Berlin. Das Städtische Krankenhaus Pankow diente fast 100 Jahre der medizinischen Versorgung Berlins. Wichtige Infos zum ehemaligen Lost Place.

Operationen, Bunker und Kriegswirren: Das Städtische Krankenhaus Pankow an der Galenusstraße hatte in seiner fast einhundertjährigen Geschichte als medizinisches Versorgungszentrum viele Umbrüche erfahren. Als es 2001 stillgelegt wurde, drohte es zu einer modernen Ruine zu verfallen. Doch kaum jemand ahnte, welches Geheimnis es noch preisgeben sollte, als die Bauarbeiten auf dem Grundstück in den 2000er-Jahren begannen. Erfahren Sie hier alle Infos zu dem ehemaligen Lost Place.

Das sind die Fakten zum Städtischen Krankenhaus Pankow im Überblick:

  • Adresse: Galenusstraße 56–63D, 13187 Berlin-Pankow
  • Geschichte: Errichtung 1905/1906 nach Plänen von Wilhelm Johow; Eröffnung 1906; nach der Wiedervereinigung Übernahme durch die Caritas; 2001 Schließung des Standorts und Leerstand
  • Führungen: keine
  • Denkmalschutz: Objekt-Nr. 09050583
  • Status: ehemaliger Lost Place. Ab 2005 Nachnutzung des Hauptgebäudes als Schule; ab 2008 Sanierung und Abriss von Nebengebäuden sowie Neubauprojekte auf dem Grundstück

Wo liegt das ehemalige Städtische Krankenhaus Pankow genau?

Das ehemalige Städtische Krankenhaus Pankow liegt in der Galenusstraße 56–63D im Stadtteil Pankow des gleichnamigen Bezirks. Das Areal ist mit den öffentlichen Verkehrsmitteln am besten mit den Tramlinien 50 und M1 beziehungsweise dem Nachtbus N50 zu erreichen (Haltestelle Galenusstraße). Von der Haltestelle ist es ein rund dreiminütiger Fußweg entlang der Galenusstraße bis zu dem Grundstück. Alternativ kann der S-Bahnhof Pankow-Heinersdorf (S2, S8) genutzt werden, von dem man etwa sechs Minuten entlang der Vesaliusstraße benötigt.

Lost Places in Pankow

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    Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte des Städtischen Krankenhauses Pankow:

    Ausgangslage: Die medizinische Versorgung Berlins und seiner Vororte

    Zur Besuchszeit im Städtischen Krankenhaus im Friedrichshain. Holzstich nach Zeichnung von Georg Koch aus der Leipziger Illustrierten 1885.
    Zur Besuchszeit im Städtischen Krankenhaus im Friedrichshain. Holzstich nach Zeichnung von Georg Koch aus der Leipziger Illustrierten 1885. © picture alliance / akg-images | akg-images | picture alliance / akg-images | akg-images

    Bis in das 19. Jahrhundert waren öffentliche Krankenanstalten in erster Linie Versorgungsstätten für die Unterschicht. Wer es sich leisten konnte, rief den Arzt zu sich nach Hause oder ließ sich in luxuriösen Privatkliniken und Sanatorien behandeln. In Berlin, das im 19. Jahrhundert regelmäßig von Cholera-Epidemien heimgesucht wurde, musste der Berliner Magistrat kostspielige Vereinbarungen mit der Charité und Privatkliniken treffen, weniger bemittelte Kranke aufzunehmen. Der Druck wuchs, eine Lösung für die Zukunft zu finden.

    Abhilfe sollte die Einrichtung städtischer Krankenhäuser schaffen. 1874 eröffnete mit dem Krankenhaus Friedrichshain das erste städtische Klinikum in Berlin und wurde zum Musterbau für Krankenhausneubauten im ganzen Deutschen Reich. Es stand auch Pate, als die Landgemeinde Pankow – damals noch vor den Toren Berlins gelegen – sich dazu durchrang, ein eigenes Klinikum einzurichten, das später als Städtisches Krankenhaus Pankow bekannt wurde.

    Städtisches Krankenhaus Pankow: Errichtung Anfang des 20. Jahrhunderts

    Die Pläne für den Krankenhausbau gingen auf den aus Minden stammenden Architekten Wilhelm Johow (1874–1960) zurück, der zuvor das Pankower Rathaus entworfen hatten und mit seiner Familie in der Breiten Straße lebte.

    1905 begannen die Bauarbeiten für das Klinikum an der heutigen Galenusstraße, die damals noch unbenannt war. Ein Jahr später konnte das Krankenhaus Pankow bereits seine Pforten für Patienten öffnen. Das Klinikum im nördlichen Vorort Berlins galt ab 1906 als eines der modernsten Krankenhäuser der Welt.

