Berlin. Nach dem Brand in Lichterfelde ist die Giftwolke inzwischen weitgehend abgezogen. Doch die Feuerwehr steht vor neuen Problemen.

  • In Berlin-Lichterfelde ist am Freitag ein Großbrand ausgebrochen
  • Betroffen ist eine Fabrik der Diehl-Gruppe
  • Anwohner wurden gebeten, Fenster und Türen zu schließen

Der eigentlich geruchlose Rauch liegt schwer über der Straße Am Stichkanal. Auch wer außerhalb der Absperrungen steht und ihn zu lang einatmet, bekommt unweigerlich Kopfschmerzen, einem wird übel. Der Großbrand in einer Metalltechnikfirma in Lichterfelde (Steglitz-Zehlendorf) fordert seit Freitagvormittag die Berliner Feuerwehr. Die rückte am Vormittag gegen 10.30 Uhr mit 100 Kräften an, am Nachmittag waren es mehr doppelt so viele.

Immerhin: Laut Feuerwehr zeigte die Brandbekämpfung Wirkung. „Umliegende Gebäude wurden geschützt. Schadstoffe konnten nur in unmittelbarer Nähe zum Brandort nachgewiesen werden und die Rauchentwicklung ist rückläufig. Der Warnbereich wurde verringert“, schrieb die Feuerwehr am Abend auf X.

Kontaminiertes Löschwasser muss aufgefangen werden

Doch inzwischen stehen die Einsatzkräfte vor neuen Herausforderungen. „Wir haben den Umweltschutz in den Vordergrund gestellt, Löschmaßnahmen erfolgen im Moment nur noch punktuell“, sagte Feuerwehrsprecher Adrian Wentzel. Das Problem: Das Löschwasser ist kontaminiert und muss deshalb daran gehindert werden, in die nahe gelegene Kleingartenanlage oder den Teltowkanal zu fließen. „Wir versuchen, das kontaminierte Löschwasser mit Sandsäcken in Zusammenarbeit mit dem Technischen Hilfswerk zu stoppen. Außerdem haben wir eine Spezialfirma hier, die das Löschwasser aufnimmt und in Spezialbehälter pumpt“, sagte Wentzel.

Über die Nachtstunden soll die hohe Zahl der Einsatzkräfte reduziert werden, die Arbeiten werden aber voraussichtlich noch mehrere Tage andauern. Im Gebäude gibt es dem Sprecher zufolge noch einige Glutnester, die Feuerwehr komme aber nicht in die Tiefe, weil das Haus teilweise eingestürzt ist. „Das wird sich noch eine ganze Weile ziehen“, sagte Wentzel. Zumindest die Rauchentwicklung hat aber deutlich abgenommen. In Lichterfelde sollen Menschen dennoch derzeit noch ihre Fenster geschlossen halten.

Am Freitagabend (Stand: 19.30 Uhr) hatten die Behörden den Warnbereich nach dem Großbrand in Berlin-Lichterfelde bereits deutlich verkleinert.
Am Freitagabend (Stand: 19.30 Uhr) hatten die Behörden den Warnbereich nach dem Großbrand in Berlin-Lichterfelde bereits deutlich verkleinert. © Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe | Screenshot

Zunächst brannte ein Technikraum im 1. Obergeschoss des Fabrikgebäudes auf einer Fläche von 2000 Quadratmetern. Dort waren Kupferzyanid und Schwefelsäure gelagert, die sich entzündeten. „Dabei hat sich auch Blausäure gebildet“, sagte ein Feuerwehrsprecher. Mittlerweile stehe das ganze Gebäude auf vier Etagen in Flammen. Teile der Halle stürzten ein. Die Feuerwehr hatte auch Drohnen im Einsatz, um die Lage aus der Luft zu überblicken.

