Am 6. Juni wird im Zoo Palast noch einmal „Ich bin dein Mensch“ gezeigt. Und Maria Schrader und Maren Eggert sprechen über den Dreh.

Berlin kann man von vielen Seiten aus sehen. Auch im Kino. Von oben oder von unten. Historisch oder futuristisch. Und aus den unterschiedlichsten Perspektiven. So wie in „Ich bin dein Mensch“ aber hat man die Stadt noch nicht gesehen. Aus den Augen eines Liebesroboters nämlich, der nur hergestellt wurde, um Menschen zu beglücken. Und nun in diese ihm völlig fremde Welt, fremde Stadt ausgesetzt wird, mit all ihren merkwürdigen, neurotischen, beziehungsgestörten Bewohnern.

Das ist der Ausgangspunkt von Maria Schraders tiefsinniger Filmkomödie, die auf der pandemiebedingt gesplitteten Berlinale 2021 Premiere hatte, beim Deutschen Filmpreis vier Lolas gewann und als deutscher Kandidat ins Oscar-Rennen ging. Nun wird er noch einmal, in Anwesenheit der Regisseurin und ihrer Hauptdarstellerin, gezeigt: in der Filmreihe „Hauptrolle Berlin“, in der die Berliner Morgenpost gemeinsam mit dem Zoo Palast an jedem ersten Dienstag im Monat einen waschechten Berlin-Film zeigt.

Von wegen perfekte Liebe: Dan Stevens Tom-Boy bringt vieles durcheinander

Hier darf dieser Film nicht fehlen: Nicht nur wegen des fremden Blicks des Androiden. Sondern auch, weil es Schrader gelang, Drehgenehmigungen zu ergattern, wo noch nie zuvor eine Filmkamera aufgestellt wurde. Was in der als ausverfilmt geltenden Filmstadt schon ein Unikum ist.

In diesen Tagen, da viel über Künstliche Intelligenz debattiert wird, sind Liebesroboter groß in Mode. In Romanen, man denke an Ian McEwans „Maschinen wie ich“ oder Emma Braslavskys „Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten“. Aber auch in Filmen wie „Ex Machina“, „Zoe“ oder zuletzt der Serie „Tender Hearts“. Doch nie war die Grundidee so kontrastreich, nie klafften die Welten so weit auseinander als in dem Szenario, das Maria Schrader mit ihrem Ko-Autor Jan Schomburg entwickelt hat.

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Denn von wegen perfekte Liebe. Oder perfekter Algorithmus. Ausgerechnet eine Anthropologieforscherin, die sich auf das Altertum spezialisiert hat, auf die Keilschrift als allererstes schriftliches Zeugnis der Menschheit, soll hier den allerneuesten technischen Schrei ausprobieren. Einen ganz auf sie und ihre Bedürfnisse buchstäblich eingestellten Liebesroboter.

Die Anfrage, diesen neuen Prototyp als eine von zehn Probanden zu testen, lehnt Alma (Maren Eggert) erst brüskiert ab. Aber naja: Ihr Forschungsprojekt braucht dringend Fördergelder. So lässt sie sich doch darauf ein. Und dann steht er vor ihr, dieses Idealwesen namens Tom. Gespielt vom Briten Dan Stevens, der schon in der Kultserie „Downton Abbey“ die Herzen höher schlagen ließ – und hier mit leichtem Akzent die einzige charmante Unvollkommenheit in die Perfektion bringt.

Mit Nullen und Einsen kommt neuer Schwung ins ausgelutschte Genre RomCom

Aus dieser Konstellation gewinnen Schrader und Schombourg köstliche Momente. Wie Tom „seine“ Alma nach Strich und Faden verwöhnen will, mit Schaumbad, Sektchen und Kerzenromantik. Sie aber ist schockiert von seinem Putz- und Ordnungswahn und Ausdrücken wie „Alles Klärchen“. Andererseits erkennt der Android im Nu, dass es über das Thema, an dem sie forscht, bereits eine andere Publikation gibt. Jahrelange Arbeit ist da in Sekunden zunichte.

Und dann leidet Alma noch unter der Trennung von ihrem Ex (Hans Löw), der bereits wieder liiert ist. So dient Tom erst mal als Protzobjekt nach außen. Aber dann geht es wie immer in romantischen Komödien: Alle ahnen bereits, dass das Paar zusammenkommt. Allen Widrigkeiten zum Trotz.

