Berlin. Mal Bienchen, mal Spinne: Die Kinolegende spricht über ihre 38 tierisch-komischen Kurzfilme, die erstmals gesammelt zu sehen sind.

Als Schauspielerin ist Isabella Rossellini seit Jahrzehnten gefragt, gerade ist sie mit „La Chimera“ im Kino zu sehen. Sie ist die Tochter zweier Filmlegenden, Ingrid Bergman und Roberto Rossellini. Weniger bekannt ist ihre Liebe zu Tieren. Die heute 71-jährige hat Verhaltensbiologie studiert, lebt auf einem Bauernhof im Bundesstaat New York und hat sich in zwei Minuten kurzen Filmen immer wieder dem Liebesleben von Tieren gewidmet. Ob die Balzrituale von Vögeln, der Erziehungsstil einer Hamstermutter oder der Sexalltag einer Spinne – Rossellini spielt sie allesamt selbst, in irrwitzigen Kostümen. Nun sind diese 38 Miniaturen erstmals gesammelt auf dem Streamingdienst Mubi zu sehen. Wir haben sie dazu befragt.

Frau Rossellini, in den von Ihnen inszenierten Kurzfilmen blicken Sie mit viel Humor auf das vielfältige Sexleben im Tierreich. Wie haben Sie den Humor in der Biologie gefunden?

Isabella Rossellini: Ich habe Tiere schon immer geliebt. Sie bringen mich zum Lachen, weil sie in Vielem, aber nicht ganz wie wir sind. Ich bin Verhaltensforscherin, bin spät noch mal auf die Uni und habe einen Abschluss in Biologie. Als ich beschloss, Filme über Tiere zu machen, wollte ich genau das verbinden: wissenschaftlich fundiert zu erklären, was mich bei Tieren und ihrem Verhalten zum Schmunzeln bringt.

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Isabella Rossellini erzählt von den Bienchen und von den Blümchen.
Isabella Rossellini erzählt von den Bienchen und von den Blümchen. © Mubi | Mubi

Und warum Miniaturen von gerade einmal zwei Minuten?

Die Idee kam von Robert Redford, der sie ursprünglich auch produziert hat. Kurzfilme waren der Beginn der Filmgeschichte, Ende des 19. Jahrhunderts, bevor es eine Industrie wurde. Robert dachte, mit einer Plattform wie Youtube das Vergnügen an der kurzen Form wiederbeleben zu können. Also bat er mich, eine Reihe davon zu machen. Das tat ich dann, und sie wurden sehr erfolgreich. Und ich machte weitere, am Ende sind es nun fast 40. Ich wollte etwas, das die Leute zum Lachen bringt und dem sie zugleich Neues lernen. Die Wunder der Natur, dass ein Regenwurm ein Hermaphrodit ist oder ein Fisch in der Mitte seines Lebens das Geschlecht wechseln kann.

Mit einigen dieser Shorts waren Sie auf der Berlinale zu Gast, mit den „Green Pornos“ und mit „Mammas“ über vermeintliche Mutterinstinkte. 2011 waren Sie Präsidentin der Berlinale-Jury. Welche Rolle war Ihnen da lieber?

Meine eigenen Filmbabys zeigen zu dürfen, war natürlich eine große Ehre. Aber in einer Jury zu sitzen ist fantastisch, weil ich mich ganz aufs Filmeschauen konzentrieren kann. Die Berlinale war für mich eine ganz besondere Erfahrung. Es war das Jahr, in dem wir den Goldenen Bären an Asghar Farhadis „Nader und Simin – Eine Trennung“ verliehen. Ich war zuvor schon das gesamte Festival mit einem grünen Schal herumgelaufen, um die Opposition im Iran zu unterstützen. Farhadis Film war der beste im Wettbewerb, aber ich habe mich besonders gefreut, dass wir einen iranischen Regisseur prämierten. Auf der Party nach der Verleihung unterhielt ich mich mit ihm und seinem Filmteam und sie sagten mir, wie sehr sie meine „Green Pornos“ mochten. Ich war erstaunt, dass sie sie überhaupt kannten. Das bedeutete mir viel.

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Isabella Rossellini schlüpft für ihre Kurzfilme in die irrwitzigsten Kostüme.
Isabella Rossellini schlüpft für ihre Kurzfilme in die irrwitzigsten Kostüme. © Mubi | Mubi

Nun sind alle 38 Filme zusammen auf der Plattform Mubi zu sehen. Erstaunt Sie das anhaltende Interesse?

Jemand sagte mir mal: „Ich liebe diese Quickies!“ Das hat mir gefallen. Die Streamingdienste sind mit Serien groß geworden, pro Episode eine halbe Stunde, manchmal mehr. Bei meinen Quickies stelle ich mir vor, wie jemand auf den Bus oder beim Arzt wartet und dabei ein, zwei Filme auf dem Handy anschaut. Anfangs war es nicht mehr als ein Experiment. Und dann waren sie erfolgreicher, als wir je erwartet hätten. Wir haben damit sogar Preise gewonnen, die ersten Folgen wurden von mehr als vier Millionen Menschen auf Youtube gesehen. Ich habe damit eine ganz neue Generation erreicht, junge Leute in ihren Zwanzigern, die mich nicht aus „Blue Velvet“ kennen oder wissen, wer meine Eltern sind. Wenn ich heute angesprochen werde, ist es meist, weil mich jemand aus den „Green Pornos“ wiedererkennt.

Sie schlüpfen dabei selbst in unterschiedlichste Tierrollen, die Kostüme und Hintergründe sind dabei oft aus Papier gebastelt. Wie ist dieser Stil entstanden?

Ich wollte unbedingt mit Papier arbeiten und den Filmen so eine handgemachte, naive Anmutung geben. Weil ich bis dahin so wenig Ahnung vom Regieführen hatte, gibt es bei mir keine Kamerafahrten, ich baue allenfalls mal eine Nahaufnahme ein. Aber selbst in diesem engen Rahmen kann ich eine Menge Humor erzeugen, einfach wenn ich Dinge oder Tiere durchs Bild krabbeln lasse. Ich wollte mich nicht von anderen abhängig machen, weil das nur das Ergebnis verwässert. Ich habe alles eliminiert, was ich nicht selbst machen oder kontrollieren konnte. Keine Computertricks. Wenn ich eine Spinne spielen will, dann schlüpfe ich eben in ein Papierkostüm mit Beinen dran. Wenn ich dabei albern aussehe, umso besser.

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Isabella Rossellini mit einem überdimensionalen Schalentier.
Isabella Rossellini mit einem überdimensionalen Schalentier. © Mubi | Mubi

Das Bild, das sie von der Tierwelt zeichnen, ist dabei erstaunlich divers…

In der Natur gibt es alle Spielarten. Über Generationen wurde uns in der Schule beigebracht, dass Sex nur der Fortpflanzung dient. Vielen ist es peinlich, über Sex zu sprechen. Dabei ist es oft eben nicht Mama, Papa, Kind. Es kann auch Papa, Papa und Kind sein. Oder ein ganzes Rudel, das sich gemeinsam um den Nachwuchs kümmert. Oder Papa wechselt das Geschlecht, wird weiblich und bekommt Babys. Manchmal kümmert sich auch der Papa um die Babys, wie das Seepferdchen. Alles ist möglich. Diese Rollenbilder, die viele moralisch verurteilen, sind alles andere als unnatürlich. Es gibt sie.