Berlin. Das Sommerbad in Lichterfelde war besonders bei Familien mit Kindern beliebt. 2022 wurde es zum Geisterbad. Die wichtigsten Infos.

Wer in Steglitz-Zehlendorf aufgewachsen ist, kann etwas vom Sommerbad am Hindenburgdamm erzählen. Im liebevoll Spucki genannten Bad traf man sich, sobald es warm war. Dort gab es die besten Pommes, Spaß auf der Liegewiese und so manchen ersten Kuss. Doch während die Berliner Bäderbetriebe im Sommer 2023 in die Saison starteten, blieben die Pforten des Spucki geschlossen – und die Becken und Saunalandschaft am Hindenburgdamm zu einer von Besuchern verwaisten Geisterlandschaft. Wird das Bad das Schicksal des Neuköllner Blubs teilen, zu einem Lost Place werden und zu einer Trümmerlandschaft verfallen?

Die Fakten zum Sommerbad Lichterfelde im Überblick:

  • Adresse: Sommerbad Lichterfelde, Hindenburgdamm 9–10, 12203 Berlin-Lichterfelde
  • Geschichte: 1908 als Frei- und Familienbad eröffnet, nach Beseitigung von Kriegsschäden 1954 wiedereröffnet; in den 1960er-Jahren modernisiert und Ende der 1990er-Jahre durch die Berliner Bäderbetriebe kernsaniert; ab 2012 von privaten Pächtern geführt; nach der Saison 2022 wegen Mängel stillgelegt
  • Führungen: Keine
  • Denkmalschutz: Nein
  • Status: Aktueller Lost Place. Das Bad soll nach Sanierung wiedereröffnet werden

Wo liegt das Sommerbad Lichterfelde genau?

Blick auf die Außenanlagen des Sommerbades Lichterfelde, genannt
Blick auf die Außenanlagen des Sommerbades Lichterfelde, genannt "Spucki". © Michael Kahle

Das Bad liegt am Hindenburgdamm 9–10 im Ortsteil Lichterfelde des Bezirks Steglitz-Zehlendorf. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Spucki am besten mit den Buslinien 285 und M85 (Haltestelle Bäkestraße) zu erreichen. Von der Haltestelle ist es ein etwa dreiminütiger Fußweg entlang des Hindenburgdamms bis zu dem Grundstück am Teltowkanal. Auch interessant: Lost Places: Diese Strafen drohen bei Hausfriedensbruch

Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte des Sommerbades Lichterfelde:

Ausgangslage: Aufblühende Freibadbewegung im Südwesten

"Jedem Deutschen wöchentlich ein Bad", lautete das Credo und Lebensziel des Berliner Arztes Oskar Lassar (1849 –1907). Von dem Ziel des erschwinglichen, wöchentlichen Bads für jedermann waren die meisten deutschen Großstädte zur Jahrhundertwende aber noch meilenweit entfernt. So wunderte es nicht, dass es Schwärme von luft- und sonnenhungrigen Großstädtern Anfang des 20. Jahrhunderts im von der natürlichen Seen- und Flusslandschaft besonders begünstigten Südwesten zog.

Zunächst offiziell verboten, weitete sich die Freibadbewegung rasant aus. 1907 wurde das Strandbad Wannsee als Familienbad eröffnet. In Teltow befand sich die Königliche Badeanstalt und zwei weitere Badeanstalten. Nach dem Bau der Kadettenanstalt in Lichterfelde erreichten die Kadetten den See nach anderthalb Kilometer Fußmarsch, um dort das Schwimmen, das Schlittschuhlaufen und den Umgang mit Arbeitskähnen zu lernen. Beim Bau des Teltowkanals 1900 bis 1906 wurde der Kanal mitten durch den See gelegt und das Umfeld trockengelegt. Eine neue Bademöglichkeit musste für das damals noch vor den Toren der Stadt gelegenen Lichterfelde her.

Sommerbad Lichterfelde: Errichtung in der Kaiserzeit

Bau des Teltow-Kanals am Bauabschnitt der bereits fertiggestellten Siemensbrücke, um 1905
Bau des Teltow-Kanals am Bauabschnitt der bereits fertiggestellten Siemensbrücke, um 1905 © picture-alliance / akg-images | akg-images | picture-alliance / akg-images | akg-images

Im Jahr 1903 fasste der Dorfvorsteher von Lichterfelde den Entschluss, an einer Ausbuchtung des Teltowkanals ein Freibad mit Badestrand zu errichten: Es war die Geburtsstunde des Spucki. 1908 eröffnete die Gemeinde das neue "Frei- und Familienbad am neuen Teltow-Canal" zuerst als reines Flussbad am Kanal. 1910 wurde es der Gemeinde "Groß Lichterfelde" als Badeanstalt übergeben.

Sommerbad Lichterfelde: So war das Bad aufgebaut

Bis 1918 wurde das Bad nach Plänen des Gemeindebaurates Richard Tietzen (1858–1935) als Bade- und Schwimmanstalt für Frauen und Herren erweitert. Zwei Betonbecken wurden gebaut und mit gefiltertem Teltow-Kanalwasser gespeist. Das Schwimmbecken im Männerbereich war 27,85 Meter lang und 23 Meter breit, der Schwimmbereich des Damenbades 30 Meter lang und 16 Meter breit. Um die Becken herum gab es 195 nach Geschlechtern getrennte Umkleidekabinen sowie Dusch- und Nebenräume.

Das hauseigene Restaurant und der Kaffeegarten boten Platz für 500 Gäste. Das Spucki erfreute sich in der Kaiserzeit und der Weimarer Republik großer Beliebtheit und wurde vor allem von den Familien und Anwohnern der Nachbarschaft in Lichterfelde frequentiert. 1920 wurde die Gemeinde mit dem Groß-Berlin-Gesetz in das Stadtgebiet eingemeindet.

