Berlin. Die Reform der Kulturstaatsministerin sieht steuerliche Erleichterungen vor. Die Filmproduzenten jubeln. Die Kinobetreiber nicht.

Stolze vier Oscars waren es, die Regisseur Edward Berger mit seiner Remarque-Verfilmung „Im Westen nichts Neues“ im Frühjahr 2023 abräumte. Ein überragender Erfolg für die 20-Millionen-Dollar-Produktion, der gleichwohl für Stirnrunzeln in der Branche und unter Kulturpolitikern sorgte. Denn für den international gefeierten Netflix-Film gab es keinen Cent aus deutschen Fördertöpfen. Das Geld kam aus Tschechien, wo der Film auch gedreht wurde. Es könne nicht sein, zitierte Berger seinerzeit in Interviews Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) , dass Deutschland 600 Millionen Euro in die Filmförderung stecke und dieser Film dann nicht hier gemacht werde: „Und ich finde, sie hat recht. Die Filmförderung muss reformiert werden.“

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Die Klage ist nicht neu, aber sie hat in der jüngsten Zeit an Dringlichkeit gewonnen. Deutschlands Film- und Fernsehproduzenten rechnen allein in diesem Jahr mit einem Auftragsrückgang von rund zehn Prozent. Erst am Montag hatte Björn Böhning, Hauptgeschäftsführer der „Allianz Deutscher Produzenten – Film und Fernsehen“ die Kürzung der Filmförderung im Bundeshaushalt um rund 15 Millionen Euro bei gleichzeitigem Anstieg der Produktionskosten um 18 Prozent kritisiert.

Filmförderung: Jeder investierte Euro zahlt sich sechsfach aus

Viel politischer Handlungsdruck also, dem die Kulturstaatsministerin nun mit umfassenden Reformplänen begegnen will. Sie stellte sie am Dienstag vor, passend zum Start der 74. Berlinale am Donnerstag. Zu ihnen gehört ein Steuermodell, das den Produktionsstandort Deutschland für Filmschaffende wieder attraktiver werden soll. Demnach sollen bis zu 30 Prozent der Produktionskosten steuerlich abgesetzt werden können – dergleichen, so Roth, werde bereits in Italien und Spanien praktiziert, mit sehr positiven Erfahrungen. Roths Amtschef Andreas Görgen wies darauf hin, dass sich jeder in Filmproduktionen investierte Euro für eine Volkswirtschaft sich durch Umsätze mit dem Faktor sechs wieder auszahle.

Hinzu kommt – als zweite Säule der Reform – die Einführung einer Investitionsverpflichtung. Von den Einnahmen, die in Deutschland erzielt werden, müssen künftig mindestens 20 Prozent wieder in hiesige Produktionen investiert werden – eine Regel, die auch mit Blick auf den enormen digitalen Wandel der Vergangenheit formuliert wurde. „Herangezogen“, heißt es zur Erläuterung, „sollen insbesondere ausländische Streamer, die auf den deutschen Zuschauermarkt abzielen, hier aber nicht immer angemessen in Inhalte investieren. Viele deutsche Anbieter erfüllen die Quoten der Investitionsverpflichtung ohnehin, daher ist für diese häufig keine faktische Auswirkung zu erwarten. In zahlreichen anderen Staaten bestehen ähnliche Verpflichtungen bereits.“

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Drittens schließlich sollen bürokratische Hürden gesenkt werden. Die Filmförderungsanstalt soll als zentrale Einrichtung für die Filmförderungsinstrumente des Bundes agieren, „inklusive der kulturellen Filmförderung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und der allgemeinen jurybasierten Filmföderung“. Für alle drei Säulen der Reform habe man konkrete Diskussionsentwürfe vorgelegt, die nun in der Bundesregierung und mit den Ländern diskutiert würden. Amtschef Görgen zeigte sich zuversichtlich, im föderalen Miteinander eine Lösung zu finden. Wenn das gelingt, kann die Reform Anfang 2025 in Kraft treten. Begeisterung gibt es schon jetzt: „Das ist der Booster, den die deutsche Film- und Fernsehwirtschaft braucht“, sagte Björn Böhning von der Produzenten-Allianz in einer ersten Reaktion.

Doch was ist mit den Spielstätten, den Kinos? Christian Bräuer, Vorstand der AG Kino-Gilde, vermisst in dem Entwurf Ideen zur Förderuing der Kinolandschaft. Zwar komme der Reformentwurf zum richtigen Zeitpunkt, doch sei er „in dieser Form für die Kinos völlig unzureichend“, so Bräuer. Er fordert für die Lichtspieltheater eine planbare Investitionsförderung, die durch Steueranreize „oder durch die Fortführung und Ausbau des Zukunftsprogramms Kino“ zustande kommen könnte. Hinzu kämen eine verlässliche Programmförderung und verbindliche Auswertungsfenster. mit epd