    Städtisches Krankenhauses Pankow: So war die Klinik aufgebaut

    Das Krankenhausensemble bestand aus mehreren Klinkergebäuden, die von einer weitläufigen Parkanlage entlang der Galenusstraße umsäumt war. Hinter dem Krankenhausgelände verlief die Panke; westlich schloss sich eine Kleingartenkolonie und der Park des Schlosses Schönhausen an. Neben dem zentralen Krankenhausbau gab es ein separates Verwaltungsgebäude, ein Wirtschaftsgebäude sowie die Pathologie, die während des Umbaus des Areals in den 1930er-Jahren entstanden.

    Das zurückgesetzte Hauptgebäude der Klinik mit dem markanten Mittelrisalit bildete über die Galenusstraße hinweg eine platzartige Aufweitung aus, die sich entlang der Paracelsusstraße in Nord-Süd-Richtung durch die südliche Wohnbebauung bis an die Bleicheroder Straße fortsetzte. Auf dem Vorplatz vor dem Haupteingang des Krankenhausbaus empfing bis Mitte der 1930er-Jahre ein Mendel-Denkmal, das an den „Vater der Genetik“ Gregor Mendel (1822–1884) erinnerte, die Patienten und Krankenhausmitarbeiter.

    Städtisches Krankenhauses Pankow: Lazarettbetrieb im Ersten Weltkrieg

    Viele Gesundheitseinrichtungen in und um Berlin wie hier in Pankow-Buch dienten während des Ersten Weltkriegs als Lazarett
    Viele Gesundheitseinrichtungen in und um Berlin wie hier in Pankow-Buch dienten während des Ersten Weltkriegs als Lazarett © picture alliance / arkivi

    Während des Ersten Weltkriegs mussten in Pankow zahlreiche Verwundete versorgt werden. Das Krankenhaus Pankow nahm dabei eine zentrale Stellung ein: Ein Barackenlager, das am Pankower Krankenhaus hochgezogen wurde, war dem Reserve-Lazarett des Dritten Armeekorps angegliedert. Die Hälfte des Krankenhauses Pankow diente als Vereinslazarett der Versorgung von Kriegsverletzten und auch die Festsäle des nahegelegenen Restaurants im Bürgerpark wurden in ein Behelfslazarett umgestaltet.

    Nach dem Friedensschluss ging das Klinikum wieder in den Regelbetrieb über. In der Zeit der Weimarer Republik war das Krankenhaus – ab der Eingemeindung Pankows 1920 „Städtisches Krankenhaus Pankow“ – unter anderem Wirkungsstätte des Urologen Jacob Bitschai, einem der ersten Operateure Berlins, der transurethrale Eingriffe vornahm.

    Städtisches Krankenhauses Pankow: Dunkelstes Kapitel während NS-Zeit

    In der NS-Zeit wurden ab 1933 wie in anderen städtischen Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen rassenideologische Vorgaben umgesetzt: Jacob Bitschai wurde ebenso wie seine Kollegen Viktor Gottheiner und Heinz Eisenstadt entlassen und mussten fliehen, jüdische Patienten wurden nicht mehr behandelt und auch der ärztliche Direktor am Krankenhaus Pankow, der Chefarzt der Chirurgie Karl Lutz, wurde 1937 aus antisemitischen Gründen aus seiner Anstellung entlassen, weil er sich nicht von seiner jüdischen Ehefrau trennen wollte.

    Ganz verzichten konnten die NS-Funktionäre nicht auf den Mediziner: Er wurde 1943 für die Chirurgie der Krankenanstalten Bremen „notverpflichtet“, überlebte den Krieg und konnte nach Kriegsende seine Posten als Chefarzt der Chirurgie am Krankenhaus Pankow wieder antreten.

    Städtisches Krankenhaus Pankow: Versteckter OP-Bunker im Zweiten Weltkrieg

    Noch im Krieg war nach Vorgaben des „Führer-Soforterlasses“ von 1940 im Krankenhaus Pankow ein OP-Bunker angelegt worden. Er sollte bei Fliegeralarm und Bombenangriffen die Kontinuität des Operationsbetriebs gewährleisten und war entsprechend geschützt.

    Bei dem Bunker im Krankenhaus Pankow handelte es sich um einen OP-Bunker vom Typ A – ein Standardbau mit Desinfektionsvorzimmer und einem geschützten Operationssaal. Der Bunker an der Adresse Galenusstraße 60 wurde nach Kriegsende 1946 gesprengt, verschüttet und abgetragen.

