Berlin. Seit einer Ewigkeit hat die alte Gaststätte im Pankower Rathaus geschlossen. Was hat es mit dem Lost Place auf sich? Alle Infos.
Seit Jahrzehnten ist der Eingang zum Ratskeller Pankow am Rathaus verschlossen. Die Öffentlichkeit hat keinen Zugang zu der mehr als einhundert Jahre alten Gaststätte – und der Sanierungsbedarf ist riesig. Welche Geheimnisse verbergen sich hinter dem schweren, eisenbeschlagenen Eingangsportal? Schließlich stießen Rathausmitarbeiter vor einigen Jahren schon einmal auf mysteriöse und versperrte Trakte des Gebäudes, von denen niemand mehr wusste. Und wie sieht die Zukunft für den verlorenen Ort aus? Alle Infos zu dem Lost Place.
Das sind die Fakten zum Ratskeller Pankow im Überblick:
- Adresse: Rathaus Pankow, Breite Straße 24a-26, 13187 Berlin-Pankow
- Geschichte: Errichtung des Rathauses 1901 bis 1903 nach Entwurf des Architekten Wilhelm Johow (1874–1960); Eröffnung des Ratskellers im Oktober 1902; Öffnung als Gastwirtschaft für Besucher 1907; Sanierung in den 1990er-Jahren, seit 2007 Lost Place
- Führungen: Keine
- Denkmalschutz: Objekt-Nr. 09085245
- Status: Lost Place
Wo liegt der Ratskeller Pankow genau?
Das Rathaus Pankow befindet sich in der Breiten Straße 24a-26 im Ortsteil Pankow. Mit der S- und U-Bahn ist der nächste Bahnhof die Station Pankow (S2, S8, S85 und U2), von der es etwa 600 Meter Fußweg bis zum Rathaus sind. Direkt vor dem Rathaus halten die Buslinien 250, 255, 155 und die M1 (Station Rathaus Pankow). Der Ratskeller befindet sich im östlichen Gebäudetrakt des Rathauses. Links des Rathauseingangs gibt es einen separaten Zugang von der Breiten Straße aus.
Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte des Ratskellers Pankow:
Ausgangslage: Ein Rathaus für die Landgemeinde Pankow
Mit den Bauarbeiten für das Rathaus Pankow wurde 1901 nach den Plänen des Architekten Wilhelm Johow (1874–1960) begonnen. Das neogotisch-neobarocke Bauwerk war ein bedeutendes Prestigeprojekt für den damals noch vor den Toren Berlins gelegenen Vorort. Das Niederbarnimer Kreisblatt schrieb: "Die festliche Grundsteinlegung bildete für die hiesige Bevölkerung ein geschichtliches Ereignis ersten Ranges. Der Bauplatz war mit bunten Flaggen und Girlanden geschmückt."
Der Bau des Rathauses Pankow legte den Startschuss zur Entwicklung Pankows. In der Umgebung entstanden neue Straßensysteme und Neubauten schossen aus dem Boden, die das Bild des Stadtteils bis heute prägen. 1903 wurde das Gebäude fertiggestellt. Doch bereits wenige Monate zuvor, als das Rathaus noch Baustelle war, hatte der Ratskeller im Untergeschoss seine Tore erstmals geöffnet – mit großem Erfolg.
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Ratskeller Pankow: Publikumsattraktion inmitten von Bauarbeiten
Bereits zur Eröffnung am 9. Oktober 1902 erstrahlten die prunkvollen, großstädtischen Säle des Ratskellers – ganz modern – in elektrischem Licht. Schnell wurde das edle Stübchen zu einem Publikumsliebling. Der Niederbarnimer Anzeiger berichtete über den Ansturm von Besuchern. Während die Gäste auf der Terrasse unter einer riesigen Markise sitzen konnten, war alles ringsum noch im Bau.
Pflasterarbeiten fanden vor dem Rathaus statt, die Enden von Wasser- und Gasrohren ragten aus dem Boden, Telegrafenleitungen warteten darauf verlegt zu werden und die Masten für die Oberleitung der elektrischen Straßenbahn standen windschief in nicht verfüllten Gruben. Ende Oktober zogen die ersten Gemeindemitglieder in ihre neuen Büros – und feierten den Einzug bierselig im eigenen Ratskeller, der nun exklusiv den Gemeindemitarbeitern zur Verfügung stand. Auch die Dienstwohnung des Bürgermeisters in der ersten Etage des Rathauses war inzwischen bezugsfertig geworden. Vom Balkon aus konnte er die letzten Arbeiten am Rathaus mitverfolgen.
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Ratskeller Pankow: Ein Festmahl ohne Frauen zur Eröffnung
Feierlich wurde das Rathaus offiziell am 22. April 1903 vom Gemeindevorsteher im geschmückten Großen Ratssaal eröffnet. Rund einhundert handverlesene Gäste – darunter der Polizeipräsident von Berlin, der Berliner Oberbürgermeister und der spätere preußische Innenminister von Moltke – verfolgten den Gesang des Kirchenchores und sangen gemeinsam die deutsche Hymne.
