Berlin. In der Schmarjestraße vererbte ein Ehepaar dem Bezirk eine Villa. Damit nahm das Unheil seinen Lauf. Die wichtigsten Infos.
Knapp zehn Jahre stand die Villa an der Schmarjestraße 14 in Berlin-Zehlendorf leer – deshalb auch Geistervilla genannt. Fast genauso lange wurde ein neuer Betreiber gesucht. Der Bezirk Steglitz-Zehlendorf hatte das Haus geerbt – mit der Auflage, es für soziale Zwecke zu nutzen. Das gestaltete sich schwieriger und langwieriger als erwartet. Erfahren Sie hier die wichtigsten Informationen zu dem ehemaligen Lost Place.
Das sind die Fakten zur Villa Schmarjestraße im Überblick:
- Adresse: Schmarjestraße 14, 14169 Berlin-Zehlendorf
- Geschichte: 1912 durch das Architekturbüro "Bastian und Kabelitz" erbaut; Wohnhaus bis in die 1980er-Jahre; 1989 erbte der Bezirk Steglitz-Zehlendorf das Haus und kündigte 2007 der Kita als letzten Mieter; anschließend Leerstand
- Führungen: Keine. Es handelt sich um Privatgelände
- Denkmalschutz: Objekt-Nr. 09075922
- Status: Ehemaliger Lost Place. 2021 konnte mit dem Verein "Initiative für Hochbegabung" ein neuer Nutzer gefunden werden
Wo liegt die Villa genau?
Das Grundstück liegt in der Schmarjestraße 14 im Ortsteil Zehlendorf des Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Anwesen am besten mit den Buslinien 115, 118 und 285 zu erreichen (Haltestelle Scharfestraße). Von der Haltestelle ist es ein etwa vierminütiger Fußweg entlang der Clayallee und Schmarjestraße bis zu dem Haus. Es handelt sich um Privatgelände. Auch interessant: Lost Places: Diese Strafen drohen bei Hausfriedensbruch
Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte der Villa Schmarjestraße:
Ausgangslage: Errichtung der Zehlendorfer Landhausvilla in der Kaiserzeit
Mit dem Bau der ersten Preußischen Eisenbahn Mitte des 19. Jahrhunderts war der Grundstein für die Entwicklung Zehlendorfs als beliebter Berliner Vorort im Südwesten gelegt. Die bis 1920 eigenständige Landgemeinde entwickelte sich rasch zu einem Ausweichdomizil gestresster Hauptstädter. Terraingesellschaften begannen, ganze Bauerngüter aufzukaufen, um sie parzelliert und zum Teil fertig bebaut an zahlungskräftige Kunden aus Berlin zu veräußern.
Große Landhäuser berühmter Architekten, Villen des mittleren und höheren Beamtentums und später Genossenschaftssiedlungen entstanden. In der Schmarjestraße – bis 1939 hieß sie noch Elsestraße – begann die Bebauung Ende der 1900er-Jahre. Die Parzelle der späteren Schmarjestraße 14 ging an das Architekturbüro "Bastian und Kabelitz", das in Zehlendorf während des ersten und zweiten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts eine Reihe von repräsentativen Landhäusern und Villen entwarf. 1912/1913 war die Villa Schmarjestraße bezugsfertig. Sie zeichnete sich durch eine für die Landhausarchitektur charakteristische Vielgliedrigkeit der Baukörper aus und durch ihre aufwendige Fenstergestaltung.
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Villa Schmarjestraße: Nach diesen Plänen wurde das Herrenhaus angelegt
Bei dem Gebäude handelt es sich um eine zweigeschossige Villa mit Jugendstildekor, alten Einbauschränken, halbrunden Erkerzimmern, Zierelementen und Fischgrätenparkett, gründerzeitlicher Wandvertäfelung, Schiebetüren und aufwendig stuckierten Deckenprofilen. Das Gebäude mit teilausgebautem Satteldach ist voll unterkellert und steht auf einem heute rund 1000 Quadratmeter großen Grundstück. Im Untergeschoss befindet sich ein Vorkeller, zwei große Kellerräume und ein kleiner Kellerraum sowie WC, Waschküche und Heizungskeller. Das Erdgeschoss besteht aus drei Zimmern, Wintergarten, Küche, Anrichte, Speisekammer, WC, Diele, Garderobe und Windfang.
Im Obergeschoss finden sich dreieinhalb Zimmer, ein Schrankzimmer, Diele, Flur, Bad, WC und ein Balkon. Gemäß Bauschein aus der Zeit der Errichtung ist das Gebäude als Wohnhaus mit Aufenthaltsräumen im Erdgeschoss und erstem Obergeschoss sowie einer Kammer im Dachgeschoss genehmigt. Die weiteren Räume im Dachgeschoss sind als Bodenraum nicht für den dauerhaften Aufenthalt zugelassen. Die Wohnfläche der Villa beträgt rund 270 Quadratmeter. Im rückwärtigen Teil des Grundstücks befindet sich ein großflächig angelegter Garten.
