Berlin. Der angeschlagene Handelskonzern gibt noch einmal Warenhäuser auf. Auch in Berlin verlieren viele Angestellte ihre Jobs.

Deutschlands letzter großer Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof will 16 seiner 92 Filialen schließen. Besonders stark betroffen ist Berlin. Gleich drei Kaufhäuser in der Hauptstadt werden schließen, wie Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus am Samstag bekanntgab. Dicht gemacht werden die Filialen in Spandau, in Tempelhof und im Ringcenter. Auch die Galeria-Filiale in Potsdam soll bald Geschichte sein. Das Haus ist seit einiger Zeit der einzige Standort des Handelskonzerns in Brandenburg. Die Filiale in Cottbus hatte im vergangenen Sommer zugemacht.

Reges Treiben herrscht am Samstagmittag in der Spandauer Altstadt. Die Sonne lockt viele nach draußen. Die Menschen laufen an der Karstadt-Filiale vorbei. Einige bleiben stehen. Verwundert. Denn der Eingang ist verschlossen. So manche rütteln sogar an den Türen. „Aufgrund einer Mitarbeiterversammlung bleibt unsere Galeria Filiale heute geschlossen. Wir freuen uns, Sie am Montag den 29. April wieder wie gewohnt begrüßen zu dürfen“, steht auf einem kleinen Plakat das am Eingang hängt.

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Galeria Karstadt Kaufhof: Schließung „Hiobsbotschaft“ für Spandauer Altstadt

Doch auch das wird nicht von Dauer sein. „Ich habe es heute Morgen im Radio gehört, dass die Karstadt-Filiale schließen soll“, so die 87-jährige Erika. „Nun gibt es in der Spandauer Innenstadt endgültig nichts mehr zum einkaufen. Das ist wirklich nicht in Ordnung.“ Vor allem für Unterwäsche und eine bestimmte Sorte Lindt-Schokolade sei sie regelmäßig im Karstadt einkaufen gegangen.

Andere reagieren wesentlich ungehaltener: „Die Altstadt geht unter. Ist ja alles schon vergammelt“, ärgert sich Horst. Es sei eine Hiobsbotschaft. „Das Kaufhaus besteht seit 1965“, so der 86-Jährige, schüttelt verzweifelt den Kopf .„Wir hoffen auf Unterstützung vom Bezirksamt. Ich habe schon überlegt, ob ich eine Unterschriftenaktion starten soll“, fügt seine Frau Erika hinzu. „Wir haben ganz schlechte Einkaufsmöglichkeiten ins Spandau. Das ist für Rentner echt problematisch. Der Karstadt ist der Mittelpunkt der Altstadt.“

Auch Barbara Weller ist heute zum Karstadt in der Spandauer Innenstadt gekommen. Bis zu ihrer Rente 1997 hat sie mehr als 10 Jahre in der Filiale im Personalbüro gearbeitet, erzählt sie. Sie habe vor allem Mitleid mit dem Personal: „Ich muss an die Mitarbeiter denken, was nun auf die zu kommt. Es sind sicher viele ältere unter ihnen.“

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Dagmar und Rainer hatten die drohende Schließung bereits befürchtet. Wir haben es geahnt, weil keine neue Ware mehr gekommen ist“, so Dagmar. „Wir hatten wirklich gehofft, dass die Filiale in Spandau offenbleibt. Junge Leute bestellen online, aber wir alten Menschen kommen gerne hier her.“

Galeria Karstadt Kaufhof: Auch Spandaus Bezirksbürgermeister reagiert auf Aus

Albrecht Lothar sieht auch Verantwortung bei den Politikern. Sie müssten die Innenstädte so gestalten, dass Menschen sich dort aufhielten, sagt der 81-Jährige. „Dat ist nicht mehr Spandau. Früher war hier Fachgeschäft an Fachgeschäft. Und jetzt schließt auch noch der Karstadt. Dat Geschäft kenne ich seit 60 Jahren. Im Grunde genommen können sie die Innenstadt dicht machen“, ärgert er sich.

Spandaus Bezirksbürgermeister Frank Bewig (CDU) nannte die Schließung einen herben Schlag für die Beschäftigten, aber auch eine traurige Nachricht für Spandau. Das Kaufhaus sei „ein wesentlicher Anker in der Altstadt“. Bewig reagierte aber auch mit Verärgerung und Unverständnis. „Spandau ist ein wachsender Bezirk, die Altstadt wird in den nächsten Jahren saniert und damit auch ein attraktiver Standort für Besucherinnen und Besucher und damit auch für Kundinnen und Kunden“, erklärte der CDU-Politiker. Sofern der Karstadt tatsächlich geschlossen wird, wäre das „eine vertane Chance, einen Zukunftsort in Spandau zu schaffen, der sich wirtschaftlich rechnen würde“. Bewig kündigte deshalb den Versuch an, Anfang der Woche mit dem neuen Eigentümer in Kontakt zu treten und sich für die nächsten Schritte mit den Kolleginnen und Kollegen von Karstadt abzustimmen.

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Von den rund 12.800 Menschen, die das Unternehmen in Deutschland beschäftigt, sollen 11.400 ihren Job behalten. 1400 würden gehen müssen, hieß es. Zuletzt hatte Denkhaus bereits angekündigt, dass in der Konzernzentrale in Essen die Hälfte der 900 Arbeitsplätze abgebaut werden soll. Neue Eigentümer für Galeria wurden vor einigen Wochen gefunden. Danach hieß es, sie wollten maximal 22 Filialen nicht übernehmen.

US-Konsortium soll Galeria Karstadt Kaufhof übernehmen

Der Warenhauskonzern hatte Anfang Januar einen Insolvenzantrag gestellt. Es ist die dritte Insolvenz innerhalb von dreieinhalb Jahren. Als Grund für die schwierige Lage nannte Galeria-Chef Olivier Van den Bossche damals unter anderem die Insolvenzen der Signa-Gruppe des bisherigen Eigentümers René Benko. Deren Schieflage hatte unmittelbare Auswirkungen: Finanzmittel für die Sanierung der Warenhauskette, die im Zuge der vorherigen Insolvenz von Benko zugesagt worden waren, flossen nicht mehr.

Van den Bossche und Denkhaus gaben im Januar die Suche nach einem neuen Eigentümer und den Erhalt von Galeria als Ziele aus. Das Unternehmen verhandelte daraufhin nach eigenen Angaben mit mehreren potenziellen Investoren. Seit Anfang April ist bekannt, dass ein Konsortium aus der US-Investmentgesellschaft NRDC und der Gesellschaft BB Kapital SA des Unternehmers Bernd Beetz die Kaufhauskette übernehmen will.

Noch ist unklar, mit welchem Konzept der Handelskonzern wieder nach vorn gebracht werden soll und in welchem Umfang die neuen Eigentümer in das Geschäft investieren. Insolvenzverwalter Denkhaus will bis Ende April den Insolvenzplan für den Eigentümerwechsel vorlegen. Die Gläubiger kommen am 28. Mai in der Messe Essen zusammen, um darüber abzustimmen. Rechtskräftig ist der Plan erst, wenn die Gläubigerversammlung ihn annimmt und dieser anschließend vom Gericht erneut bestätigt wird. Bis Ende Juli will Denkhaus das Unternehmen an die neuen Eigner übergeben.

mit dpa