Berlin. In langen Nächten blickten Politiker in den Maschinenraum des Haushalts und drückten die echten Sparauflagen deutlich nach unten.

In langen Nächten beugten sich ausgewählte Finanzexperten der Koalition über Haushaltspläne und Excel-Tabellen, über Personaltableaus und Stellenpläne. Man habe „tief in den Maschinenraum des Haushaltes geblickt“, sagte CDU-Fraktionschef Dirk Stettner. Dabei fanden sie fast 1,2 Milliarden Euro.

Dem kleinen Team aus den Fraktionschefs Stettner und Raed Saleh (SPD) gemeinsam mit ihren beiden parlamentarischen Geschäftsführern Heiko Melzer (CDU) und Torsten Schneider (SPD) war es mit Finanzsenator Stefan Evers und dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (beide CDU) gelungen, die unerhört hohen Sparauflagen aus dem im Dezember beschlossenen Haushaltsgesetz auf ein für die Ressorts machbars Maß zu drücken.

1,2 Milliarden werden weggestrichen – und es soll niemandem wehtun

Ihre „pauschalen Minderausgaben“ (PMA) sanken wie berichtet von fast sechs Prozent der Budgets oder 1,75 Milliarden auf zwei Prozent oder 557 Millionen Euro. Damit ist das Ziel erreichbar, die Sparauflagen umzusetzen, ohne den befürchteten „sozialen Kahlschlag“ etwa unter den freien Trägern der Stadt anzurichten, hieß es bei einem Pressegespräch am Montag.

Angeblich wird es niemandem in der Stadt weh tun, 1,2 Milliarden Euro aus dem fast 40 Milliarden umfassenden Etat für das laufende Jahr zu streichen. In regulären Haushaltsberatungen, da waren sich die Teilnehmer einig, wäre ein solch tiefer Einblick kaum möglich gewesen. Zudem hätten Ressort-Interessen der Fachpolitiker ein solches Vorgehen womöglich verhindert. Die Politiker waren am Montag bemüht zu erklären, dass es sich nicht um „Magie“ handele, mit der sie mehr als eine Milliarde Euro Kürzungen „weggezaubert“ hätten.

Auch bei der Wohnungsbauförderung und beim Schulbau wird Geld eingesammelt

Größter Einzelposten, der die Koalitionsspardose füllt, sind 350 Millionen Euro für das Sondervermögen Wohnraumförderfonds. Was angesichts der Wohnungsnot dramatisch klingt, bringt laut Schneider keine realen Einbußen. Der Fonds bei der Landes-Förderbank IBB sei mit 455 Millionen Euro gefüllt. Auch wenn dieses Jahr alle Förderanträge genehmigt würden, blieben noch 82 Millionen Euro übrig. Die Zuführung von 350 Millionen aus dem Haushalt sei 2024 deswegen nicht nötig. Die Grünen sehen das allerdings anders und befürchten, der Senat habe sich nun vom Ziel verabschiedet, für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen.

Auch aus der Schulbauoffensive wandern 147 Millionen in den Topf. Aber auch deswegen werde kein Schulplatz weniger entstehen, versicherten die Koalitionäre. Die entsprechenden Projekte seien bereits aus anderen Finanztöpfen bezahlt und sogar schon entstanden. Insgesamt bleibe es bei bis zu 13 Milliarden Euro für Schul-Neubauten und Sanierungen.

Auch im öffentlichen Nahverkehr und bei den Zinsausgaben gibt es Spielraum

Der öffentliche Nahverkehr, insgesamt ein großer Schwerpunkt der früheren und auch der jetzigen Regierung, ist mit 130 Millionen Euro dabei. Auch das sei machbar, ohne die gewünschte Verdichtung der Takte oder die Beschaffung neuer Fahrzeuge kurzfristig zu gefährden.

Dass die Zinsen nun offenbar doch nicht so hoch steigen wie befürchtet eröffnet weitere Spielräume. Auch die Vorsorge für die Folgekosten des Zensus, der in diesem Jahr startet und nach früheren Erfahrungen die Bevölkerungszahl Berlins wohl nach unten korrigiert, war großzügig. Und so lassen sich aus diesem Bereich weitere 227 Millionen für die PMA-Auflösung einsammeln. Weitere 86 Millionen Euro Einsparungen kommen zustande, indem Investitionsausgaben aus dem Sondervermögen SIWA ersetzt werden durch schuldenbremsenkonforme Transaktionskredite an die begünstigten Landesunternehmen.

Geld für nicht besetzte Stellen wird zum Teil eingesammelt

Auch die Steuerungsreserve des Finanzsenators, mit dem Stefan Evers auf Erhöhungen in diesem Sektor reagieren kann, halten die Haushaltsexperten für zu üppig und sammeln dort 110 Millionen Euro ein.

Komplizierter ist der Umgang mit den bereits genehmigten Personalausgaben der einzelnen Ressorts. Ursprünglich hatten die Fraktionschefs angekündigt, dass die Senatorinnen und Senatoren nicht länger das auch für unbesetzte Stellen bereitgestellte Geld zur Erfüllung ihrer Sparvorgaben nutzen dürfen. Diese Vorgabe hätte vor allem Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) mit ihren Zigtausenden von Lehrkräften und Polizeibeamten vor Probleme gestellt.

Für 2025 lässt sich die Sammelaktion so nicht wiederholen, da muss gekürzt werden

Nun gibt es eine Kompromisslösung. Beide dürfen einen Teil der in ihren Häusern verbleibenden Minderausgaben aus nicht genutzten Personalmitteln bestreiten. Sind Stellen aber länger als zwölf Monate unbesetzt, wird das Geld dafür zentral einkassiert. So setzen die Haushaltspolitiker auf weitere 100 Millionen Euro. Und schließlich werden 35 Millionen Euro aus der Wirtschaftsförderung und Soforthilfen für Corona-Folgen und Energiekosten eingesammelt.

Die Koalitionäre taten aber in schwarz-roter Einigkeit kund, dass sich dieses Verfahren für das kommende Jahr 2025 nicht wiederholen lasse und forderten an Ausgabendisziplin, denn die Löcher werden größer. CDU-Fraktionschef Stettner machte klar, dass mit dieser Aktion der Druck für die Folgejahre nachgelassen habe. „Was wir 2024 im Maschinenraum gefunden haben, gilt nicht für 2025“, so der Christdemokrat. Schneider sagte, es sei ratsam, die für 2024 noch umzusetzenden Kürzungen in den einzelnen Ressorts über 557 Millionen Euro auch auf das Folgejahr 2025 zu übertragen. „Wir brauchen aber noch 1,3 Milliarden mehr.“ Ganz ohne spürbare Einschnitte wird es also keinesfalls gehen, wenn die Koalition ihr Ziel erreichen möchte, 2028 einen Haushalt ohne strukturelles Defizit vorzulegen.