Berlin. Manchmal passiert Schönes und Schlimmes gleichzeitig. Kolumnist Dieter Puhl über ein mutmachendes Erlebnis und eine traurige Nachricht.

Erfreuliches, sehr Schönes, Tragisches und gar Trauriges liegen oft nah beieinander. Manchmal geschehen die widersprüchlichsten Dinge fast parallel. Ich muss dann innehalten, damit das Leben nicht nur vorbeirauscht. Wie im Flug, sagen wir dann. Eigentlich möchte ich es aber überschaubar haben.

Über die wunderbaren Hilfen eines Volleyballvereines für obdachlose Menschen wollte ich berichten, über die Berlin Recycling Volleys und deren Geschäftsführer Kaweh Niroomand. Gemeinsam mit Sponsoren sammelte man am vergangenen Dienstag für einen neuen Waschsalon für obdachlose Menschen. Ein Hygienecenter für Hilfebedürftige betreibt die Berliner Stadtmission ja schon, die Einrichtung am Zoo finanzierte vor Jahren die Deutsche Bahn.

Auch Leserinnen und Leser der Morgenpost spenden dort Bekleidung und Schlafsäcke, und manchmal auch Geld für die Menschen am Rande des Randes. Damit sie überleben. Und sich aber auch waschen können, was für Menschen ohne Wohnung ein großes Problem ist. Es kam viel Geld zusammen, 160.000 Euro fehlen aber derzeit noch, um das Projekt weitere drei Jahre lang zu stemmen.

Wieder einmal ist der Kreta-Urlaub gebucht

Warum der Verein dieses und anderes macht, was Kaweh Nieroomand antreibt, ist spannend. Eigentlich wollte ich noch viel mehr davon erzählen, beschwingt auch durch eine private Vorfreude: Wieder einmal ist der Kreta-Urlaub gebucht, wieder geht es zu Georgia, meiner Vermieterin seit Jahrzehnten. Trotz fortgeschrittenen Alters lebt sie noch. Da müssen einige einfach hin. Liebe zieht. Das ist unser Platz.

Doch dann kam die Keule. Am Mittwoch der Anruf meines Freundes Detlef Schilde. Er hatte Tränen in der Stimme. Es ging um einen gemeinsamen, langjährigen Freund. Als ich 2009 die Leitung der Bahnhofsmission am Zoo übernahm, war er dort schon seit geraumer Zeit im Stützpunkt der DB Sicherheit beschäftigt. Detlef wiederum war dort Polizeibeamter der Bundespolizei. Zu dritt bildeten wir bald eine Gemeinschaft, die sich in vielen Angelegenheiten verbindlich beistand. Es wurde viel Kaffee getrunken und noch mehr gearbeitet. Kurze Wege, gegenseitige Akzeptanz, klare Kompetenzen: Dann füllt man keine Beschwerdeformulare aus, sondern redet miteinander. Was etwas Besonderes war, denn die Bahnhofsmission hatte damals nicht sonderlich viel Freunde, im Gegenteil.

Einen Platz für den Freund werden wir aus Respekt freihalten

Da brauchte ich nicht nur Verbündete, es durften sogar ein paar Freunde dabei sein. Die beiden gehörten eindeutig dazu. Auch das zur Erinnerung: Der Sicherheitsleute der Bahn und die Sozialarbeit taten sich damals nicht ständig durch gute, kooperative, vertrauensvolle Zusammenarbeit hervor. Aber beim Zusammenwachsen hatten wir drei deutliche Anteile. Unser Freund „schleppte“ dann auch den damaligen Finanzvorstand der Bahn, Richard Lutz, in die Bahnhofsmission am Zoo. Der konnte gar nicht anders: „Da müssen wir doch etwas tun“, fand er. Und er half dann wirklich, inzwischen auch als Bahnchef. Und andere taten es auch. Gut so.

Danke! Das verbesserte die Lebensbedingungen vieler Menschen erheblich. Loyalität ist manchmal nicht nur ein Wort, ist Verbundenheit und manchmal gar Freundschaft. Und noch kürzlich traf sich die „Gang“ von der Bahnhofmission beim Italiener in Tegel wieder. Detlef, Richard, Christina von der DB war auch dabei, ebenso unser Freund – und ich auch, und das gern. Auch das ist nun noch eine schöne Erinnerung. Denn jetzt wurde der Freund tot in seiner Wohnung aufgefunden.

Unsere Beziehungen waren gut, nah, und dennoch blieb der Freund ein Stück verschlossen, bei sich. Man kann einen Menschen nicht dazu zwingen, alles von sich zu zeigen und seien wir ruhig ehrlich: Wer macht das schon? Zu seiner Beerdigung sehen wir uns wohl wieder. Und vermutlich gehen wir danach ja gemeinsam zu Renato, unserem Italiener. Leichenschmaus, eine wichtige Tradition. Einen Platz für den Freund werden wir aus Respekt freihalten.