Berlin. Pflegerin setzte wegen Fehler im Dienstplan Notruf ab. Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung.

Der Pflegeheim-Betreiber „Domicil“ reagiert mit einer unabhängigen Untersuchung durch eine externe Anwaltskanzlei auf die erhobenen Vorwürfe gegen eine seiner Seniorenresidenzen in Berlin-Lichtenberg und die in diesem Zusammenhang geführten Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. Man wolle außerdem vollumfänglich mit den Behörden kooperieren, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens vom Montag.

Vor eine Woche waren Polizei und Feuerwehr ausgerückt, weil in besagtem Alten- und Pflegeheim in Friedrichsfelde das nötige Pflegepersonal für die Nacht fehlte. Als eine Pflegerin in dem Heim am Montagabend ihre Schicht beenden wollte, stellte sie fest, dass die folgende Nachtschicht personell nicht ausreichend besetzt war. Gefehlt hat nach Angaben der Polizei eine examinierte Pflegekraft mit einer Qualifikation für die Verabreichung bestimmter Medikamente. In dem Plan für die Nachtschicht standen demnach wohl nur zwei Pflegeassistenten. In der Nacht sollten 170 alte Menschen mit allen Pflegestufen versorgt werden.

Neue Heimleitung in Lichtenberg eingesetzt

Nach einem anonymen Hinweis wird nun ein Todesfall an dem Tag des Vorfalls untersucht. Das Verfahren wird laut Staatsanwaltschaft gegen Unbekannt geführt. Eine 65-Jährige starb in der Nacht, in der der Notruf abgesetzt werden musste. „Die bisher nicht bestätigten Vorwürfe angeblichen individuellen Fehlverhaltens widersprechen unseren Werten und unserem professionellen Anspruch im Umgang mit den uns anvertrauten Menschen“, sagt ein Sprecher der „Domicil“-Gruppe. „Wir nehmen jeden einzelnen Hinweis sehr ernst und gehen ihm nach, mit dem Ziel, alle Vorwürfe aufzuklären.“

Man bedauere zutiefst, dass am Abend des 15. April durch eine Verkettung in Rede stehender individueller Fehler eine Pflegekraft der Einrichtung den Notruf auslösen musste. „Wir tun alles dafür, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt“, so der Sprecher. Man habe mit sofortiger Wirkung eine sehr erfahrene neue Heimleitung und Pflegedienstleitung eingesetzt. Bis zur abschließenden Klärung gelte aber in jeder Hinsicht die Unschuldsvermutung.

Gewerkschaft Verdi fordert Verbesserungen für Pflegepersonal

Derweil hat die Gewerkschaft Verdi aufgrund des Vorfalls grundlegende Verbesserungen für Pflegepersonal gefordert. „Der Berliner Senat, die Pflegekassen und die Leistungserbringer müssen jetzt gemeinsam Vereinbarungen treffen, wie Personalstandards auf Landesebene festgelegt und wirksam kontrolliert werden“, forderte die stellvertretende Landesfachbereichsleiterin für Pflege in Berlin und Brandenburg, Gisela Neunhöffer.

Neunhöffer nannte das Geschehen „unerträglich“. Allgemein seien Dienstpläne oft so gestaltet, dass schon eine einzige Krankmeldung eine Krisensituation auslösen könne, es fehlten Springer- und Ausfallkonzepte. „Wenn jetzt nicht politisch gehandelt wird, ist es nur eine Frage der Zeit, bis das nächste Mal Notarzt und Feuerwehr ausrücken müssen, weil in einem Pflegeheim das Personal fehlt“, sagte Neunhöffer laut Mitteilung. mit dpa