Berlin. Die Kriminalität in Berlin nimmt zu. Immer häufiger geht es laut Statistik gegen Einsatzkräfte der Polizei und der Feuerwehr.

Erhöhte Mobilität nach Corona, wirtschaftliche Belastung breiter Bevölkerungsschichten und ein dynamisches Migrationsgeschehen. Diese drei Punkte nannte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Mittwoch als Gründe für den Anstieg von Taten und Tätern in Berlin.

Wie die Polizeiliche Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2023 zeigt, wuchs die Zahl der von der Polizei registrierten Straftaten im Vergleich zum Vorjahr um 3,2 Prozent auf 536.697 an. Es wurden insgesamt 140.620 Verdächtige ermittelt und damit 4050 mehr als noch 2022. Die Aufklärungsquote lag dementsprechend bei 45,5 Prozent (2022: 44,9 Prozent). Die wichtigsten Punkte des Berichts im Überblick.

Kriminalität in Berlin: Innensenatorin spricht von „Verrohung“

Insgesamt 70.000 Rohheitsdelikte wurden 2023 gezählt, was einem Anteil von 13 Prozent an allen Straftaten entspricht. Unter den Begriff fallen etwa Körperverletzungen und Raub. Rund 48.200 Körperverletzungen wurden im vergangenen Jahr erfasst. Das sind 3829 Fälle mehr als im Vorjahr und die höchste Zahl in den vergangenen zehn Jahren. 33.319 Fälle waren vorsätzliche einfache Körperverletzungen (2746 mehr), 12160 waren gefährliche und schwere Körperverletzungen (776 Fälle mehr).

Erkennbar sei hier eine „Verrohung“, sagte Innensenatorin Spranger. Außerdem kam es zu 5389 Fällen von Raub, was einer Zunahme um 7,4 Prozent entspricht. „Etwa 50 Prozent der hier aktiv Beteiligten waren unter 21 Jahre alt“, sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik. „Genauso hoch ist der Anteil dieser Altersgruppe aber auch an den Opfern.“ Bei vielen Raubüberfällen handle es sich demnach um Auseinandersetzungen von Heranwachsenden.

Diebstahl: Berlin bleibt im Fokus krimineller Banden

Die meisten der 2023 registrierten Taten waren Diebstähle – rund 213. 000, was einem Anteil von knapp 40 Prozent entspricht Diebstähle von Kraftwagen haben dabei mit 7781 Fällen den Höchstwert der letzten zehn Jahre erreicht. Das bedeutet eine Steigerung um rund 2200 Fälle und eine Zunahme um 39,4 Prozent. Nach den eher geringen Fallzahlen in 2022 ist zudem ein deutlicher Anstieg an Kellereinbrüchen zu verzeichnen.

16.813 Kellereinbrüche bedeuteten ein Mehr von 5558 Fällen (+49,4 Prozent). Davon betrafen 2750 der Kellereinbrüche den Diebstahl von Fahrrädern (+34,9 Prozent). Auch die Wohnungseinbrüche sind um 2168 Fälle auf 8323 Fälle gestiegen. „Berlin bleibt aufgrund seiner Lage nahe der polnischen Grenze, seiner Infrastruktur und Besiedlung in starkem Ausmaß der Aktionsraum professioneller, auch grenzüberschreitend agierender Tätergruppierungen“, sagte Polizeipräsidentin Slowik dazu.

Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung: „Wir kriegen euch alle“

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sieht den Kampf gegen häusliche Gewalt und die sexuelle Ausbeutung von Kindern als zentrale Aufgaben der Sicherheitsbehörden in Berlin.
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sieht den Kampf gegen häusliche Gewalt und die sexuelle Ausbeutung von Kindern als zentrale Aufgaben der Sicherheitsbehörden in Berlin. © dpa | Hannes P Albert

Die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind im vergangenen Jahr erneut um 338 Fälle auf 7282 Fälle gestiegen. So wurden 2023 etwa 213 mehr Vergewaltigungen, 65 mehr sexuelle Belästigungen und 52 mehr Verbreitungen von Kinderpornografie registriert. Der seit Jahren zu beobachtende kontinuierliche Anstieg in dieser Kategorie hat aber auch mit der größeren Sensibilität für strafbares Handeln allgemein und daraus resultierend auch auf die Bereitschaft zur Anzeige zu tun. „Wir finden euch alle“, sagte Spranger am Mittwoch, vor allem an die Täter im Internet gerichtet.

