Berlin. Millionen sind süchtig. Eine Expertin und Ex-Betroffene erklärt, was in der Therapie falsch läuft und wie Sie aus der Sucht finden.

Anfangs geht es um bessere Laune, Glücksgefühle, um Entspannung oder einfach darum, Ärger zu vergessen. Irgendwann kann man nicht mehr ohne, braucht immer mehr und der Alltag dreht sich nur noch um den Konsum. Millionen Menschen in Deutschland sind süchtig oder kurz davor. Es geht um Alkohol, Rauchen, Cannabis oder Kokain, aber auch um „Süchte ohne Stoff“ wie die Abhängigkeit von Glücksspiel, Sozialen Netzwerken, Einkaufen oder Sex.

Doch wir gehen falsch mit Menschen um, die eine Sucht entwickelt haben – und die gängigen Therapien laufen bei der Mehrheit ins Leere. Das zumindest behauptet die Wissenschaftsjournalistin Gaby Guzek. In ihrem neuen Buch „Die Suchtlüge“ räumt die Autorin und Coachin mit der Suchtmedizin auf und warnt vor „riesigen Denkfehlern“. Im Interview erklärt die frühere Alkoholikerin, warum Sucht nichts mit Willenskraft zu tun hat, welche Warnsignale jeder beachten sollte und wie sich eine Sucht bezwingen lässt.

Frau Guzek, ihr Buch „Die Suchtlüge“ geht mit der vorherrschenden Medizin und Suchttherapie recht hart ins Gericht: Wer lügt aus Ihrer Sicht wen an?

Gaby Guzek: Es lügen alle und keiner. Natürlich würde kein Therapeut und kein Arzt seinen Patienten bewusst anlügen. Aber es gibt generell einen Konsens in der Medizin, der einfach nicht infrage gestellt wird. Von der Suchtberatung über den Arzt bis zu den Kliniken sind alle kollektiv der Meinung: So entsteht Sucht und so muss sie behandelt werden. Unterhält man sich aber mit den Einzelnen, bestehen durchaus Zweifel. Es kann keinen Arzt oder Psychotherapeuten glücklich machen zu sehen, wie schlecht die Erfolgsquoten der gängigen Therapie sind. Das gängige Suchthilfesystem bietet nicht für alle etwas an.