Berlin. Seit 2004 steht die Eventgastronomie „Madi – Zelt der Sinne“ auf dem Bernhard-Lichtenberg-Platz – mit Genehmigung des Bezirksamts.

Die wenigsten Menschen nehmen den Bernhard-Lichtenberg-Platz an der Ecke Seidel-/Bernauer Straße wohl als geschützte Grünanlage wahr. Denn der Großteil der knapp 4000 Quadratmeter großen Fläche wird von der Zeltstadt bedeckt.

Das „Madi-Zelt der Sinne“ steht seit 2004 auf dem Areal in Berlin-Tegel. Die Event-Gastronomie bietet Artistik und Essen. Die aktuelle Show „Sultans“ wird vollmundig angekündigt: „Begeben Sie sich mit uns auf eine Zeitreise in die Welt der alten orientalischen Königshäuser, wo vor mehr als 1001 Nächten Langeweile mit artistischen Darbietungen und Kunst bekämpft wurde.“

Ein Stein mit Plakette erinnert an den Namensgeber der geschützten Grünanlage.
Ein Stein mit Plakette erinnert an den Namensgeber der geschützten Grünanlage. © Dirk Krampitz | Dirk Krampitz

Es seien „orignal marokkanische Königszelte“, die dort in Tegel stehen. Drinnen gebe es „unterhaltsames Entertainment“, „unvergessliche Artistik“, „brillante orientalische Tänze“, „orientalisches 3-Gänge-Menü“, „Kaffee aus dem Sandbad“. Vor dem Zelt gibt es Zigarettenschachtel auf Tannennadelbett oder Pappkarton auf Rasen sowie Hundekot.

Dieses Missverhältnis hat einige Anwohner aufgebracht und sie haben den SPD-Abgeordneten Sven Meyer in die Spur geschickt. Meyer hat eine Schriftliche Anfrage beim Abgeordnetenhaus gestellt, wie es denn sein könne, dass die Anlage in so schlechtem Zustand sei und wieso dort überhaupt das Zelt dauerhaft stehe.

Die Grünanlage ist zum Teil in verwahrlostem Zustand

„Die Grünanlage „Bernhard-Lichtenberg-Platz“ ist „allen Widerstandskämpfern gegen die Nationalsozialistische Gewaltherrschaft“ gewidmet. Allerdings wird ein großer Bereich der Grünanlage durch die Eventlocation „Madi – Zelt der Sinne“ genutzt, die übrigen Bereiche sind zum Teil in einem sehr verwahrlosten Zustand. Die Vermüllung des Platzes hat zugenommen“, entrüstet sich Meyer. „Gerade hinsichtlich der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklung ist der Zustand der Grünanlage besonders bedauerlich.“

Der SPD-Abgeordnete Sven Meyer hat nachgefragt, warum der Bernhard-Lichtenberg-Platz so vernachlässigt wird.
Der SPD-Abgeordnete Sven Meyer hat nachgefragt, warum der Bernhard-Lichtenberg-Platz so vernachlässigt wird. © Sven Meyer | Sven Meyer

Die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt antwortet unter Zuhilfenahme der Zuarbeit des Bezirksamts Reinickendorf: „Durch das Grünflächenamt wird die Grünanlage regelmäßig bestreift und gegebenenfalls von Müllablagerungen befreit. Dem Umwelt- und Naturschutzamt des Bezirksamtes Reinickendorf sind keine Erkenntnisse respektive Tatbestände im Sinne der Frage bekannt beziehungsweise liegen vor.“

Eine angehängte Tabelle zeigt, dass es in 2024 bisher nur eine Beschwerde gegeben hat. Auch in den Jahren zuvor gab es nur wenig Klagen. Einzig 2020 gab es elf Beschwerden wegen Müll. Für die Pflege und Instandhaltung der Flächen, die durch die Eventlocation genutzt werden, sei diese auch zuständig, heißt es weiter.

Meyer sieht im Namen des Platzes auch eine besondere Verantwortung

Wie es hinter den Zäunen aussieht, lässt sich von außen nicht sagen. Aber davor ist es jedenfalls dreckig: Müll liegt herum, die Tannennadeln wurden schon seit Monaten nicht mehr beseitigt, sie bilden mittlerweile einen dichten Belag auf den gepflasterten Wegen. Für Meyer ist das nicht hinnehmbar. „Gerade in unserer heutigen gesellschaftlichen Situation haben Orte, die nach Persönlichkeiten wie Bernhard Lichtenberg benannt sind, doch auch eine besondere Symbolik.“

Der 1875 in Ohlau (Niederschlesien) geborene Lichtenberg trat als Berliner Dompropst während der nationalsozialistischen Diktatur öffentlich für Verfolgte ein. Nach einer Denunziation wurde er von der Gestapo verhaftet, saß unter anderem in der JVA Tegel ein, die unmittelbar neben dem Platz liegt. Auf einem Transport ins Konzentrationslager Dachau wurde der schwer kranke Priester zwar noch ins Krankenhaus gebracht, verstarb dort aber. Von der römisch-katholischen Kirche wird er als Märtyrer und Seliger verehrt, die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem zählt ihn zu den „Gerechten unter den Völkern“.

Auf der Wiese liegt viel Müll herum.
Auf der Wiese liegt viel Müll herum. © Dirk Krampitz | Dirk Krampitz

Doch nicht nur die Sauberkeit irritiert Meyer, auch dass die kommerzielle Zeltstadt seit nun 20 Jahren in einer geschützten Grünanlage steht. „Die berechtigte Nutzung besteht aufgrund eines gültigen Mietvertrages zwischen dem Bezirksamt Reinickendorf von Berlin mit der Madi – Zelt GmbH“, heißt es recht lapidar in der Antwort.

Sven Meyer glaubt, es werden „Gesetze gedehnt“

„Wie kann eine Vermietung über einen so langen Zeitraum und offenbar ohne Begrenzung sein?“, fragt Meyer. „Es ist eine geschützte Grünanlage, es kann nicht sein, dass dort von einem Berliner Bezirk Gesetze gedehnt werden.“ Es gehe ihm nicht darum „das Madi plattzumachen“, beteuert der SPD-Politiker mehrfach. „Dort hängen ja auch Arbeitsplätze daran. Aber es geht darum, eine rechtssichere Situation zu schaffen.“

Meyer hatte auch nach möglichen Alternativstandorten gefragt. „Aufgrund eines gültigen Vertrages zwischen der Serviceeinheit Facility Management des Bezirksamtes Reinickendorf und dem Betreiber Eventlocation „Madi – Zelt der Sinne“, besteht derzeit keine Veranlassung einen Alternativstandort für das „Madi“ zu prüfen“, heißt es in der Antwort.

Meyer fand die Antwort sehr unbefriedigend. „Ich bin in gewisser Weise fassungslos“, sagt er. Und hat noch einmal Fragen nachgeschoben. Fortsetzung folgt.

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