Häusliche Gewalt: Das Problem nimmt zu

In Berlin sind im vergangenen Jahr 18.784 Menschen Opfer von Delikten mit Gewaltcharakter in Partnerschaft und Familie geworden – im Vergleich zu 2022 eine Zunahme von 8,8 Prozentpunkten. Dabei handelt es sich um den Höchstwert der vergangenen zehn Jahre. Rund 70 Prozent der Opfer waren weiblich, rund drei Viertel der Täter hingegen männlich. Unter anderem eine App gegen häusliche Gewalt soll nun helfen, dem Missstand Herr zu werden.

Messerattacken: Fünf Prozent mehr Vorfälle

2023 wurde in insgesamt 3482 Fällen ein Messer als Tatwaffe benutzt, was 165 Fälle mehr als im Vorjahr waren und einem Anstieg von fünf Prozent entspricht. Grundsätzlich sind Messer leicht zugänglich und jederzeit auch verdeckt mitführbar, so Innensenatorin Spranger. Im Bereich der Kinder- und Jugendkriminalität seien zudem gruppendynamische Prozesse ein nicht unerheblicher Faktor beim Mitführen eines Messers. Jeder Dritte Beteiligte an einer Messerattacke war unter 21 Jahre alt.

Gewalt gegen Sicherheitskräfte: Besorgniserregender Trend

Polizeipräsidentin Barbara Slowik verteilte die zunehmende Gewalt gegen Rettungs- und Sicherheitskräfte in Berlin.
Polizeipräsidentin Barbara Slowik verteilte die zunehmende Gewalt gegen Rettungs- und Sicherheitskräfte in Berlin. © dpa | Hannes P Albert

Die Gewalt gegen Einsatzkräfte der Polizei Berlin, der Berliner Feuerwehr und sonstiger Rettungsdienste hat im vergangenen Jahr erneut zugenommen. Insgesamt 9603 Dienstkräfte der Polizei Berlin wurden im Einsatz angegriffen – eine Zunahme von 10,1 Prozentpunkten. Bei Feuerwehr- und sonstigen Rettungsdiensten stieg die Zahl der im Einsatz angegriffenen Dienstkräfte um 22,5 Prozent von 69 auf 376. „Diese Zahl ist erschreckend und ich möchte an alle appellieren, dass niemand vergisst, wer sich hinter der Uniform befindet – ein Mensch!“, kommentierte Stephan Weh, Vorsitzender der Berliner Polizeigewerkschaft GdP. In Zukunft sollen Bodycams dabei helfen, die Angriffe zu senken.

Wer sind die Täter, wer die Opfer?

Die Anzahl der registrierten Opfer erhöhte sich 2023 um 11.124 Personen auf 106.671 Personen, was einem Anstieg um 11,6 Prozent entspricht. 62,9 Prozent waren männlich, 37,1 Prozent weiblich. Bei den Tatverdächtigen wiederum waren 73,9 Prozent männlich und 26,1 Prozent weiblich. Hier fällt der hohe Anteil von Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden bis 21 Jahre unter den mutmaßlichen Tätern auf. Knapp 20 Prozent aller Täter waren jünger als 21 Jahre, darunter 1963 Kinder und 2636 Jugendliche. Auch der Ausländeranteil von 42,9 Prozent ist sehr hoch. Der Anteil der in Berlin wohnenden Ausländer beträgt dabei laut Statistik 23,9 Prozent. Für diesen hohen Anteil gebe es Gründe, sagte Spranger: „Gewalt wird nicht durch Herkunft bestimmt, sondern durch besondere Umstände geprägt. Sozialisation, Gewalterfahrungen, Ängste sind nur einige davon, auch ein fremdes Umfeld, eine ungewisse Zukunft, wenig Geld.“

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