lost Place in Steglitz-Zehlendorf.

Das sind die Fakten zu den McNair Barracks im Überblick:

  • Adresse: Areal zwischen Goerzallee und dem Platz des 4. Juli, 14167 Berlin-Lichterfelde
  • Geschichte: zwischen 1937 und 1940 nach Plänen des Architekten Hans Hertlein (1881–1963) als Telefunken-Stammwerk errichtet; nach Kriegsende bis 1994 als McNair Barracks Kaserne und Sitz der Berlin-Brigade der US-Streitkräfte in Berlin; Leerstand seit dem Abzug der Alliierten 1994 und Umbau zu neuen Wohnquartieren in den 2000-Jahren
  • Führungen: unregelmäßig werden Touren über das Gelände unter anderem durch das AlliiertenMuseum angeboten
  • Denkmalschutz: Objekt-Nr. 09065824
  • Status: ehemaliger Lost Place

Wo liegen die ehemaligen McNair Barracks genau?

Die US-Kaserne lag auf dem weiträumigen Areal des Telefunkenwerks an der Goerzallee im Ortsteil Lichterfelde des Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Die Grundfläche umfasste das gesamte Quartier zwischen Goerzallee im Süden, dem Platz des 4. Juli im Osten, der William-H.Tunner-Straße im Westen und dem Osteweg im Norden. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Arealm am besten mit der Buslinie 285 oder dem N84 zu erreichen (Haltestelle Billy-Wilder-Promenade). Alternativ kann auch der Bus 112 (Haltestelle Platz des 4. Juli) genutzt werden.

Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte der McNair Barracks:

Ausgangslage: Forschung für die für die NS-Rüstungsindustrie

Germania-Pläne: Fluchtlinienplan des 4. Ringes in Lichterfelde auf Höhe der Goerzallee.
Germania-Pläne: Fluchtlinienplan des 4. Ringes in Lichterfelde auf Höhe der Goerzallee.

Lange bevor die Amerikaner an der Goerzallee ihre Kaserne errichteten, stand das Areal im Süden Berlins bereits im Blickpunkt der Geschichte. Das Gelände war Teil der Planungen des NS-Reichsarchitekten Alberts Speer für die Welthauptstadt Germania. 1936 begannen die Bauarbeiten am sogenannten vierten Ring um Berlin. Zusammen mit der nie vollendeten Nord-Süd-Achse und der Ost-West-Achse sollten Autobahnringe um die Stadt herum die Verkehrsachsen der selbsterklärten Welthauptstadt bilden. Davon übrig ist eine Asphaltfläche zwischen Osteweg und Goerzallee – 400 Meter lang und 70 Meter breit.

Im Jahr 1938 kaufte Telefunken ein benachbartes etwa 240.000 Quadratmeter großes Grundstück an der Goerzallee, um dort die neue Unternehmenszentrale zu errichten. Das Unternehmen war 1903 von den auf dem Gebiet der drahtlosen Nachrichtenübermittlung führenden deutschen Elektrokonzernen AEG und Siemens & Halske gegründet worden. Mit der Telefunken-Gründung schmissen beide Großkonzerne ihr Knowhow zusammen, um künftig auf dem Gebiet der Schifffahrt, des Militärs und der interkontinentalen Nachrichtenübermittlung gemeinsam zu agieren. Für den NS-Staat war der Betrieb, der Rüstungsgüter lieferte, von immenser Bedeutung.

Telefunken-Zentrale: So war die Anlage aufgebaut

Auf dem Areal an der Goerzallee sollte neben dem Firmensitz eine Fabrikanlage für Elektronenröhren und Funkanlagen entstehen. Dafür hatte Siemens extra seinen renommierten Chefarchitekten Hans Hertlein (1881–1963) ans Reißbrett geschickt, der 1937 – noch vor dem Erwerb des Grundstücks – die Bebauungspläne vorlegte. Das Vorhaben hatte gewaltige Ausmaße – heute bildet der ehemalige Industriestandort das zweitgrößte Denkmalensemble in Berlin nach dem Flughafen Tempelhof. Auf dem 24 Hektar großen Grundstück begannen sogleich die Bauarbeiten.

