Berlin. Wieso eine Niederlage Raed Salehs bei der SPD-Wahl Berlins Regierenden Bürgermeister Kai Wegner direkt betreffen würde.

Womöglich war es ziemlich effizient, wie das kleine Grüppchen Finanzexperten in einigen Nachtsitzungen 1,2 Milliarden Euro aufgetrieben hat. Diese Summe, so wurde Anfang der Woche verkündet, könne man aus dem Haushalt 2024 streichen, ohne dass es in der Stadt jemand merken würde. Wirklich demokratisch im Sinne einer breiten Diskussion und einem Abwägen anderer Optionen war diese Aktion aber keineswegs.

Wenn es so klar ist, dass der Haushaltsgesetzgeber in Gestalt der Koalitionsfraktionen von CDU und SPD in zahlreichen Politikfeldern zu viel Geld eingeplant und zu üppige Reserven angelegt hat: Warum konnte man das nicht schon in den Haushaltsberatungen korrigieren, anstatt einen Etat zu beschließen, der offensichtlich das Prinzip der Haushaltswahrheit und -klarheit verletzt?

Die Spar-Bschlüsse von Schwarz-Rot wurden in engstem Kreis beschlossen

Jetzt, nachdem die mächtigen Politiker, der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU), Dirk Stettner, CDU-Fraktionschef und Raed Saleh, SPD-Landes- und Fraktionsvorsitzender, zu dem Plan ihrer Finanzexperten ihr Plazet gegeben haben, dürfte es kaum möglich sein, die Beschlüsse in Frage zu stellen.

Überprüfbar ist das Versprechen, die Kürzungen würden niemandem weh tun, in der nun gewählten Form kaum. Einwände der Opposition können nirgendwo wirklich diskutiert werden. Letztlich hat ein kleine Männergruppe im Hinterzimmer mal eben über Milliardensummen entschieden.

Nicht mal die Fachsenatoren wussten, was in ihrem Budget gestrichen wurde

Dass Wegner am Montag mitsamt seiner Senatssprecherin in Salehs Abgeordnetenhaus-Büro kam, um im Gespräch mit Journalisten die Ergebnisse der Spar-Gespräche zu verkünden, belegt, wie die politischen Ebenen unter Schwarz-Rot munter durcheinander gehen. Das Parlament hatte es eigentlich an den Senat delegiert, die verhängten Spar-Vorgaben, die berühmten pauschalen Minderausgaben, umzusetzen. Das war den Ressorts aber zu schwierig. Also nahmen sich die Fraktionschefs und ihre Finanzexperten mit dem Segen von ganz oben der Aufgabe an. Nicht mal die Fachsenatoren wussten Bescheid.

Dass ein solches Politikmodell der unangefochtenen Partei- und Regierungschefs wie Kai Wegner zupass kommt, ist offenkundig. Christdemokraten sind von jeher geneigt, ihren starken Personen weitgehend freie Hand zu lassen, solange sie erfolgreich agieren, für gute Wahlergebnisse sorgen und möglichst viele Posten und Mandate sichern.

Das geräuschlose Regieren funktioniert nur, weil niemand etwas weiß

Wegner kann sich brüsten, wie geräuschlos seine Koalition arbeitet. Kein Wunder: Wenn wie im Falle der jüngsten Finanz-Entscheidungen nicht einmal Senatoren und Staatssekretäre, geschweige denn Abgeordnete oder Landesvorstandsmitglieder in eine Entscheidungsfindung eingebunden werden, kann auch niemand öffentlich darüber meckern. Nach außen herrscht Frieden.

So ein Politikmodell wäre mit Grünen und Linken nicht umsetzbar. In beiden ehemaligen Regierungsparteien erwarten auch die Leute aus der zweiten Reihe, nicht vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. In der SPD ist das eigentlich auch so. Nicht umsonst lautet eine der wichtigsten Verheißungen der Herausforderer-Duos gegen Raed Saleh im Rennen um den Landesvorsitz, die Partei müsse stärker in politische Entscheidungen in Senat und Abgeordnetenhaus eingebunden werden.

Sollte Saleh nicht mehr SPD-Chef werden, käme Wegner sein Partner abhanden

Deswegen wird Wegner sehr genau beobachten, welches Ergebnis der SPD-Mitgliederbefragung am Sonnabend verkündet wird und Saleh die Daumen drücken. Sollten er und seine junge Ko-Bewerberin Luise Lehmann gar im ersten oder auch im zweiten Wahlgang verlieren, käme Wegner sein wichtigster politischer Partner abhanden. Die beiden Spandauer, langjährige Rivalen in der bezirklichen Politik, hatten sich zusammengerauft. Beim gemeinsamen Shisha-Rauchen hatten sie die schwarz-rote Koalition eingetütet. Im gleichen Format stellten sie jetzt die Weichen für die schwarz-rote Finanzpolitik der näheren Zukunft.

Das geschah auf Augenhöhe, weil beide ihren Hut der Landesvorsitzenden ihrer Parteien aufsetzten. Sollten künftig zwei andere Personen an der Spitze der SPD stehen, müsste Wegner diese frühzeitig einbeziehen. Dann könnte es ein Ende haben mit dem konfliktfreien Regieren im engsten Kreis.