Wer heiratet, glaubt nicht selten, den idealen Partner fürs Leben gefunden zu haben. Doch von Perfektion kann bei keiner Ehe die Rede sein. Allerdings gilt es zu differenzieren.

Da sind solche, die das Label "glücklich" verdienen, da sie von Respekt und Zuneigung dominiert werden, unglückliche, in denen Streit und negative Emotionen vorherrschen - und einige, die irgendwo dazwischen schweben, so genannte Semi-Happiness-Ehen.

"Darunter versteht man Ehen, die weder unglücklich noch richtig glücklich sind", erklärt Friedhelm Schwiderski vom Arbeitskreis Paar- und Psychotherapie. Dieser Status Quo stelle sich meist bei länger andauernden Beziehungen ein. Die betreffenden Partnerschaften funktionieren zwar sehr gut, sind aber nicht - oder nicht mehr - erfüllt. "In vielen Fällen ist es so, dass die Partner ein eingespieltes Team sind und sich wohl miteinander fühlen, daher verläuft ihr Alltag äußerst harmonisch", so der Paartherapeut.

Allerdings sei die Paarbeziehung oft eine sehr sachliche: Das Persönliche hat kaum Raum, man spricht nicht über sich selbst und lässt den anderen nicht allzu nah an sich heran. Zärtlichkeit und Sexualität sind ins Abseits geraten. "Das ist kein Problem, solange keiner von beiden etwas vermisst. Oft ist da aber ein Ungleichgewicht, sprich: Einer wünscht sich mehr Nähe", erklärt Schwiderski. Die Folge sei ein dumpfes Gefühl der Unzufriedenheit, es entstehen Sehnsüchte.

Neben dem Ausbleiben von Leidenschaft sind oft enttäuschte Erwartungen Auslöser für das Gefühl der Semi-Happiness. "Viele erhoffen sich aus der ersten Verliebtheit heraus viel zu viel", sagt Peter Groß vom Bundesverband deutscher Psychologinnen und Psychologen. Sie erwarten, für immer auf Händen getragen zu werden, sind der Überzeugung, mit ihrem Gegenüber in allem auf einer Wellenlänge zu sein. "Erwartungen wie diese sind natürlich utopisch. Schließlich treffen hier zwei Individuen aufeinander, zwei komplexe Systeme mit verschiedenen Genen und Prägungen. Die können komplett unterschiedlich sein."

Unterschiedlich heißt aber nicht zwingend inkompatibel. Ausschlaggebend ist, wo die Differenzen liegen: "Man sollte darüber nachdenken, was einem in einer Beziehung wirklich wichtig ist. Was ist für mich unverzichtbar, was ist verhandelbar und was ist ein absolutes No-Go", erklärt Groß.

Mindestens genauso wichtig wie seine Ansprüche kritisch zu hinterfragen, ist es, mit dem Partner zu kommunizieren. "Man sollte formulieren, was man sich wünscht und was einen stört. Stillschweigend darauf hoffen, dass der Partner der Wunschvorstellung von allein gerecht wird, bringt nichts", erklärt Landgraf. Über die Probleme zu sprechen, ermögliche es, Dampf abzulassen und vielleicht eine Lösung zu finden. Diese variiert von Fall zu Fall. Langweilen die Alltagsabläufe, müssen sie verändert werden. Hat man das Gefühl, sich nicht verwirklichen zu können, weil der Partner bestimmte Träume nicht teilt, sollte man ihnen alleine nachgehen statt zu verzichten. Und hat die Alltagsroutine die Leidenschaft abflauen lassen, müssen Paare überlegen, wie sie wieder angekurbelt werden kann.