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Villa Schmarjestraße: Wohnhaus bis in die 1980er-Jahre
Das mondäne Anwesen lockte ein zahlungskräftiges Klientel an: Bei den ersten Mietern des Hauses handelte es sich um Juristen und Bankiers. Nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde der Berliner Kaufmann Otto Behlau Eigentümer des Anwesens und blieb es während der Zeit der Weimarer Republik. Im Krieg nahm die Zehlendorfer Villa keine nennenswerten Schäden und blieb ein beliebtes Wohnhaus in der Nachkriegs- und Wirtschaftswunderzeit – und auch als Berlin im Zuge des Kalten Krieges und mit dem Mauerbau zur geteilten Stadt wurde.
Die letzten Eigentümer der Villa Schmarjestraße 14 waren die Eheleute Elisabeth und Martin Mehnert, die ihre beiden Söhne im Krieg verloren hatten. Sie entschieden sich, die Villa dem Bezirk zu überlassen – mit der Auflage, es nach ihrem Tod für soziale oder kulturelle Zwecke zu nutzen. Am liebsten wäre ihnen ein Seniorenheim für Musiker gewesen.
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Villa Schmarjestraße: Erst Streitobjekt, dann Lost Place
Das testamentarisch gewünschte Altersheim hielt der Bezirk aber baurechtlich für nicht machbar – der Einbau von Fahrstühlen, die Schaffung nötiger Rettungswege, das sei in dem unter Denkmalschutz stehenden Haus nicht möglich. Noch zu Lebzeiten hatte die Witwe Elisabeth Mehnert 1988 einen Mietvertrag für den Betrieb einer Kita abgeschlossen, deren Träger der Verein "Weg der Mitte" war. Ein Jahr später starb sie und der Bezirk erbte das Haus mitsamt der Kindertagesstätte.
In der Folgezeit überwarf sich der Bezirk mit dem Kita-Träger: Grund war ein Streit über das Mietverhältnis und die Höhe der Miete. Zuvor hatte der Bezirk zu einem Dumpingpreis einen Teil des Grundstücks an einen Nachbarn verkauft, Korruptionsvorwürfe kamen auf. 2007 kündigte der Bezirk dem Betreiber, nachdem die Verhandlungen über einen neuen Mietvertrag gescheitert waren. Seitdem die Kita das Haus nach einem langen Rechtsstreit 2012 verlassen musste, stand es leer und verkam zu einer Geistervilla.
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Villa Schmarjestraße: Wasserschaden mindert Wert des Geisterhauses
Mehr als zehn Jahre stand das einst stolze Landhaus an der Schmarjestraße leer, bevor wieder Bewegung in die Sache kam. An der Fassade mehrten sich die Putzschäden und im Inneren legten sich dicke Schichten von Staub auf die aufwendigen Einbauten.
2018 kam es dann zum Gau in dem verlassenen Objekt. Die Heizkörper und kupfernen Heizungsrohre waren geplatzt – eine Havarie, die sich im Zusammenhang mit notwendigen Wartungsarbeiten an der Heizungsanlage ereignet haben soll und deren Behebung mit knapp 90.000 Euro zu Buche schlug. Schließlich wollte der Bezirk das Haus verkaufen, was das Landgericht in einer einstweiligen Verfügung verboten hatte.
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Villa Schmarjestraße: In das Haus kehrt wieder Leben ein
Nach mehreren Interessenbekundungsverfahren konnte 2021 schließlich ein neuer Nutzer für die Villa gefunden werden. Statt Hochbetagten bevölkern Hochbegabte das Geisterhaus. Der Bezirk schloss einen Nutzungsvertrag mit dem Verein "Initiative für Hochbegabung", die Kinder und Jugendliche im Alter zwischen fünf und 19 Jahren fördern. Kurse und Projekte zu Naturwissenschaften, Astrophysik, Programmierung, Biologie und Philosophie werden nun in der ehemaligen Villa der Mehnerts angeboten werden.
Mit der Übernahme begannen auch die Instandsetzungsmaßnahmen an dem neuen Vereinsquartier: Fenster und Türen werden abgeschliffen und gestrichen, Fußböden verlegt, einfache Renovierungsarbeiten an der Fassade durchgeführt und die Innenausstattung erneuert. Dabei setzt der Verein auch auf Eigenarbeit. Auf der Internetseite des Vereins kann man sich über den Stand der Renovierungsarbeiten informieren.
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