Nach getaner Arbeit ging es herunter zum Festmahl, wo sich Ratskellerwirt Carl Fischer nicht lumpen ließ: Das mehrgängige Menü bestand unter anderem aus einem schwedischem Vorgericht, klarer Schildkrötensuppe, Kalbsrücken mit Tomatensoße, Schlei blau mit frischer Butter, junger Hamburger Gans, Früchten, Salat, Braunschweiger Stangenspargel und einer Käseschüssel – dazu wurde Mocca, Wein, Bier und alter Sherry gereicht.
Das Menü kostete 18,50 Mark. Davon hätte zur damaligen Zeit eine vierköpfige Familie etwa eine Woche leben können. An dem Festmahl durften nur die geladenen Ehrengäste und keine Frauen teilnehmen. Sie mussten von der Empore zusehen, wie es sich ihre Gatten gut schmecken ließen. Die absurde Szenerie der Schlemmerei regte später den Pankower Maler Heinrich Werrmann zu einer Karikatur an.
Ratskeller Pankow: Reger Betrieb in Kaiserzeit und Weimarer Republik
In der Folgezeit wurde der Ratskeller zu einer festen Institution für die Gemeindevertreter, die nach der Ratsarbeit hier einkehrten. In das "Goldene Buch" des Lokals trug sich als Erster der damalige Bürgermeister Richard Gottschalk mit den Worten ein: "Nach des Tages Last und Müh', ich in Fischers Hütte zieh, Trinke meinen Schoppen froh, Bürger, macht es ebenso!" Doch die mussten sich noch bis 1907 gedulden, bis die Gastwirtschaft auch regulär dem gemeinen Volk offenstand. Bis dahin war sie exklusiv den Mitarbeitern des Rathauses vorbehalten.
Ein Geheimgang führte innerhalb des Hauses direkt in den Ratskeller, wo sich die Gemeindevertreter ungesehen zurückziehen konnten, um die strittigen Punkte aus dem Ratssaal noch einmal bei Essen und Getränk verhandeln zu können. In der Gaststube konnten oft bessere Ergebnisse erzielt werden, als in den hitzigen Redeschlachten im Sitzungssaal. In dem Gewölbekeller trafen sich die Stadtväter bevorzugt nach den Sitzungen.
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Ratskeller Pankow: Bunkerbau während des Zweiten Weltkriegs
Währenddessen schritt die Geschichte nicht spurlos vorbei: Das Rathaus wurde zu einem Mikrokosmos deutscher Geschichte. So öffneten sich beispielsweise mit der massenhaften Rekrutierung im Ersten Weltkrieg erstmals die Rathaustüren für Frauen in der Gemeindeverwaltung. Mit dem Groß-Berlin-Gesetz wurde Pankow 1920 in das Stadtgebiet von Berlin eingemeindet, und nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurden jüdische Beamte und Antifaschisten verfolgt und aus ihren Posten gedrängt.
Mehrfach hatte die ratshausinterne Gaststätte bis dahin den Inhaber gewechselt: Auf Carl Fischer folgte Ratskellerwirt Paul Hilgner. In den 1930er-Jahren übernahm Max Kohlhoff die Küche samt Weinhandlung und ab 1939 war es eine Frau Dühlmeier, die das Lokal führte. Währenddessen kam es zu gravierenden Umbauten im Rathaus, das bis in die 1920er-Jahre stetig erweitert worden war.
In den Jahren 1942 und 1943 wurden die Kellerräume rechts vom Ratssaal zu einem Luftschutzbunker ausgebaut. Der Bunker sollte als Einsatzleitstelle inklusive von Gefängniszellen und Fernmeldeanschlüssen die Fortführung des Krieges sicherstellen. Ab 1944 wurde er zu einer "zentralen Verteidigungsstelle" erklärt, in der auch Beamte, Wehrmachtsangehörige und Polizisten aus den aufgelösten Revieren einquartiert wurden. Ein Weg in den Bunker und den Zellentrakt mit massiven stählernen Panzertüren führte direkt durch den Ratskeller.
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Ratskeller Pankow: Treffpunkt für "Kollektivfeiern" in der DDR-Zeit
Nach dem Ende des Krieges wurde das Pankower Rathaus von 1945 bis 1949 Sitz der sowjetischen Kommandantur und anschließend an die Pankower Bezirksverwaltung übergeben, die im Rathaus wieder ihre Arbeit aufnehmen konnte. Und auch im Ratskeller kehrte wieder Leben ein. Ältere Pankower dürften noch rege Erinnerungen aus der DDR-Zeit der Gaststätte haben: Polterabende, Hochzeiten, Jugendweihen – im Ratskeller wurde so manche Festlichkeit zelebriert und das Lokal hatte seinen Platz im Kiez, wenn es um gesellige Abende und deftiges Essen ging. So manche Familie hatte im Ratskeller ihren Stammplatz für Familienfeiern.
