Berlin. Der Rekordmeister muss mal wieder eine Auftaktniederlage verdauen. Bremerhaven gerät schon in Ekstase. Warum sich das rächen könnte.

Er schaute etwas irritiert durch die Halle. Der Gegner fuhr eine Ehrenrunde, zelebrierte den Sieg gemeinsam mit den Fans minutenlang. „Die feiern jetzt hier, als hätten sie schon die Meisterschaft gewonnen“, sagte Kai Wissmann, der sich mit den Eisbären Berlin eher den ungeschriebenen Gesetzen des Play-offs verpflichtet sieht. Die besagen, dass während einer Serie weitgehend still genossen wird. Und gefeiert erst am Ende.

Bei den Fischtown Pinguins kennt die Begeisterung allerdings keine Grenzen mehr. Erstmals steht der Klub im Finale der Deutschen Eishockey Liga (DEL), Konventionen bedeuten den Norddeutschen auf ihrem Weg nur wenig. „Das ist ein einmaliges Erlebnis. Die ganze Stadt ist so aufgeputscht. Es ist eine unheimliche Euphorie“, so Trainer Thomas Popiesch, gegen dessen Team der Rekordmeister im ersten Duell der Endspielserie 2:4 unterlag. Und man muss zugeben, dass die Pinguins dabei ziemlich mitreißend spielten.

Die Eisbären kennen die Situation genau

Mit einer Mischung aus Unverständnis und Gleichgültigkeit nahmen die Berliner die Jubelarie mit Kindern auf den Armen der Spieler zur Kenntnis. „Ja, 1:0“, so Eisbären-Kapitän Wissmann unaufgeregt. Er und sein Team kennen das, meistens ergeht es ihnen so, dass sie zum Auftakt einer Play-off-Serie den Kürzeren ziehen. Zum sechsten Mal schon in neun Runden unter Trainer Serge Aubin. Noch keine Serie ging mit dem Kanadier an der Bande verloren.

Damit das so bleibt, müssen die Berliner allerdings ein paar Anpassungen vornehmen. Die erste Partie an der Küste zeigte genau, wo die Qualitäten der Bremerhavener liegen. „Wir haben konstant intensives Hockey gespielt, das ist das, was wir brauchen“, sagt Popiesch zum Auftreten seiner Mannschaft, die mit schnellem Passspiel den direkten Weg zum Tor sucht. Der variable Aufbau erschwert die Aufgabe für die Eisbären ebenso wie das hohe Tempo und die größere Puckkontrolle.

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Zum Tragen kommt das aber hauptsächlich, wenn der Gegner es zulässt – und das taten die Berliner nach etwa zehn Minuten. Da führten sie 2:0 und nahmen alles zu selbstverständlich. „Wir haben dann einfach zu passiv gespielt und sind ein bisschen von unserer Aggressivität weggekommen“, bemängelt Stürmer Tobias Eder. Die Eisbären haben sich davon blenden lassen, dass es lief. Doch auf die leichte Schulter nehmen und Bremerhaven etwas Platz geben, darf man eben nicht.

Wir wissen, dass wir noch lange nicht fertig sind.
Kai Wissmann - Kapitän der Eisbären Berlin

Hier wäre für Aubin der wohl wichtigste Ansatzpunkt für Spiel zwei am Freitagabend (19.30 Uhr, Uber Arena). Der Coach muss nun ein wenig justieren. „Wir haben eine Menge mehr zu bieten“, erzählt er. Wobei sein Team mehr als genug klare Chancen, weit mehr als der Gegner, hatte, um die Partie trotz aller Defizite zu gewinnen. Das zeigt, dass die Zuordnung bei den Pinguins fragil ist, wenn man sie unter Druck setzt.

Eisbären-Verteidiger Thomas Schemitsch (oben) zeigt, was Intensität ist.
Eisbären-Verteidiger Thomas Schemitsch (oben) zeigt, was Intensität ist. © picture alliance / nordphoto GmbH | nordphoto gmbh / Rojahn

Mehr energisches Körperspiel, das die Berliner nur in der Anfangsphase zeigten, dürfte sich für die Eisbären noch vorteilhafter auswirken. Dafür kehrt in Spiel zwei Lean Bergmann nach seiner Sperre zurück und bringt mehr Physis hinein, eventuell auch Yannick Veilleux. Zudem lief der Puck nicht immer ideal beim Rekordmeister. „Wir müssen schneller hinten raus spielen und nicht immer versuchen, durch die neutrale Zone mit Puckbesitz Chancen zu kreieren“, sagt Wissmann. Als man stattdessen die Scheibe hinter die Verteidiger spielte und tief im Drittel des Gegners war, tat sich Bremerhaven sehr schwer.

Die Eisbären brauchen sehr viel Laufbereitschaft

Am Ende wird der Spielverlauf viel von Wirkung und Gegenwirkung beeinflusst. „Es ist wie ein Schachspiel mit hohem Tempo“, sagt Aubin, der seine Profis dazu bringen muss, den eigenen Ansatz zum dominanten zu machen. Was bedeutet, konsequent mit viel Laufbereitschaft das Spiel in die Offensive zu verlagern. Allerdings ohne dabei den Weg für Gegenangriffe zu öffnen. Die spielerischen Fähigkeiten dafür sind vorhanden, sie müssen jedoch mit viel Kompromisslosigkeit in der Defensivarbeit kombiniert werden. Weil jeder Fehler schmerzhaft sein kann.

Das wissen die Eisbären jetzt. Bremerhaven ist eine schwierige Aufgabe, aber Lösungen ließen sich im ersten Duell der beiden besten Mannschaften der Hauptrunde erkennen. Zudem birgt der schon recht ausgeprägte Party-Modus der Norddeutschen die Gefahr, nicht immer ganz bei der Sache zu sein oder im Kopf schon einen Schritt zu weit. Das kann sorglos machen auf den letzten Metern der Meisterschaft. „Wir wissen, dass wir noch lange nicht fertig sind“, sagt Kai Wissmann. Er spart sich seine Feierlaune auf. Erst kommt die Arbeit.

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