Berlin. Berlins berühmte Duty Trains: Vom Bahnhof Lichterfelde West fuhren die Züge der US-Soldaten. Die wichtigsten Infos zu dem Lost Place.

Fast fünf Jahrzehnte rollten hier in speziellen Zügen US-Panzer und Militärgerät aus Westdeutschland quer durch die DDR nach Westberlin. Der US-Militärbahnhof in Lichterfelde West im Bezirk Steglitz-Zehlendorf sicherte den Nachschub und Truppentransport im amerikanischen Sektor und wurde zu einer Institution im Kiez – bis die letzten Soldaten nach der Wiedervereinigung in den 1990er-Jahren aus Berlin abgezogen wurden und der US-Schienenstützpunkt in einen jahrelangen Dornröschenschlaf fiel. Die wichtigsten Infos zu dem Lost Place.

Das sind die Fakten zum US-Militärbahnhof Lichterfelde West im Überblick:

  • Adresse: Curtiusstraße 28–30, 12205 Berlin-Lichterfelde
  • Geschichte: 1947 wurde das "Rail Transportation Office" (RTO) der US-Armee an den Bahnhof Lichterfelde West verlegt; die Amerikaner errichteten entlang der Ladestraße an der Curtiusstraße einen Militärbahnhof mit eigenem Bahnsteig und Nutzgebäuden; nach dem Abzug der Alliierten 1994 wurde der Militärbahnhof stillgelegt und der überwiegende Teil der Infrastruktur 2008 abgerissen
  • Führungen: Nein
  • Denkmalschutz: Nein
  • Status: Lost Place

Wo lag der US-Militärbahnhof genau?

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Der US-Militärbahnhof lag an der Curtiusstraße südlich des heutigen S-Bahnsteigs Lichterfelde West auf dem Areal des Güterbahnhofs im Ortsteil Lichterfelde des Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht man das Gelände am besten vom S-Bahnhof Lichterfelde West (S1) aus und nutzt den Fußgängertunnel zur Hans-Sachs-Straße. Die Google-Koordinaten (Open-Location-Code) für das Objekt lauten C7RR+VG4 Berlin. Auch interessant: Lost Places: Diese Strafen drohen bei Hausfriedensbruch

Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte des US-Militärbahnhofs Lichterfelde West:

Ausgangslage: Einrichtung des Zugverkehrs der Alliierten nach Westberlin

Der Bahnhof Lichterfelde West an der Hans-Sachs-Straße im Jahr 2013.
Der Bahnhof Lichterfelde West an der Hans-Sachs-Straße im Jahr 2013. © picture alliance / imageBROKER | Schoening Berlin | picture alliance / imageBROKER | Schoening Berlin

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs unterhielten die West-Alliierten in Berlin drei eigene Bahnhöfe, die dem Schienentransport, dem Verladen von Ausrüstung und der Beförderung militärischen Personals dienten. Es waren wichtige Verbindungswege in die in Sektoren geteilte Stadt. Das zeigte nicht erst die Blockade 1948/1949, mit der die Sowjetunion versuchte, die Westalliierten zum Abzug aus Berlin zu zwingen. Die britische Armee nutzte in Westberlin ein Areal am Bahnhof Charlottenburg. Der französische Militärbahnhof "Gare Française" lag an der Buddestraße in Tegel.

Das "Rail Transportation Office" (RTO) der US-Armee war in den ersten beiden Besatzungsjahren in Wannsee untergebracht. 1947 wurde es an den Bahnhof Lichterfelde West verlegt und rückte damit näher an die wichtigen militärischen Einrichtungen und Kasernen im amerikanischen Sektor. Von hier aus waren sowohl das US-Hauptquartier an der Clayallee als auch die großen US-Kasernen – die Andrews Barracks an der Finckensteinallee, die McNair-Kaserne an der Goerzallee und die Roosevelt Barracks am Gardeschützenweg – schnell zu erreichen.

US-Militärbahnhof: Der alte Bahnhof wird für die US-Armee umgebaut

"Gruss aus Gross-Lichterfelde", Postkarte um 1898. 1920 wurde die Villenkolonie in das Stadtgebiet von Berlin eingemeindet. © picture-alliance / akg-images | akg-images

Der Bahnhof Lichterfelde West war im Rahmen des Carstenn’schen Villenprojekts 1872 gebaut worden. Er verfügte bei der Eröffnung über zwei Seitenbahnsteige und ein aufwendig gestaltetes Empfangsgebäude im Stil einer toskanischen Villa. Im Jahr 1891 wurde er mit der Eröffnung der neuen Wannseebahn umgebaut, erhielt einen Mittelbahnsteig und eine Kehranlage. Bei den Umbauten wurde auch gleich die Gleisanlagen höher gelegt und der Bahnhof in einen Personen- und einen Güterbahnhof aufgeteilt. 1933 hielten erstmals elektrische S-Bahnen in Lichterfelde West.

