Berlin. Frank Guhn hat einen Hof voller Polizeiautos, einen Laden voller Uniformen und Berliner Polizisten arbeiten für ihn neben dem Job.

Der Smart-Zweisitzer mit silberblauer Polizei-Lackierung steht gegenüber vom Arbeitsamt in Borsigwalde. Statt des Wortes „Polizei“ ist dort auf der blauen Fläche zwischen den gestrichelten Balken „Leon“ zu lesen. Und man fragt sich, was der Fahrer dieses Autos wohl für einen Traumjob hat.

Ein Zettel am Scheibenwischer und einen Rückruf später ist Tom Noffke am Telefon. Er ist wenig überrascht vom Interesse. „Wenn man damit durch die Gegend fährt, wird man oft angelacht“, sagt er. Besonders Kinder wären neugierig. Das Auto ist sein Dienstwagen. Tom Noffke arbeitet beim Leon Actionteam, dem wohl größten Fundus für Polizeirequisiten Deutschlands. Er ist dort im Prinzip für alles zuständig, aber Spezialist für Uniformen. Er kann lange über Farben, Abzeichen und Jahrgänge erzählen. „Zuschauer merken schnell, wenn jemand eine andere Uniform trägt als ihre Polizisten vor Ort.“

Von Bibi & Tina bis Bourne Verschwörung – überall war Leon beteiligt

Doch Leon bietet nicht nur Uniformen, Waffen, Polizei- und Spezialfahrzeuge, sie haben auch filmerfahrenes Personal. Sie beraten und koordinieren Action, betreuen am Set. Fährt ein deutscher Polizeiwagen durchs TV- oder Film-Bild, ist er oft von Ihnen. Von „Wapo Elbe“ über „Jerks“ „Tatort“ „Bibi und Tina“ bis „Black Box“ und „Bourne Verschwörung“. Insgesamt hat das Leon Actionteam weit über 2500 Filmprojekte mit Uniformen, Waffen und Fahrzeugen sowie anderen polizeitechnischen Requisiten ausgestattet.

Seit knapp 30 Jahren gibt es die Firma. Der SEK-Beamte Bernd Weickert hat sie gegründet, nach dessen Tode hat sie Frank Guhn übernommen. Er hatte sich zuvor auf Krankenhaus-Ausstattung spezialisiert. Zu Boomzeiten von Arztserien betrieb er ein ganzes Krankenhaus als Set. Bei internationalen Produktionen wie „Der Ghostwriter“ von Roman Polanski war er als Set-Sanitäter im Einsatz und verpasste manch hysterischem Schauspieler eine Ladung Sauerstoff. „Brachte nichts, habe ich auch vorher gesagt, aber wenn er das will“, sagt Guhn mit entspannter Kunde-ist-König-Mentalität.

Bei Musikvideos sind sie extrem vorsichtig mit dem Verleih von Uniformen

„Leon war der Deckname von Bernd Weickert beim SEK“, erklärt Guhn die Namenswahl. Dass er zudem noch an den Film „Leon der Profi“ erinnert, ist irgendwie auch nicht verkehrt – Profis sind sie. Nur ist jener Leon, gespielt von Jean Reno, eben ein Killer. Also die andere Seite. Ihr Herz schlägt hingegen für die Ordnungshüter. „Durch die Arbeit und den Kontakt mit den Beamten bekommt man schon ein besseres Bild von Polizisten“, gesteht Guhn. Das B-Wort würde er zum Beispiel nie in den Mund nehmen. Er denkt es nicht einmal. Auch achten sie darauf, dass Polizisten nicht degradiert werden beim Dreh. Gerade bei Musikvideos sei das wichtig. „Ein Rapper wollte, dass ein Polizist vor ihm kniet und er wollte ihm die Pistole an den Kopf halten – das geht natürlich gar nicht“, sagt Guhn.

