Frankfurt am Main. Die EZB hat heute über den Leitzins entschieden. Experten gehen mittelfristig aber von sinkenden Zinsen aus – wegen zwei Gründen?

  • Mehrmals pro Jahr trifft sich die Europäische Zentralbank (EZB) zu Sitzungen
  • Heute hat die nächste leitzinsrelevante Sitzung stattgefunden – der Leitzins steht
  • Experten kommen zu einheitlichen Prognosen

Der Leitzins im Euroraum bleibt unverändert bei 4,5 Prozent. Das entschied der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag, wie die Notenbank mitteilte. Zuvor wurde viel darüber spekuliert. Wegen der gesunkenen Inflation und der zugleich schwächelnden Wirtschaft gehen Experten mittelfristig von einem sinkenden Leitzins aus. Die nächste zinsrelevante EZB-Sitzung ist am 6. Juni.

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Ob sich die Konditionen für das Fest- und Tagesgeld jetzt tendenziell wieder verbessern werden? Zuletzt hatten vor allem Sparerinnen und Sparer die Auswirkungen des Leitzins zu spüren bekommen. Für ein mehrjähriges Festgeld gibt es nicht mehr so hohe Zinsen wie noch Ende 2023. Und auch die Zinsen für das Tagesgeld haben sich eingependelt und erhöhen sich derzeit kaum noch.

Ökonomen und Brancheninsider wie Carsten Mumm von der Privatbank Donner und Reuschel sehen den sinkenden Leitzins aber auf die Verbraucher zukommen. „Das wurde von Seiten der Notenbank, von EZB-Präsidentin Christine Lagarde und auch von ihren Kolleginnen und Kollegen schon relativ deutlich angekündigt oder zumindest in Aussicht gestellt“, erklärte Mumm im Gespräch mit tagesschau.de.

Tagesgeld, Festgeld, Immobilienzinse: Finanzexperte sieht EZB unter Druck

Über die Gründe hatte sich jüngst Verivox-Geschäftsführer Oliver Maier geäußert. „Die deutlich gesunkene Inflation von zuletzt nur noch 2,5 Prozent erhöht den Druck auf die Währungshüter, ihre Geldpolitik wieder zu lockern.“ Auch er rechnet im Sommer mit der ersten Zinssenkung. „Mittelfristig gehen wir deshalb auch beim Tagesgeld eher von sinkenden als von steigenden Zinsen aus.“ Beim Festgeld ist der Trend zu weniger Zinsen schon jetzt erkennbar.

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Vor EZB-Sitzung: Um diese Zinsen geht es

Das wichtigste Interesse der EZB ist die Preisstabilität. Alle sechs Wochen wird darüber beraten, was zu tun ist, um die Inflation auf dem Niveau von zwei Prozent zu halten oder dahin zurückzubringen. Hauptinstrument ist der sogenannte Leitzins. Davon setzt die Notenbank EZB gleich drei fest:

  1. Den für Sparer wichtigen Einlagenzins
  2. Den Hauptrefinanzierungssatz, zu dem Geschäftsbanken sich Geld bei der EZB leihen können
  3. Den Spitzenrefinanzierungssatz zur kurzfristigen Beschaffung von Geld

Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine waren die Energie- und Lebensmittelpreise Anfang 2022 deutlich in die Höhe geschossen, die Inflation für das gesamte Jahr war auf 6,9 Prozent angestiegen. Die EZB reagierte erst ab Juni 2022 mit zehn Leitzinserhöhungen in Folge, um indirekt Einfluss auf die Preise zu nehmen.

Wann ist der nächste Zinsentscheid der EZB? Die nächsten Termine

Termine der leitzinsrelevanten EZB-Sitzung:

  • 11.04.2024
  • 06.06.2024
  • 18.07.2024
  • 12.09.2024
  • 17.10.2024
  • 12.12.2024

An diesen Sitzungstagen muss der Leitzins nicht jedes Mal geändert werden. Jüngst hatte die EZB etwa die Zinsen belassen.

