„Gefalle, du Schöne“ im Theater unterm Dach

Die Schenkel: wabbelig. Das Gesicht: unscheinbar. Die Arme: speckig. Die Brüste: zu klein. „Mein Körper ist eine einzige To-do-Liste“, sagt die eine, und alle anderen nicken. Die Zuschauerinnen lachen, ein bisschen über diese Frauen auf der Bühne, klar, ein bisschen aber auch über sich selbst. Denn was die neun Darstellerinnen da beklagen, das kennt man ja auch von sich. Dieses Unzufriedenheitsgefühl, wenn man vor dem Fernseher „Germany’s Next Topmodel“ guckt und die eigenen Hüften plötzlich viel runder aussehen. Der Neid auf die glücklichen „Weight Watchers“-Testimonials. Und auf Kate Middleton und all die anderen Frauen, die zwei Wochen nach einer Entbindung aussehen, als kämen sie aus dem Karibikurlaub. Lose angelehnt an Maxi Wanders „Guten Morgen, du Schöne“ hat Regisseurin Amina Gusner also mit „Gefalle, du Schöne“ ein Stück ins Theater unterm Dach gebracht, das Antworten auf Debatten liefert, von denen man sich wünscht, sie heute nicht mehr führen zu müssen.

Lena wird auf dem Nachhauseweg begrapscht, Brigitte von Heinz verlassen, und Lisa hört wohl ihre biologische Uhr, dieses unsichtbare Monster, so laut ticken, dass bloß noch schreien hilft, wenn sie gehört werden will. Denn sie will kein Kind. Und muss das jedem wieder und wieder klarmachen. Muttersein, brüllt sie irgendwann, gilt als der Inbegriff von Frausein. Bist du keine, musst du dich rechtfertigen. Bist du aber eine und siehst auch so aus, dann auch. Und trainierst du für den After-Baby-Body, wer passt dann auf die Kinder auf?

Unmöglich, diesen Spagat zu schaffen, diagnostiziert Gusner auf der Bühne. Sie hat den Text von Wander clever für die Gegenwart aktualisiert, ihn angedickt mit eigenen Gedanken und denen von Elfriede Jelinek, Virginia Woolf und Ingrid Lausund. In diesem Mosaik aus Frauenstimmen gibt es nicht eine Geschichte, sondern viele. Gusner verurteilt keine. Nicht die Mutter, die sich dem Vater ganz devot präsentiert. Nicht die Tochter, die mit ihrer Mutter nur durch Vorwürfe spricht. Nicht die junge Frau, die sich mehr um sich selbst als um die tablettenabhängige Schwester schert. Und nicht die Teenies, die unbedingt Topmodel werden wollen. Und dafür jede Nahrung verweigern.

Das hätte ein ziemlich ernster Abend werden können. #MeToo, Magerwahn und Minderwertigkeitskomplex sind eben auch nicht wirklich witzig. Dass man dennoch lacht, fast ununterbrochen, das liegt an Inga Wolff, Franziska Kleinert und ihren sieben Kolleginnen. Die schaffen es, Klischees und Stereotype aufzubrechen, ohne ihren Humor zu vergessen. Und immer die Komik im Tragischen zu finden.

Theater unterm Dach, Danziger Straße 101/ Haus 103. Termine: 2. und 3.6., 20 Uhr.