Lesen Sie hier: Gefährliche Giftwolke über Berlin: Wie Anwohner richtig reagieren

Großbrand in Berlin-Lichterfelde: „Sah aus wie ein Vulkanausbruch“

„Der Brand sah zeitweise aus, wie ein Vulkanausbruch“, sagte Ilker Gözcku, Inhaber einer nahe gelegenen Autowerkstatt. Die Firma Diehl Metal Applications (DMA), in deren Gebäude das Feuer entstand, sei vielen in der Gegend ein Dorn im Auge, weil sie in einem Wasserschutzgebiet liegt. Ein Radfahrer erzählte, dass in der Fabrik bereits vor etwa eineinhalb Jahren schon einmal ein Fass mit Chemikalien umgekippt sei.

Blausäure, die sich nun bei dem Brand gebildet hat, ist zum einen sehr leicht entzündlich. Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) warnt allerdings auch vor „akuten oder chronischen Gesundheitsgefahren“. Bereits ein bis zwei Milligramm Blausäure pro Kilogramm Körpergewicht können tödlich sein

Eine dunkle Rauchwolke zieht über Wohnhäuser.
Eine dunkle Rauchwolke zieht über Wohnhäuser. © Anett Seidler | Anett Seidler

„Wir können nur von außen löschen, weil man nicht mehr hereinkommt“, sagte der Feuerwehrsprecher. Unterstützung hat die Berliner Feuerwehr von der Flughafenfeuerwehr aus Schönefeld bekommen. „Die verfügt über sogenannte Flugfeldlöschfahrzeuge, mit denen man aus größerer Entfernung löschen kann.“

Brand in Berlin-Lichterfelde: Feuerwehr nennt Lage „unübersichtlich“

Vor Ort sind außerdem Kräfte des Technischen Hilfswerks (THW) sowie weitere Hilfs- und Spezialkräfte. Man geht davon aus, dass sich die Löscharbeiten bis in die Nacht hinziehen werden. „Wir haben das Feuer noch lange nicht unter Kontrolle, es bleibt weiterhin unübersichtlich“, so der Feuerwehrsprecher weiter. Es gehe auch darum, die umliegenden Gebäude zu schützen.

Die Goerzallee in Höhe der Straße Am Stichkanal ist in beiden Richtungen gesperrt, anliegende Geschäfte geschlossen. Alle Personen hätten den Ort selbstständig verlassen können. Eine anliegende Laubenkolonie wurde geräumt, was bei dem einen oder anderen aufgrund des schönen Wetters für Enttäuschung sorgte.

Giftige Rauchwolke: Feuerwehr warnt Bürger

Feuerwehrleute auf einer Drehleiter versuchen, das Feuer zu bekämpfen.
Feuerwehrleute auf einer Drehleiter versuchen, das Feuer zu bekämpfen. © imago/Marius Schwarz | IMAGO/Marius Schwarz
Dunkler Rauch kommt aus dem Gebäude. Teile der Halle stürzten ein.
Dunkler Rauch kommt aus dem Gebäude. Teile der Halle stürzten ein. © imago/Marius Schwarz | IMAGO/Marius Schwarz
Es brennt in einem Gebäude der Firma „Diehl Metal Applications“.
Es brennt in einem Gebäude der Firma „Diehl Metal Applications“. © imago/Marius Schwarz | IMAGO/Marius Schwarz
Die Berliner Feuerwehr bekommt auch Unterstützung von der Feuerwehr aus Schönefeld.
Die Berliner Feuerwehr bekommt auch Unterstützung von der Feuerwehr aus Schönefeld. © imago/Marius Schwarz | IMAGO/Marius Schwarz
Rund um den Brandort gibt es Sperrungen.
Rund um den Brandort gibt es Sperrungen. © DPA Images | Christoph Soeder
Der Feuerwehreinsatz soll noch den ganzen Tag andauern.
Der Feuerwehreinsatz soll noch den ganzen Tag andauern. © DPA Images | Christoph Soeder
Flammen und dichter Qualm schlagen bei einem Brand in Berlin-Lichterfelde aus einem Gebäude.
Flammen und dichter Qualm schlagen bei einem Brand in Berlin-Lichterfelde aus einem Gebäude. © DPA Images | Christoph Soeder
Eine Drohne der Berliner Feuerwehr ist im Einsatz.
Eine Drohne der Berliner Feuerwehr ist im Einsatz. © DPA Images | Christoph Soeder
Eine dunkle Rauchwolke steigt in den Himmel.
Eine dunkle Rauchwolke steigt in den Himmel. © DPA Images | Christoph Soeder
Über Warnapps wird vor der giftigen Rauchwolke gewarnt.
Über Warnapps wird vor der giftigen Rauchwolke gewarnt. © DPA Images | Christoph Soeder
Laut Feuerwehrangaben zieht die Rauchwolke nach Norden ab.
Laut Feuerwehrangaben zieht die Rauchwolke nach Norden ab. © DPA Images | Christoph Soeder
Rund 170 Feuerwehrleute sind vor Ort.
Rund 170 Feuerwehrleute sind vor Ort. © DPA Images | Christoph Soeder
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Giftige Rauchgase in Berlin: Diese Gebiete sind betroffen