Die viergeschossigen kaum verzierten Hauptgebäude wurden in Stahlskelettbauweise errichtet und mit Flachdach versehen. In lockerer Gebäudefolge gruppierten sich die Werkstätten und Fertigungshallen um offene Höfe. Ergänzt wurde das Bauensemble um ein- bis zweigeschossige Nebengebäude an der Peripherie. Markanter Blickfang war der neungeschossige Uhrturm mit quadratischer Grundfläche an der nordöstlichen Ecke der Anlage, der sich an den ursprünglichen Verwaltungstrakt des Unternehmenssitzes anschloss. Die Mittelachse betonte ein ehemals begrünter Ehrenhof.

Telefunken-Zentrale: Kriegsproduktion im Zweiten Weltkrieg

An dem neuen Industrietempel an der Goerzallee zog Telefunken alle seine Abteilungen in Berlin zusammen. Bis 1939 konnten die ersten Werksgebäude von Ingenieuren und Technikern bezogen werden. Bis 1940 waren dann auch die Nebengebäude der Anlage fertiggestellt. Fast 40.000 Quadratmeter standen in der Hauptverwaltung für Büros und Forschungslabore zur Verfügung, 22.000 für Werkstätten und 15.000 als Warenlager.

Der Schwerpunkt lag auf der Forschung und Entwicklung: Geräte der Funkmesstechnik sollten neu entwickelt werden, Radargeräte und Antennenanlagen, mit denen später im Krieg feindliche Flugzeuge ausgemacht werden sollten. In die Industriestadt schwärmten Tag für Tag 6000 Mitarbeiter. Als die Fertigung von Rüstungsgütern in den Kriegsjahren noch weiter gesteigert werden musste, wuchs die Zahl der Belegschaft auf bis zu 10.000 Mitarbeiter an. 1942 entstand auf der anderen Seite der Goerzallee ein Gerätewerk für die Fertigung kleiner Produktionsserien.

Dort beschäftigte Telefunken zeitweise 600 Zwangsarbeiter, hauptsächlich Franzosen, die in die Fertigung von Rüstungsgütern gezwungen wurden. Solange, bis das Nebenwerk im September 1943 bei einem gezielten Luftangriff auf die Berliner Elektroindustrie zur Hälfte zerstört wurde. Mit einem Schlag zeigte sich der Schwachpunkt der Zentralisierung. Die Firmenleitung schwenkte um: Die Produktionsketten Telefunkens wurden wieder ausgelagert: in Scheunen, Gaststätten und Schlösser in Brandenburg, Thüringen und Sachsen. Überall entstanden Mini-Betriebsstandorte, die bestenfalls von den alliierten Bomberstaffeln übersehen oder ignoriert wurden.

Telefunken-Zentrale: Die US-Armee übernimmt das Werk

Soldaten in der US-Kaserne McNair Barracks in Berlin 1970.
Soldaten in der US-Kaserne McNair Barracks in Berlin 1970. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | - | picture alliance / ASSOCIATED PRESS | -

Rund ein Zehntel der Entwicklungs- und Produktionsstätten an der Goerzallee wurden im Krieg zerstört – doch das beschädigte Werk war noch in der Nachkriegszeit funktionsfähig. Erst die Demontage der verbliebenden Produktionsmittel als Reparationsleistungen beendeten das Kapitel des Standortes als Industriestätte. Nach dem Krieg hatte die Rote Armee das Areal beschlagnahmt und es mit der Aufteilung Berlins an die US-Armee übergeben, die im amerikanischen Sektor im Südwesten Berlins nach geeigneten Militärstützpunkten suchten.

Die Telefunken-Werke wurden ab 1945 neben den "Andrews Barracks" an der Finckensteinallee und den "Roosevelt Barracks" am Gardeschützenweg in Lichterfelde zum dritten großen Kasernenstandort der US-Streitkräfte in Berlin ausgebaut. Bis zu 2300 Soldaten waren in den "McNair Baracks" stationiert. Fast fünf Jahrzehnte lang prägte die Kaserne das Leben im Kiez.

