Hamburg. Hertha BSC erwischt im Duell mit Tabellenführer St. Pauli einen schwachen Tag und verliert nach vier Spielen ohne Niederlage mit 0:2.

Pal Dardai saß. Normalerweise wird der Trainer von Hertha BSC nicht müde, an der Seitenlinie auf- und abzulaufen. Wild gestikulierend, lauthals brüllend – gern auch schimpfend. Am Sonntagnachmittag aber wärmte der Ungar über weite Strecken der Partie beim FC St. Pauli seinen Platz auf der Bank im Millerntor-Stadion. Ein äußerst schlechtes Zeichen für die Profis des Berliner Fußball-Zweitligisten.

Denn so ruhig der 47-Jährige nach außen wirkte, umso mehr brodelte es in ihm. Der Auftritt seiner Mannschaft beim Tabellenführer war einer der schwächsten der Saison. Zu harmlos, zu mutlos, zu ideenlos – ein eklatanter Klassenunterschied. Und so war der Hauptstadtklub mit dem 0:2 (0:2) am Ende noch gut bedient.

Schmeichelhaftes Ergebnis zur Pause für Hertha BSC

„Das Top-Niveau in dieser Liga ist Pauli, und da sind wir noch nicht“, bilanzierte der Chefcoach der Berliner. Hertha rutschte durch die erste Niederlage nach vier ungeschlagenen Spielen auf Rang elf, verpasste die Chance, den Abstand nach vorn auf vier Punkte zu verkürzen. Stattdessen sind es nun sieben Zähler auf Platz drei.

Die Geschichte der Partie ist schnell erzählt. Weil der blau-weiße Hauptstadtklub völlig überfordert auftrat und kaum Entlastung schaffen konnte, hatten die Hamburger leichtes Spiel.

Erst zog Manolis Saliakas nach einer kurz ausgeführten Ecke von der Strafraumkante ab und versenkte den Ball (16. Minute) – abgefälscht von Toni Leistner –, dann spielte Ex-Unioner Marcel Hartel Doppelpass mit Jackson Irvine und netzte ein. 0:2 zur Halbzeit – ein schmeichelhaftes Ergebnis aus Sicht der Blau-Weißen.

Ernst angeschlagen: Keeper Gersbeck feiert Debüt in der Liga

Marius Gersbeck, der kurz vor Anpfiff für den angeschlagenen Tjark Ernst (muskuläre Probleme) in die Startelf gerutscht war und sein Debüt in der Liga feierte, schaute ratlos drein. „Ich komme beim zweiten Gegentor zu spät“, gab sich der 28-Jährige selbstkritisch.

Bislang hatte Gersbeck, der nach einem nächtlichen Trainingslager-Ausflug inklusive Prügelei zu Saisonbeginn für gut zwei Monate suspendiert worden war, nur einmal das Tor gehütet – beim 1:3 im Pokal-Achtelfinale gegen Kaiserslautern. Und so merkte man dem Keeper in Hamburg in der einen oder anderen Situation die fehlende Spielpraxis an. Obwohl er am Freitag für die U23 beim Heimspiel gegen den Greifswalder FC noch zwischen den Pfosten gestanden hatte.

„Ich durfte bei der U23 spielen, ich durfte hier auf dem Platz stehen, ein schönes Gefühl, ich genieße das“, so Gersbeck, der in der zweiten Hälfte dann auch selbstbewusster auftrat. Doch da war das Spiel eigentlich schon gelaufen.

Dreifach-Wechsel zur zweiten Hälfte verpufft

„Wir konnten schon zur Halbzeit froh sein, dass es nicht deutlich höher stand. Wir haben hochverdient verloren“, erklärte Sportdirektor Benjamin Weber. Statt nach 45 Minuten drauf loszupoltern, blieb Trainer Dardai in der Kabine sachlich. „Ich habe gesagt, es gibt keine Analyse, vergesst die erste Halbzeit, wir haben keinen richtigen Torschuss, keine drei Pässe geschafft, das reicht nicht“, erzählte der Chefcoach nach der Partie.

Ein Dreifach-Wechsel musste her. Dardai nahm Kapitän Leistner, den angeschlagenen Haris Tabakovic und Marten Winkler vom Feld, brachte den zurückgekehrten Marton Dardai, Derry Scherhant und Ibrahim Maza. „Es hat jeder gemerkt, dass wir nicht mutig genug waren, dass wir etwas ändern müssen“, sagte auch Gersbeck.

Und tatsächlich wurden die Berliner nach gut einer Stunde auch etwas stärker, zeigten offensiv vielversprechende Ansätze. „Mit der Einwechslung von Marton hatten wir bessere Spielzüge, eine bessere Spielkultur“, lobte Trainer Dardai. Doch mehr als ein Weitschuss von Maza (61.) und zwei Versuche von Scherhant (79./81.) kamen nicht zustande.

Dardai fehlt die Handlungsschnelligkeit bei seinen Spielern

„Der letzte Pass war wieder nicht da. Eine richtige Großchance war nicht da“, musste auch Herthas Trainer erkennen. „Ich habe zwei, drei Spieler, die schnell laufen können. Aber das Wichtigste im Fußball sind Reaktions- und Handlungsschnelligkeit.“ Und die fehlte Hertha am Sonntag nicht zum ersten Mal in dieser Saison.

Der Rasen sah nach Schlusspfiff aus, wie nach einer wilden Party. Überall flogen bunte Papierschnipsel über das Feld, hier und da auch goldene Luftschlangen. Zum Feiern zumute war aber nur dem Tabellenführer. Pal Dardai hatte eine Partie erlebt, die ihn nicht vom Hocker gerissen hatte.

Zu allem Überfluss kassierte Jonjoe Kenny auch noch seine fünfte Gelbe Karte. Der Rechtsverteidiger wird am kommenden Wochenende im Heimspiel gegen den FC Schalke 04 (13.30 Uhr, Sky) fehlen.

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