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Zum Kennenlernen darf Alma (Maren Eggert) erst mal ein Tänzchen mit ihrem Mr. Perfect machen.
Zum Kennenlernen darf Alma (Maren Eggert) erst mal ein Tänzchen mit ihrem Mr. Perfect machen. © dpa | Christine Fenzl

Auch das aber ist eine Neuerung. Während sonst Filme über Kunstgeschöpfe gewöhnlich in Katastrophen enden – Stichwort: Frankenstein – könnte es hier doch, der Film lässt das bewusst offen, ein Happy End geben. Und durch die fremden Algorithmen, die vielen Nullen und Einsen bekommt auch das ziemlich ausgelutschte Filmgenre Beziehungskomödie (oder neudeutsch: RomCom) ganz neue Dimensionen. Und eine echte Frischzellenkur.

Dass ausgerechnet Maria Schrader mal eine Liebeskomödie drehen würde, hätte man auch nicht gedacht. Schon als Schauspielerin steht sie für ein anderes Kino, erst recht mit ihren Regiearbeiten, „Vor der Morgenröte“ über Stefan Zweig im Exil, die Serie „Unorthodox“ über den Ausbruch einer Jüdin aus ihrer streng religiösen Welt oder zuletzt ihren Hollywoodeinstand „She Said“ über den Weinstein-Skandal.

Eine Liebeskomödie mit Tiefgang – philosophisch und urkomisch zugleich

Klar, dass es bei ihr nicht bloß darum gehen konnte, ob und wann sich ein Paar wider Willen kriegt. Signifikant ist aber allein die Rollenverkehrung. Denn seit es das Kino gibt, war immer die Frau das Lust-Objekt und die Perspektive der männliche Blick. Hier wird das demonstrativ umgekehrt.

Aber auch das moralische Dilemma, die Zweifel und Ängste vor der Technik im Allgemeinen und der Künstlichen Intelligenz im Besonderen – das alles wird hier mitverhandelt. Und, das ist das große Verdienst dieses Films, in sehr tiefsinnigen, philosophischen, aber doch federleichten und sehr komischen Dialogen.

Und hier kommt auch Berlin ins Spiel. Denn die Stadt ist Almas Welt. Mit ihrer Wohnung in Berlins historischer Mitte, mit spektakulärem Blick auf den Dom. Mit ihrer nicht minder spektakulären Arbeitsstätte im Pergamonmuseum. Und ihrem Büro im neumodischen Futurium. All das ist ihr Revier, in dem ihr Tom-Boy ein Fremdkörper ist. Und in das sie ihn nicht lassen will. So wenig wie in ihr Herz.

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Regisseurin Maria Schrader mit ihrer Hauptdarstellerin Maren Eggert.
Regisseurin Maria Schrader mit ihrer Hauptdarstellerin Maren Eggert. © Majestic Filmverleih Christine Fenzl

Eine der atemberaubendsten Szenen ist denn auch die, wenn Tom Alma heimlich ins Pergamonmuseum folgt, wenn er, der Prototyp der Zukunft, da durch die ältesten Gemäuer streift. Der Ursprung und die Zukunft des Menschseins in einem metaphorisch aufgeladenen Bild. Hier kommt es dann auch zum ersten Kuss zwischen den beiden, direkt unter dem Marktor von Milet, wo sie sich prompt vor einem Museumswärter, der hier seine Überwachungsrunde dreht, verstecken müssen.

Drehgenehmigungen für Orte, an denen noch nie eine Filmkamera stand

Da dürften andere Filmemacher neidisch werden. Denn noch nie zuvor war das Pergamonmuseum die Kulisse für einen Spielfilm. Während der Dreharbeiten war das Museum selbst für normale Besucher wegen Umbaus lange verschlossen. Maria Schrader aber hat es dennoch geschafft, eine Drehgenehmigung zu erhalten. Wie auch in der James-Simon-Galerie oder dem Futurium, beides Orte, die gerade erst eröffnet, aber wegen der Pandemie noch nicht wirklich erschlossen waren. Und hier ihr Kinodebüt erlebten. Auch das sind Schauwerte, von denen der Film lebt. Und die ihn zu einem echten Berlin-Film machen.

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Die Einstellung zu einer solch androiden Liebeserfahrung war übrigens auch bei den beiden Damen des Films extrem unterschiedlich. Maria Schrader gab zu, dass sie schon neugierig darauf wäre: „Ich würde etwas weniger zögern als die Alma in unserem Film.“ Maren Eggert dagegen würde „eher noch etwas mehr zögern“. Sie hatte sich mal von einer Nachbarin einen staubsaugenden Roboter ausgeliehen. Den gab sie aber sofort wieder zurück, weil er immer irgendwo herumfuhr. „Das fand ich gruselig.“