McNair Barracks: Namensgeber wurde durch "Friendly Fire" getötet

Lesley J. McNair in Tunesien 1943.
Lesley J. McNair in Tunesien 1943. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited | picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited

Benannt wurde die Kaserne nach dem US-amerikanischen Generalleutnant Lesley J. McNair (1883–1944). Er gehörte zu den beiden ranghöchsten im Zweiten Weltkrieg getöteten amerikanischen Soldaten – doch anders als Simon "The Bull" Buckner im Pazifik wurde McNair in der Normandie 1944 von eigenen Bomben getroffen. Er wollte sich sich während der "Operation Cobra" ein Lagebild vor Ort machen.

Sein Tod musste von der Militärführung zunächst geheim gehalten werden, weil er auf dem Papier auch Oberbefehlshaber der 1. US-Heeresgruppe (FUSAG) war – einer vorgetäuschten Geisterarmee, die sehr erfolgreich die Invasion in der Normandie durch ein Ablenkungsmanöver abgesichert hatte. Noch Wochen nach dem D-Day erwarteten Hitler und seine Militärführung den Hauptschlag der Alliierten weiter nördlich in Pas de Calais, wo sie 22 deutsche Divisionen gegen die "Ghost Army" zusammengezogen hatten. McNair wurde vom US-Kongress postum zum General befördert. Neben der Kaserne in Berlin wurde eine Brücke in Köln und Kasernen in Frankfurt und Washington D. C. nach ihm benannt.

McNair Barracks: Die Kaserne bildete eine Stadt in der Stadt

Sylvester Stallone (mi.) besucht 1988 US-Truppen in der McNair-Kaserne.
Sylvester Stallone (mi.) besucht 1988 US-Truppen in der McNair-Kaserne. © picture alliance / Sammlung Richter/Max Kohr | picture alliance / Sammlung Richter | Sammlung Richter/Max Kohr

Nach der Übernahme durch die US-Armee wurde der zerstörte Mitteltrakt auf dem Gelände vereinfacht wiederaufgebaut, zunächst als Hauptquartier genutzt und ab 1949 zu Truppenunterkünften umgebaut. In der Kaserne waren Soldaten der Berlin Brigade stationiert – genauer: Truppen der 6. Infanterie, die 1984 durch Soldaten der 502. Infanterie abgelöst wurden, sowie Einheiten der 94. Feldartillerie. Die Kaserne wurde umzäunt und durch Grenzposten und Patrouillen abgesichert. Zutritts- und Fahrzeugkontrollen beschränkten den Einlass am Haupttor an der Goerzallee und am Nebeneingang am Osteweg.

Das gesamte Areal war mit militärischen und versorgungstechnischen Einrichtungen nach dem Prinzip einer "Stadt in der Stadt" organisiert. Neben den Unterkünften der Soldaten im südlichen Bereich der Kaserne waren am Standort auch Ausbildungseinrichtungen, eine Schule, Clubräume, Offizierskasinos und Mannschaftsheime, eine Kirche, Turnhallen, Fitnesscenter und Sportplätze, eine Bäckerei, ein Waschsalon, eine Bibliothek, Militärbekleidungsshops, Friseure, Commissary-Lebensmittelgeschäfte und andere Läden sowie das Kino "Coliseum Theater" untergebracht.

McNair Barracks: Der Militärstützpunkt wird in den 1990er-Jahren zum Lost Place

Abzug der Alliierten: Ohnmächtiger US-Soldat bei Feiern zum Unabhängigkeitstag im Juli 1994 an der McNair Kaserne in Berlin.
Abzug der Alliierten: Ohnmächtiger US-Soldat bei Feiern zum Unabhängigkeitstag im Juli 1994 an der McNair Kaserne in Berlin. © picture-alliance / Andreas Altwein | Andreas Altwein | picture-alliance / Andreas Altwein | Andreas Altwein

Das Gelände der Kaserne war zum großen Teil für die Berliner nicht zugänglich. Eine Ausnahme davon bildete der Klub "Starlight Grove", der sich genau auf der mit Stacheldraht gesicherten Grenze von Kasernengelände und Außenwelt befand. Von innen kamen die GIs rein, draußen stand "German Guests Welcome" über der Tür, die ihre Pforten hauptsächlich für deutsche "Fräuleins" öffnete.