    Einen Eindruck eines OP-Bunkers des Typs A vermittelt dieses Youtube-Video zu dem erhaltenen OP-Bunker am ehemaligen Humboldt-Krankenhaus in Berlin-Reinickendorf:

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    Städtisches Krankenhaus Pankow: Erweiterung in der DDR-Zeit

    In der DDR-Zeit wurde das Städtische Krankenhaus Pankow weiter betrieben und unterhielt unter anderem eine Rettungsstelle, ein Labor, eine Röntgenabteilung, eine Chirurgie, bis 1960 eine Urologie, eine Pathologie, ein Ambulatorium mit Krankengymnastik und Elektrotherapie, eine physiotherapeutische Abteilung Krankengymnastik mit Elektro- und Hydrotherapie sowie am Klinikstandort Breite Straße eine Augenambulanz und -klinik.

    In den 1950er-Jahren wurde die Klinik an der Galenusstraße westlich des Hauptgebäudes durch ein großes mehrstöckiges Bettenhaus erweitert. Der Plattenbau lag auf der Höhe der Galenusstraße 63B und war mitten im grünen Herz, auf der Parkanlage des Grundstückes, hochgezogen worden. Mit dem Neubau wurde die Behandlungskapazität des Städtischen Krankenhauses erheblich erweitert.

    Städtisches Krankenhaus Pankow: Lost Place in den 2000er-Jahren

    Nach der Wiedervereinigung wurde das Städtische Krankenhaus Pankow von der Caritas übernommen und 1993 mit dem Krankenhaus Maria Heimsuchung in der Breiten Straße zu den Caritas-Kliniken Pankow zusammengeschlossen. Der Klinikbau an der Galenusstraße hatte aber seine besten Tage gesehen: Zwar wurde noch ein moderner Versorgungstrakt für die Essenszubereitung eingerichtet, als dieser aber fertiggestellt war, schloss die Caritas den Standort. Die medizinischen Stationen wurden in die Klinik Maria Heimsuchung verlegt.

    Ab 2001 standen die alten Klinkergebäude des Städtische Krankenhaus Pankow leer: Durch die Hallen eilten keine Ärzte mehr, keine Patienten warteten mehr auf ihre Versorgung. Auf die Einbauten und das zurückgelassene Mobiliar legten sich Schichten von Staub, und die denkmalgeschützte Einfriedung um das Krankenhausgelände wurde mit Graffiti beschmiert. Das ehemalige Städtische Krankenhaus Pankow drohte ohne baldige Nachnutzungskonzepte zu einer modernen Ruine zu verfallen.

    Städtisches Krankenhauses Pankow: Sanierung und Umbau ab 2006

    Im August 2006 bezog die Evangelische Grundschule Pankow, die zuvor in der Hadlichstraße ihr Schulgebäude hatte, den Hauptbau des ehemaligen Krankenhauses an der Galenusstraße. Hinter dem Schulgebäude wurde am ehemaligen Wirtschaftsgebäude ein Turnhallenneubau errichtet. Die Gründerzeitvilla südöstlich des Hauptgebäudes – das ehemalige Verwaltungsgebäude der Klinik – in der Galenusstraße 60 wurde saniert und zu Eigentumswohnungen umgebaut.

    Ab 2008 gab es auch Bauarbeiten auf dem westlichen Teil des Grundstücks: Das DDR-Bettenhaus wurde abgerissen und machte Platz für weiteren Wohnungsneubau. Bis 2009 entstanden hier 20 Townhouses und 76 Wohnungen aufgeteilt auf vier Mehrfamilienhäuser.

    Städtisches Krankenhauses Pankow: Kuriose Entdeckung auf dem Baugrund

    Bei den Bauarbeiten für das Wohnprojekt machten die Arbeiter 2008 einen überraschenden Fund. Bei der Ausschachtung für eine Tiefgarage wurde eine frühneuzeitliche Vogelfanganlage aus dem frühen 16. Jahrhundert freigelegt.

    Es handelte sich um eine große kurfürstliche Anlage, die wohl Joachim I. Nestor (1448–1535) aus dem Geschlecht der Hohenzollern in Norden Berlins hat errichten lassen. Bei dem Vogelherd wurde eine künstliche Insel von einem flachen Wassergraben begrenzt. Auf der flachen Erhebung in der Mitte wurden Beeren und Saatgut gestreut, um Zugvögel anzulocken. Am Rand waren Hecken mit Lockvögeln postiert, die mit ihrem Gesang weitere Vögel anlockten. Waren genug Zugvögel zusammenkommen, wurden sie mit Netzen gefangen – und dann zumeist verspeist. Der Vogelfang wurde archäologisch ausgegraben und wissenschaftlich dokumentiert, bevor er dem Neubauprojekt weichen musste.

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