Über Warnapps wird offiziell vor giftigen Rauchgasen aufgrund des Brandes gewarnt. Laut einer entsprechenden Warnmeldung besteht „extreme Gefahr“. Zudem hat die Polizei ein Bürgertelefon eingerichtet mit der Nummer: 030/46644664. Es wird empfohlen, das betroffene Gebiet zu meiden und zu umfahren, Fenster und Türen geschlossen zu halten sowie Lüftungen und Klimaanlagen abzuschalten.

Betroffen waren der gesamte Westen der Stadt von Teltow im Süden bis Hennigsdorf im Norden, ganz Spandau, Grunewald, Westend, Tegel, westliches Charlottenburg und natürlich Steglitz-Zehlendorf. Nach kurzer Zeit wurde das Gebiet noch einmal deutlich nach Westen ausgedehnt. Inzwischen jedoch ist der Gefahrenbereich auf die unmittelbar nagrenzenden Gebiete Lichterfelde, Zehlendorf und Dahlem beschränkt worden.

In Charlottenburg-Wilmersdorf blieben aufgrund des Brandes am Freitag alle bezirklichen Sportanlagen geschlossen. Das galt auch für Hallen aufgrund der Belüftungssysteme und Klimaanlagen, wie die Sportförderung des Bezirks mitteilte.

„Giftstoffe gibt es allerdings nur in unmittelbarer Nähe, also im abgesperrten Gefahrenbereich“, sagte der Feuerwehrsprecher. Für die Bevölkerung bestehe keine Gefahr. Auch Verletzte gebe es nicht. Nur ein Feuerwehrmann hätte einen Schwächeanfall erlitten, hieß es. Die Feuerwehr prüft auch kontinuierlich den ph-Wert des abfließenden Löschwassers, da die Fabrik unweit des Teltowkanals in einem Wasserschutzgebiet liegt.

Feuer in Berlin: Schwesterfirma lieferte Raketen-Abwehrsysteme in die Ukraine

Bei in Brand geratenen dem Gebäude handelt es sich um den Hauptsitz der Diehl Metal Applications (DMA). Man sei führend in der Metallverarbeitung und innovativen Technologien, heißt es auf der Internetseite des Unternehmens. DMA ist Teil der Diehl-Gruppe mit Sitz in Nürnberg. Die Schwesterfirma ist Diehl Defence – ein Rüstungskonzern mit mehreren Standorten in Deutschland sowie im Ausland.

Das Unternehmen lieferte mit Zustimmung des Deutschen Bundestags drei Raketen-Flugabwehrsysteme des Modells „IRIS-T“ an die Ukraine. Es gilt als eines der modernsten Abwehrsysteme der Welt. Dennoch gelang es der russischen Armee vor etwa zwei Wochen, eines der Systeme zu zerstören.

Ob es einen Zusammenhang zu dem Feuer gibt, ist unklar. Einem Sprecher der Berliner Polizei zufolge liegen derzeit keine Erkenntnisse für einen Brandanschlag vor. Dennoch äußerten einige vor Ort wilde Verschwörungstheorien. Ein Mann, der seinen Namen nicht sagen will, ging fest davon aus, dass dort Waffen für die Ukraine brennen.