Der DDR-Gaststättenführer "Sie wünschen bitte?" aus dem Jahr 1988 informiert etwas hölzern: "Der Ratskeller Pankow ist eine traditionelle Speisegaststätte. Die langjährig fachlich guten Leistungen trugen zu ihrem Ruf bei. Sie erfreut sich großer Beliebtheit bei den Bürgern des Stadtbezirks und anderen Gästen. Familien- und Kollektivfeiern gehören zum Leistungsprofil dieser Gaststätte." Zum Interieur ergänzt der Führer: "Die Innenausstattung wird von einem schön angelegten Kreuzgewölbe geprägt. Besonderer Blickfang sind die Bleiglasfenster mit Abbildungen Pankower Ortsteilwappen. Die Gäste werden im Bierrestaurant, Hochzeitszimmer, Weinkeller und Pankezimmer mit Speisen der regionalen und internationalen Küche bewirtet."
Pointierter brachten es die britischen Autoren Jack Holland und John Gawthrop in ihrem Ratgeber "Berlin: The Rough Guide" aus dem Jahr 1990 auf den Punkt: "Angemessene Preise und ein etwas über dem Durchschnitt liegendes Essen".
Ratskeller Pankow: Notwendige Sanierung in den 1990er-Jahren
Die besten Jahre hatte das gut 550 Quadratmeter große Lokal während der Wendezeit und der Wiedervereinigung allerdings lange hinter sich gelassen. 1994 musste der einst prunkvolle Ratskeller wegen einer Rattenplage schließen. Bei dieser Gelegenheit wurden auch die Lüftungsanlage und die Kochstrecke für rund 250.000 D-Mark erneuert.
Der Anbau des Küchentraktes aus DDR-Zeiten im Rathaushof wurde abgerissen, und es fand ein Rückbau der zur Küche gehörenden Räumlichkeiten statt. Die hofseitige Fassade, an der sich der Anbau befand, wurde wieder in den ursprünglichen Zustand versetzt. Mehrere Termine zur Wiedereröffnung mussten verschoben werden, ehe das Kellerrestaurant, inzwischen an eine Brauerei verpachtet, zu Silvester 1997 wiedereröffnet werden konnte. Doch es blieb nur für drei Jahre offen.
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Ratskeller Pankow: Lost Place seit den 2000er-Jahren
Der damalige Hauptpächter, der Berliner Bierproduzent Bürgerbräu, kündigte im Jahr 2000 dem Wirt, weil dieser nach einer Auseinandersetzung um Umbau- und Reparaturarbeiten den Pachtzins gesenkt und sechsstellige Mietschulden angehäuft hatte. Danach gingen die Lichter in der Bierstube und der Gastronomie aus. Die Brauerei nahm den Tresen mit, der Ratskeller wurde versiegelt und versank in einem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf. Nur die Inschrift über dem Eingang im Turmsockel zur Breiten Straße hin und die Bierlaterne an der Fassade künden noch von den goldenen Zeiten der Gaststätte.
Das Bezirksamt suchte lange Jahre vergeblich nach einem neuen Betreiber: Von 2000 bis 2005 haben sich 25 Interessenten in den Kellergewölben des Ratskellers umgesehen – und dann abgewunken. Im Jahr 2005 kam es fast zum Verkauf. Der sächsische Gastronom Michael Möckel wollte den Ratskeller als böhmisches Spezialitätenrestaurant wiedereröffnen. Kurz vor dem Vertragsabschluss sprangen Investoren ab. Zu teuer erschienen die Sanierungskosten, um die veraltete DDR-Küchenkonzeption auf den neuesten Stand zu bringen und heutige Standards für den Gastronomiebetrieb zu entsprechen. Die Kosten für den Umbau wurden auf eine Summe von bis zu zwei Millionen Euro taxiert.
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Ratskeller Pankow: Und wie sieht die Zukunft aus?
Seit 2005 gab es weitere Gespräche mit Bewerbern. Mit einigen Interessenten wurden Verhandlungen geführt und es standen unterschiedliche Nutzungskonzepte im Raum: von der Wiedereröffnung als Gastronomie bis zur kulturellen Veranstaltungsstätte und Ausstellungsraum für die Geschichte des Bürgerparks. Doch alle Wiederbelebungsmaßnahmen scheiterten bis dato. Kein Betreiber sah sich im Stande, den Ratskeller wirtschaftlich zu führen und für einen Museumbetrieb erfüllt der Keller nicht die nötigen Sicherheitsbestimmungen.
Heute werden in den Gewölbekellern der ehemaligen Gastronomie alte Wahlunterlagen aufbewahrt. Während der Corona-Pandemie keimte noch einmal Hoffnung auf. Passanten war aufgefallen, dass aus dem Ratskeller Licht drang. Wurde an einer Wiedereröffnung gewerkelt? Die banale Erklärung für das geisterhafte Spektakel: Vierzehn Beschäftigte des Gesundheitsamtes waren in die alte Gaststube ausquartiert worden. Sie sollten an Rechnern und Telefon die Kontaktpersonennachverfolgung des Gesundheitsamts unterstützen. Wie es mit der Gaststätte weitergeht, bleibt offen.