Sommerbad Lichterfelde: Im Krieg schwer in Mitleidenschaft gezogen

Das Sommerbad Lichterfelde wurde während der letzte Kriegsjahre 1944/1945 schwer beschädigt und musste aufgrund der Baufälligkeit den Badebetrieb einstellen. Nachdem die Bombenschäden in der Nachkriegszeit repariert wurden, konnte das Spucki 1954 wieder seine Tore für Badegäste öffnen. Die Beliebtheit des kleinen Bades war in der Wirtschaftswunderzeit und den 1960er- und 1970er-Jahren im Kiez ungebrochen. Die Gäste strömten herbei und bevölkerten die Bassins und Liegewiesen des Spucki.

Sommerbad Lichterfelde: Tropische Regenschauer in den 1990er-Jahren

Nach wechselnden Betreibern und einigen Umbauten wurde das Bad 1996 durch die Berliner Bäderbetriebe übernommen – und als erstes geschlossen. Denn auch wenn das Bad 1962 modernisiert worden war, hatte es ein grundlegendes Problem: Auf dem morastigen Untergrund fehlte den Strukturen die nötige Stabilität, die Betonbecken sackten ab und brachen. Das vorzeitige Aus für das Bad konnte nach mehrjährigen grundlegende Sanierungsarbeiten abgewendet werden, indem 185 Pfeiler in den Boden versenkt wurden, um die neuen Edelstahlbecken des Bades abzustützen.

Im Zuge der Renovierung wurden die Wasserflächen verkleinert und ein Wellnessbereich wurde eingerichtet, der den Gästen mehrere Saunen, ein Dampfbad, einen Duschtempel mit tropischem Regenschauer, Fitnessräume und Massagebereiche sowie verschiedene Ruhezonen bot. Ein Bistro, ein Wintergarten und ein beheiztes Außenbecken mit Unterwasser-Massageliegen ergänzten das Angebot. Für die kleinen Badegäste standen ein Nichtschwimmerbecken und ein Spielplatz zur Verfügung.

Sommerbad Lichterfelde: Verpachtung wegen hoher Betriebskosten

Seit 2012 hatten die Bäderbetriebe das Sommerbad in Lichterfelde nicht mehr selbst betrieben, sondern durch private Pächter führen lassen. Der Grund waren die hohen Betriebskosten. Im Gegensatz zu den landeseigenen Bäderbetrieben, so hieß es damals, könnte ein Privatmann flexiblere Angebote machen, zum Beispiel in der Gastronomie, um den Betrieb rentabel zu gestalten. Die Nutzer des Bades fürchteten eine massive Erhöhung der Eintrittspreise. Die aber blieben zum Teil unter den neuen Preisen der Bäderbetriebe.

Der neue Pächter richtete eine Gastronomie im Saunabereich ein. Das Außengelände wurde wie ein Park mit Hecken und Rosenbüschen angelegt. Die Zukunft des Bades schien gerettet – bis ein Wasserschaden und die Corona-Pandemie die Pläne ins Wanken brachten. 2019 kam es in den Duschen zu einem Rohrbruch. Auf den Sanierungskosten blieb der Pächter hängen, der zudem während der pandemiebedingten Schließzeiten 90 Prozent Umsatzeinbruch verschmerzen musste. 2022 wurde der Pachtvertrag beendet und das Bad ging wieder in den Bestand des BBB.

Sommerbad Lichterfelde: Spucki wird zum Lost Place

Während die Berliner Bäderbetriebe im Sommer 2022 mit ihren Sommerbädern nach und nach in die Saison starteten, blieben das Kassenhäuschen und die Becken im Spucki leer.

"Der Standort Hindenburgdamm mit Sommerbad und Saunaanlage wurde nach fristgerechter Beendigung des Pachtvertrages an die Berliner Bäderbetriebe zurückgegeben", erklärte eine Sprecherin der Bäderbetriebe. Der gesamte Standort, auch das Sommerbad, sei jedoch technisch in einem so desolaten Zustand, dass es nicht sicher betrieben werden könne.

Sommerbad Lichterfelde: Wie sehen die Zukunftspläne aus?

Während die anderen Badebetriebe in der nächsten Saison voraussichtlich wieder überfüllt sein werden, bleibt das Spucki geschlossen (Symbolbild).
Während die anderen Badebetriebe in der nächsten Saison voraussichtlich wieder überfüllt sein werden, bleibt das Spucki geschlossen (Symbolbild). © dpa | hristoph Soeder

Nach Auskunft der Bäderbetriebe ist derzeit eine Standortanalyse zur Weiterentwicklung der gesamten Liegenschaft in Auswertung und Abstimmung. Allein eine Instandsetzung des Sommerbades würde einen größeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Außerdem fehle für eine Instandsetzung die Finanzierung. Noch unklar ist, wie lange das Spucki geschlossen bleiben muss.

Ereilt das beliebte Bad ein ähnlich trauriges Schicksal wie das Neuköllner Blub, das Stadtbad Steglitz und Lichtenberg oder die Schwimmhalle Pankow? Für die Anwohner und ehemaligen Gäste ein großes Ärgernis: Sie haben bei change.org eine Petition gestartet, in der sie den Erhalt des Sommerbades fordern. "Unser Bezirk braucht dieses Schwimmbad", heißt es in der Petition: "Seit Jahren wurde dieses Schwimmbad genutzt und jetzt verfällt es immer mehr. Daher wäre eine sofortiger Sanierung wichtig, bevor noch mehr Schäden entstehen."

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