Der im Krieg schwer beschädigte Bahnhof konnte in der Nachkriegszeit rasch repariert werden und nahm bereits im Juni 1945 wieder den Betrieb auf. Anderthalb Jahre später kamen die Amerikaner: Die US-Armee bezog einen Teil des Güterbahnhofs und nutzte den Bahnhof ab 1947 als "RTO Berlin-Lichterfelde West" für den Militärverkehr. Die Züge verkehrten abseits der S-Bahnstränge an der Ladestraße des Güterbahnhofs an der Hans-Sachs-Straße, wo eigene US-Bahnhofsgebäude für den Güter- und Personenverkehr, entsprechende Gleisanlagen und ein eigener Bahnsteig eingerichtet wurden.

US-Militärbahnhof: Militärkapellen empfingen die Transportzüge

Der US-amerikanische Politiker James B. Conant wird 1955 mit militärischen Ehren bei seiner Ankunft auf dem Bahnhof Lichterfelde West begrüßt.
Der US-amerikanische Politiker James B. Conant wird 1955 mit militärischen Ehren bei seiner Ankunft auf dem Bahnhof Lichterfelde West begrüßt. © picture alliance / akg-images | akg-images | picture alliance / akg-images | akg-images

Zwischen dem RTO im Berliner Südwesten und Frankfurt am Main sowie Bremerhaven rollten militärisches Gerät und tonnenweise Güter. Panzer, Fahrzeuge und militärische Ausrüstung wurden hier durch die US-Armee be- und entladen – nicht selten unter den Augen eines Spaliers neugieriger Nachbarskinder, die sich auf das Gelände geschlichen hatten oder wenigstens einen Blick durch den Zaun erhaschen konnten. Wichtig war der Schienenstützpunkt aber nicht nur für den Materialtransport.

Neben Gütertransporten der US-Armee zwischen Westdeutschland und Westberlin wurden auf dem RTO täglich vier sogenannte "Duty Trains" für den Truppentransport und Personentransitverkehr abgefertigt. Im Südwesten dürfte sich mancher Berliner noch an die Transportzüge erinnern. Der Bahnsteig war mit amerikanischen Fähnchen geschmückt, und die ankommenden und abfahrenden Züge wurden von lautstarker Militärmusik begrüßt und verabschiedet – nicht immer zur reinen Freude der Anwohner. 1950 hatte die US-Armee extra ein neues RTO-Abfertigungsgebäude für ihr Militärpersonal errichten lassen. Im selben Jahr wurde die "Freiheitsglocke" von Angehörigen der US-Armee am Militärbahnhof Lichterfelde West umgeladen und zum Rathaus Schöneberg transportiert, wo sie im Rathausturm heute noch ertönt.

US-Militärbahnhof: Zugverspätungen an Staatsfeiertagen der DDR

1948 - Ankunft amerikanischer Panzer in Berlin-Lichterfelde West.
1948 - Ankunft amerikanischer Panzer in Berlin-Lichterfelde West. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | Keystone Pictures USA | picture alliance / ZUMAPRESS.com | Keystone Pictures USA

Wie alle Westberliner S-Bahnhöfe wurde auch Lichterfelde West bis 1984 von Mitarbeitern der Deutschen Reichsbahn unter Hoheit der DDR betrieben – natürlich streng abgeschirmt vom militärischen Bereich der US-Armee auf dem Güterbahnhof gegenüber. Über die Gleise hinweg konnten sich die Vertreter der Westmächte und des Ostblocks misstrauisch beäugen. Und es gab noch weitere Verwicklungen.

Der Bahnhof sicherte die Verbindung Berlins zu dem "Rhein-Main Air Base" in Frankfurt sowie dem Stützpunkt der US-Marine in Bremerhaven. Zur Besatzung eines Zuges gehörten ein Zugkommandant, ein Unteroffizier des Transportcorps als Schaffner, ein Dolmetscher, zwei bis drei Militärpolizisten und ein Funker – der während der Fahrt die Verbindung mit dem Hauptquartier in Berlin und der Unterstützungsabteilung in Helmstedt aufrechterhalten musste.

Zur Querung der sowjetischen Besatzungszone wurde die mit rund 175 Kilometer kürzeste Transitverbindung zwischen Berlin und Helmstedt gewählt. Während der Fahrt durch die DDR mussten den Zügen Lokomotiven der deutschen Reichsbahn vorgespannt werden. Doch es gab ein Problem: An Staatsfeiertagen der DDR – dem 1. Mai und dem Tag der Republik am 7. Oktober – wurden traditionell alle Triebfahrzeuge der Reichsbahn mit den Flaggen der DDR und roten Fahnen geschmückt. Das fassten die US-Zugkommandanten regelmäßig als Affront auf. Weigerten sie sich unter DDR-Beflaggung weiterzufahren, musste der Zug auf einem Nebengleis abgestellt werden. Punkt Mitternacht konnte die Fahrt dann ohne Flaggen fortgesetzt werden.