Die US-Armee nutzte nicht nur die Gebäude des Ex-Telefunkenwerks als Kaserne, sondern auch Speers "vierten Ring", um Paraden einzuüben. Auf der Asphaltfläche konnte auch der ein oder andere Panzer Probegefahren und am Fuhrpark der Artillerie rumgeschraubt werden. Jedes Jahr wurde dort eine Parade zum Nationalfeiertag am 4. Juli abgehalten. Das war auch der Grund für die offizielle Umbenennung 1976 in "Platz des 4. Juli".

Nicht immer verliefen die deutsch-amerikanischen Beziehungen reibungslos: Während der Hochphase der Proteste gegen den Vietnamkrieg Ende der 1960er-Jahre, sollen Günter Grass und einige andere Gesprächspartner den Studentenführer Rudi Dutschke nur knapp davon überzeugt haben, von seinem Plan einer Besetzung der Kaserne durch Demonstranten abzusehen. Das US-Militär hatte Schusswaffengebrauch angekündigt. Es sollte noch einige Jahre dauern, bis die Parole "Ami – go home!" Realität wurde.

Der US-amerikanische Präsident Bill Clinton (3.v.l.) und Gattin Hillary (2.v.r.) zusammen mit Bundeskanzler Helmut Kohl (l.) und Gattin Hannelore (2.v.l.) sowie dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen (r.), auf dem Balkon des Roten Rathauses in Berlin am 12.07.1994.
Der US-amerikanische Präsident Bill Clinton (3.v.l.) und Gattin Hillary (2.v.r.) zusammen mit Bundeskanzler Helmut Kohl (l.) und Gattin Hannelore (2.v.l.) sowie dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen (r.), auf dem Balkon des Roten Rathauses in Berlin am 12.07.1994. © picture-alliance / ZB | Peer Grimm

Mit dem Abzug der Alliierten nach der Wiedervereinigung in den 1990er-Jahren wurde der Militärstützpunkt geschlossen. Nach einer letzten Parade, die US-Präsident Bill Clinton zusammen mit Bundeskanzler Helmut Kohl 1994 abnahmen, endete die knapp 50-jährige Nutzung des ehemaligen Werksgeländes als Kaserne. Als die letzten US-Soldaten den Stützpunkt verließen, gingen in den McNair Barracks die Lichter aus und es musste eine Nutzung für das riesige Bauensemble gefunden werden, das 1994 der Stadt Berlin übergeben und 1995 unter Denkmalschutz gestellt wurde.

McNair Barracks: Wiederbelebung der alten Kaserne als Wohnquartier

Die Nürnberger Firma Project Immobilien hatte mehr als 1.800 Wohnungen geplant – dann ging sie pleite. Betroffen ist auch das Neubauprojekt Billy-Wilder-Living auf dem Telefunken-Gelände (Visualisierung).
Die Nürnberger Firma Project Immobilien hatte mehr als 1.800 Wohnungen geplant – dann ging sie pleite. Betroffen ist auch das Neubauprojekt Billy-Wilder-Living auf dem Telefunken-Gelände (Visualisierung). © Project Immobilien

Ab den 2000er-Jahren begann der Senat einzelne Bauabschnitte an private Investoren zu verkaufen und es begann die Umwandlung in Eigentumswohnungen. Nach und nach wurden die alten Fabrikhallen und Kasernengebäude zu Loftwohnungen, Penthäuser und Maisonette umfunktioniert – nicht ohne einige Turbulenzen. So konnte etwa der Monroe-Park, benannt nach der US-Schauspielerin, erst mit vierjähriger Verspätung gebaut werden, da der Investor Lehman Brothers 2008 Insolvenz anmelden musste, mit den bekannten globalen Auswirkungen.

Bis heute sind auf dem Gelände die Wohnquartiere Lesley-Lofts, Loftland und Monroe-Park entstanden – dazu kamen eine Privatschule, zahlreiche Geschäfte, eine Kinderspielhalle und ein Fitnessstudio. Der Platz des 4. Juli wird heute als Parkplatz und Übungsparcours von Fahrschulen genutzt, aber auch für Flohmärkte. Jedes Jahr finden am 4. Juli vor der ehemaligen Kaserne treffen für amerikanische Veteranen statt, die in Berlin gedient haben.

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