Was die Zinsen für das Fest- und Tagesgeld bedeuten

„Denn in der Theorie streichen Unternehmen Investitionsvorhaben, wenn Kredite teurer werden. Haushalte reduzieren den Konsum und sparen mehr“, erklärt die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Angebot und Nachfrage sollen sich in der Folge verändern und zu niedrigeren Preisen führen.

Steigt der Leitzins – allen voran der sogenannte Einlagenzins – bekommen die Geschäftsbanken Zinsen für das Geld, das sie bei der EZB parken. Derzeit sind das vier Prozent. In der Theorie wird davon ausgegangen, dass die Banken diese Zinsen an ihre Kunden weitergeben, sodass sie einen Anreiz zum Sparen haben.

Wie Leitzinsen das Sparen beeinflussen

Die EZB hat zwei Optionen: 1. Den Leitzins erhöhen – dadurch steigen im Allgemeinen auch die Zinsen für das Tages- und Festgeld, aber auch für Kredite. Denn die Kosten für die Banken, wenn sie sich Geld bei der Zentralbank leihen, steigen. Umgekehrt gibt es für die Banken Gewinne, wenn sie Geld einlagern.

2. Den Leitzins senken: Dadurch werden Kredite günstiger, die Zinsen für das Fest- und Tagesgeld sinken aber ebenso. Die Banken können günstiger Geld von der Zentralbank leihen. Sie zahlen aber umgekehrt auch einen höheren Einlagenzins, wenn sie das Geld bei der EZB parken.

Zins autonome Anlageformen wie ETFs oder Kryptowährung werden von der Leitzinsentwicklung wenig bis nicht beeinflusst. Diese Anlagen sind dafür aber auch weniger regulierbar und mit höheren Verlustrisiken verbunden.

Wenige Banken geben EZB-Zinsen an Sparer weiter

Manche Banken und Finanzdienstleister tun das auch. Die Zinskampagne von Trade Republic ist ein Beispiel dafür. Fast vier Prozent Zinsen gibt es für ein Tagesgeldkonto bei der comdirect (3,75 %). Ein Großteil der Banken liegt aber deutlich unter der Vier-Prozent-Marke – vor allem die Sparkasse und die Volksbanken geben bisher kaum rentable Sparzinsen. Speziell für Sparkassen-Kunden gibt es aber Hintertüren für mehr Zinsen.

Laut Verivox gibt mehr als ein Fünftel (21 Prozent) der 758 Finanzinstitute sogar gar keine oder maximal 0,25 Prozent Zinsen für ein Tagesgeld. Deutlich ist die Tendenz auch mit Blick aufs Festgeld. Eine Auswertung des Finanzberaters FMH von Anfang April zeigt, dass die Zinsen für das Festgeld schon seit Ende des vergangenen Jahres nach unten gehen. Im Moment gibt es für ein Festgeld mit fünf Jahren Laufzeit rund 2,5 Prozent.

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Was die EZB-Zinspolitik für Kredite und Bauzinsen bedeutet

Die Zinspolitik der EZB ist auch für Kredite relevant. Anfang 2024 waren die Bauzinsen in Anbetracht der abschwächenden Inflation wieder gesunken und bewegten sich in der Folge „seitwärts“, wie der Darlehensvermittler Dr. Klein am Mittwoch mitteilte. Auch der Index von FMH bestätigt diesen Trend und wies am Dienstag einen Mittelwert von 3,49 Prozent für eine 10-jährige Laufzeit aus. Der Bestzins lag Anfang April bei Dr. Klein den Angaben nach knapp unter drei Prozent, bei FMH leicht darüber.

Die Nachfrage nach Baufinanzierungen habe schon seit dem Zinsrückgang Ende 2023 „spürbar zugenommen“, erklärte der Dr.-Klein-Vorstandsvorsitzende Michael Neumann. Vielen Interessenten sei bewusst, dass die zu erwartenden Zinsschritte seitens der EZB in die aktuellen Bauzinsen einberechnet sind und diese daher nicht weiter fallen werden, wenn die Notenbanker den Leitzins wirklich senken. (mit dpa-Material von mb/pe)