Berlin. Verkehr und Clubszene dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden, schreibt Herausgeber Jörg Quoos

Clubkultur oder umweltschädlicher Betonmoloch – so schlicht ist die Argumentation, mit denen die Anti A-100-Koalition am Sonnabend bei ihrem Aktionstag gegen den Ausbau der Stadtautobahn Stimmung machte.

„A100 wegbassen“ war natürlich ein cooles Motto für die Jugend, und es war kein Wunder, dass viele zu dieser Party kamen. Aber die Argumente werden auch nicht besser, wenn man „Volume“ raufdreht und den Beat erhöht.

Die Bundesregierung will mit der Fertigstellung der lange geplanten Autobahn nicht Wohnungen und Clubs zerstören, sondern ein Verkehrsprojekt fertigstellen, das ganze Stadtteile von gefährlichem Verkehr entlastet sowie Staus beseitigt und damit CO₂ einspart.

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Jeder Autofahrer kennt den Unterschied im Benzinverbrauch zwischen entspanntem Cruisen auf mehrspurigen Schnellstraßen und Stop-and-Go von Ampel zu Ampel. Und auch wenn alle irgendwann elektrisch fahren sollten, werden Fußgänger und Radler durch rollende Blechmassen gefährdet. Es erhöht die Sicherheit der Schwächeren und die Lebensqualität im Kiez, wenn die Verkehre klar getrennt werden.

„Wegbassen“ lässt sich auch nicht die Tatsache, dass es schließlich die Berlinerinnen und Berliner sind, die mit großer Mehrheit die A100 fertighaben wollen. Die Umfragen sind immer noch eindeutig und nicht nur die Autofahrer fordern den Weiterbau mit guten Argumenten ein. Daher erfüllt der Bund mit dem Projekt den Wunsch und die Bedürfnisse der Bürger und nicht nur die Interessen von Lobbyisten.

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Diesen Willen hätte man besser auch im schwarz-roten Koalitionsvertrag so eindeutig formuliert. Heute rächt sich, dass CDU und SPD in ihren Verhandlungen nicht den Mumm hatten, gemeinsam für das Projekt einzustehen und es aus Konfliktscheu einfach unter den Teppich schoben.

Allerdings sind die Gegner des Projekts mit ihren Argumenten nicht nur im Unrecht. Ihr Engagement für die Berliner Clubs und auch ihre Forderung nach Wohnraum sind mehr als berechtigt.

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Berlin als „Partyhauptstadt“ ist keine Formel egoistischer Hedonisten. Die Clubkultur ist ein echter Standortvorteil Berlins und darum sollten Bund und Stadt intensiv nach Orten suchen, an denen Clubs dauerhaft eine Bleibe haben können. Und mehr Wohnungsbau braucht die Stadt ohnehin.

Berlin hat weniger Prunk und alte Kultur als europäische Metropolen wie Paris oder London. Aber die Stadt hat eine Party- und Kleinkunstszene, die noch lebendig und bezahlbar ist und junge Menschen aus der ganzen Welt anzieht. Diese Szene ist ein Schatz, der bewahrt werden muss. Für alle, die hier leben und alle diejenigen, die noch in die Hauptstadt kommen werden.

Das Berliner Clubsterben beginnt im Übrigen nicht erst mit dem Ausbau der Autobahn. Seit dem Mauerfall sind Clubbetreiber und Feierbiester auf einer ewigen, unwürdigen Flucht vor Immobilienkapital und ziehen gegen milliardenschwere Investoren immer wieder den Kürzeren.

Berlin bleibt als Millionen-Metropole aber nicht „sexy“, um an die Vision von Klaus Wowereit zu erinnern, wenn auch die letzte Fläche mit gesichtsloser Büroarchitektur zubetoniert ist.

Daher wäre es politisch schlau, den bedrohten Clubs beim Umzug entschlossen zu helfen. Auch wirtschaftlich – denn Langweile ist sicher kein Faktor, mit der man Investoren, Zuzügler oder Touristen langfristig locken kann.