US-Militärbahnhof: Der "Amibahnhof" wird zur Kiez-Attraktion

Soldaten der US-Armee, die ihren Urlaub antreten, verabschieden sich 1952 mit einem Kuss von ihren deutschen Freundinnen vom Bahnhof Lichterfelde West.
Soldaten der US-Armee, die ihren Urlaub antreten, verabschieden sich 1952 mit einem Kuss von ihren deutschen Freundinnen vom Bahnhof Lichterfelde West. © picture alliance / dpa | picture alliance / dpa | dpa

Gelegentlich fielen am Bahnhof Lichterfelde West auch verschiedene Triebwagen auf – insbesondere ein eleganter stromlinienförmiger Dieselzug in den Farben Rot-Weiß: der "General". In diesem komfortabel ausgestatteten Zug reisten vornehmlich ranghohe Offiziere. Im alten Güterboden an den Gleisen wurde Stückgut aus- und umgeladen. Die sensible Fracht wurde häufig in speziellen Waggons transportiert, aus deren Fenstern begleitende Militärpolizisten die Wagendächer des Zuges sowie die Seiten des Zugs auch während der Fahrt überwachen konnten.

Das RTO-Empfangsgebäude und die Bahnsteige wurden durch US-Militärpolizei und deutsches Wachpersonal im Dienst der US-Armee geschützt. Streng abgesichert wurde der Bahnsteig, wenn "Manöverzüge" der Berlin-Brigade abgefertigt und Militärfahrzeuge oder Munition auf- und abgeladen wurden. In den übrigen Zeiten war der Bahnhof öffentlich zugänglich und ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche und Kinder im Kiez, die in der Warte- und Erfrischungslounge amerikanisches Eis und Getränke kaufen konnten.

Der "Amibahnhof" wurde zu einem festen Bestandteil im Kiez: Die Taxifahrer am Haltestand vor dem Bahnhof freuten sich über die Kundschaft, auf den Bahnsteigen spielten sich nicht selten verzweifelte Abschiedsszenen ab, wenn Gis aus der Hauptstadt versetzt wurden und auch die Kneipen der Nachbarschaft hatten sich auf die amerikanische Kundschaft eingestellt. Weniger froh waren die Anlieger des Bahnhofs, wenn das Verladen von Militärgut mal wieder eine Straßensperrung nötig machte.

US-Militärbahnhof: Der amerikanische Bahnhof wird zu einem Lost Place

Fast 50 Jahre lang verkehrten US-Militärzüge am Bahnhof Lichterfelde West und sicherten die Versorgung der US-Armee in Westberlin, bevor die Wiedervereinigung und der Abzug der alliierten Streitkräfte in den 1990er-Jahren den Militärbahnhof überflüssig machten. 1990 stellten die Militärzüge ihren Dienst ein. Als die Berlin Brigade durch US-Präsident Bill Clinton aufgelöst wurde und die letzten Streitkräfte der US-Armee 1994 Berlin verließen, wurde auch der Bahnhof RTO gänzlich aufgegeben.

Der Bahnsteig an der Ladestraße wurde zu einem verlassenen Ort und die Gebäude der US-Armee versanken in einen jahrelangen Dornröschenschlaf, bevor sie fast vollständig einer neuen Bebauung weichen mussten. 2008 wurden die von den Amerikanern errichteten Funktionsbauten abgerissen. An ihrer Stelle entstand ein großer Bio-Markt auf dem Gelände. Erhalten geblieben ist heute nur ein Teilstück des Militärbahnsteigs mit beidseitigem Schienenanschluss samt der historischen Überdachung an der Curtiusstraße südwestlich des S-Bahnhofs Lichterfelde West.

US-Militärbahnhof: Und wie sieht die Zukunft aus?

Eine Bürgerinitiative setzt sich für die Erinnerung an das Wirken der US-Armee in Lichterfelde West ein. 2023 forderte die Bezirksverordnetenversammlung das Bezirksamt in einem Beschluss dazu auf, sich für den Erhalt der verbliebenen Überreste des Rail Transportation Office der US-Armee am S-Bahnhof Lichterfelde West einzusetzen. Der Bahnsteig samt Dach sollen für den Winter gegen Frost gesichert werden, um eine spätere Unterschutzstellung durch die Denkmalschutzbehörde zu ermöglichen. Mit dem Antrag ist ein erster Schritt gemacht, die Konstruktion an der Curtiusstraße unter Denkmalschutz zu stellen und am Standort einen Erinnerungsort an den früheren Militärbahnhof einzurichten.

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