Uniformen aus sämtlichen Bundesländern und Jahrzehnten hat Leon auf Lager.
Uniformen aus sämtlichen Bundesländern und Jahrzehnten hat Leon auf Lager. © FUNKE Foto Services | Maurizio Gambarini

Seit 2019 residieren sie in einem ehemaligen Supermarkt in der Ernststraße in Borsigwalde. Frank Guhn war die Nähe zur Autobahn wichtig. „Die Produktionsfahrer sind schnell hier, wenn was eilig gebraucht wird.“ Außerdem sind die Waffen gut verwahrt im ehemaligen Kühlraum – dabei sind sie alle nur Attrappen. Auf seinem Hof parkt auch ein Schlauchboot auf einem Anhänger und vier Polizeimotorräder. Mehr als 50 Fahrzeuge, mehr als 500 Waffen und 2000 Uniformen von Polizei, Justiz, Zoll und Medizin haben sie wie in der Kleiderabteilung eines Kaufhauses hängen. Auch ein Wagen mit polnischem „Policja“-Aufschrift steht dort. Der sei oft bei den grenzüberschreitenden Einsätzen zwischen Deutschland und Polen im Einsatz.

Aber darf sich jeder so ein Polizeiauto gestalten? „Die Polizeilackierung ist nicht verboten, aber wir wollen ja die Polizei auch nicht ärgern“, sagt Guhn. Insofern kleben sie das ab oder hängen Magnetschilder darüber. „Früher konnte man beim Dreh einfach Polizei draufkleben, aber heute mit 4K-Kameras geht das nicht mehr.“

Zwölfjährige Schauspielerin mit starken Star-Allüren

Aber auch abseits vom Requisiten-Job schlagen ihre Herzen für Film. Tom Noffke erzählt wie er bei einem Dreh als Komparse in Rücken-Szenen Sylvester Groth als Goebbels bei „Inglourious Basterds“ vertreten hat und wie wild es bei Quentin Tarantino abends am Set zuging. Er kennt auch die Marotten von Jungstars, wie der damals Zwölfjährigen, die sich weigerte, aus dem Wohnwagen zu steigen, falls ihr nicht jemand den Regenschirm trägt. Das ist aber reiner Spaß, kein wirklicher Nebenjob. Im Prinzip läuft das Geschäft stabil, auch nach der Einstellung von Action-Dauerbrenner „Alarm für Cobra 11“. „In diesem Jahr hat die Filmförderung weniger Geld zur Verfügung, das merken wir derzeit schon“, sagt Guhn.

Geschäftsführer Frank Guhn inmitten seines Fundus an Polizeiklamotten.
Geschäftsführer Frank Guhn inmitten seines Fundus an Polizeiklamotten. © FUNKE Foto Services | Maurizio Gambarini

Frank Guhn kauft die Autos immer, wenn sich eine Gelegenheit ergibt. Oft werden die Fahrzeuge von Herstellern als Demonstrationsfahrzeug ausgestattet, um die Polizei für einen Großauftrag zu begeistern, manchmal kann Guhn diese übernehmen. Er hat übrigens auch Polizei-Räder im Angebot. Die stehen allerdings ganz hinten der Ecke an der Wand. „Die werden nicht so oft nachgefragt.“ Wie er die Polizei-Sachen beschafft, sei „Geschäftsgeheimnis“. „Aber wir kaufen alles ordnungsgemäß mit Rechnung“, versichert er.

Und sie liefern echte Polizisten gleich mit. 85 Beamte haben sie in ihrer Kartei, die dann vor der Kamera realistische Festnahmen durchführen. Die Berliner Beamten beantragen ganz offiziell einen Nebenerwerb und nehmen sich dann frei, „Überstunden haben die Berliner Polizisten alle mehr als genug“. Wichtig ist ihm die Trennung zwischen Job und Dreh. „Dienstgeheimnisse bleiben Dienstgeheimnisse“, betont er. Immer wieder gebe es mal kritische Anfragen aus der Verwaltung. Aber die Polizisten drehen nicht einmal in ihrer eigenen Uniform, sie tragen immer Leihuniformen.

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