Grünheide. Die Gigafactory in Grünheide könnte ein Beispiel für Deutschland sein. Aber auch das Gegenteil: ein Fremdkörper in Brandenburg.

Mangelndes Engagement kann man Elon Musk nicht vorwerfen. Da kommt der Firmenchef mal eben aus Texas für eine Stippvisite ins brandenburgische Grünheide geflogen, um nach dem Rechten zu sehen. Fährt zu Techno-Musik auf dem Firmengelände ein, betritt mit dem eigenen Sohn auf den Schultern die Bühne. Und lässt sich von seinen Angestellten feiern. Auf dem Firmengelände ist dann für einen kurzen Moment die E-Auto-Welt wieder in Ordnung.

Tatsächlich aber ist bei Tesla in Grünheide natürlich nichts in Ordnung, deswegen kommt Musk überhaupt nach Deutschland. Der Ausbau des Werks ist durch eine Bürgerbefragung gefährdet, der Wald ist von Tesla-Gegnern besetzt und linke Terroristen haben mit einem Brandanschlag die Stromversorgung unterbrochen, sodass (laut Tesla) ein dreistelliger Millionenbetrag verloren gegangen ist. Musk will sich ein Bild machen vor Ort. Und es ist kein Gutes.

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Dabei fing die Geschichte so gut an. Baustart der Giga-Factory war Anfang 2020, schon zwei Jahre später war das Werk fertig. Sehr ungewöhnlich für Deutschland wurde das Projekt in Rekordzeit realisiert, Tesla konnte von Fördergeldern profitieren und auch von der Nähe zu Berlin. Und jetzt? Pläne für die Erweiterung des 300 Hektar großen Geländes um weitere 100 Hektar gibt es bereits seit Mitte 2022. Und Elon Musk sieht sich auf einmal mit einer deutschen Widerstandskultur konfrontiert, mit der er vermutlich nie gerechnet hätte.

Unkonventionell oder unmöglich

Tesla-Chef Elon Musk (2.v.l) verlässt am Mittwoch die Tesla Gigafactory Berlin-Brandenburg. Nach einem Anschlag auf die Stromversorgung des Elektroautobauers Tesla ist das Werk nach einem tagelangen Stromausfall wieder am Netz.
Tesla-Chef Elon Musk (2.v.l) verlässt am Mittwoch die Tesla Gigafactory Berlin-Brandenburg. Nach einem Anschlag auf die Stromversorgung des Elektroautobauers Tesla ist das Werk nach einem tagelangen Stromausfall wieder am Netz. © dpa | Sebastian Gollnow

Nun ist Tesla ja nicht irgendein Konzern. Bei dem Werk in Grünheide handelt es sich um die erste und größte E-Auto-Fabrik eine US-Unternehmens in Europa. Das Werk wurde auf unkonventionelle Art sehr schnell gebaut und wie ein riesiger Fremdkörper in den Brandenburger Wald gepflanzt. Es ist schon fast verwunderlich, dass erst jetzt eine Gegenbewegung einsetzt.

Tesla könnte ein Vorbild sein für die Energiewende, und auch für die Art, wie in Deutschland Großprojekte geplant und gebaut werden. Allerdings ist Elon Musk nicht nur als ein unkonventioneller Manager bekannt, sondern auch als knallharter Geschäftsmann, der mit Mitarbeitern, Sozialstandards und anderen Gepflogenheiten nicht gerade zimperlich umgeht.

Tesla-Chef Elon Musk brachte am Mittwoch seinen Sohn  X Æ A-XII mit nach Grünheide.
Tesla-Chef Elon Musk brachte am Mittwoch seinen Sohn  X Æ A-XII mit nach Grünheide. © dpa | Carsten Koall

Musk hat erkannt, dass das auch schnell nach hinten losgehen kann. Tesla hatte bereits angekündigt, seine krude Kommunikation verbessern zu wollen. In Grünheide versprach Musk am Mittwoch jährliche Lohnanpassungen — um gleich dazuzusagen, einen Tarifvertrag aber brauche man nicht. Diese Rechnung wird nur aufgehen, wenn Tesla als Unternehmen und Arbeitgeber für Beschäftigte attraktiv ist. Elon Musk darf gerne unkonventionell bleiben, das kann Deutschland nur guttun. Wir bemängeln ja oft, dass hierzulande die Dinge zu bürokratisch sind, obendrein fehlt es an Personal. Von der Verwaltung bis zu Bauvorhaben, die Liste ist lang.

Vielleicht also kann Elon Musk der Berliner Verwaltung mal Tipps geben, wie wir in Berlin wieder die Online-Terminvergabe bei den Bürgerämtern in Gang bekommen? Wäre ja schön. Da könnten unkonventionelle Ideen womöglich helfen. Musk aber hat bewiesen, dass er unkonventionell das Unmögliche erreichen kann. Die Gigafactory in Grünheide kann deshalb ein Beispiel für Deutschland sein. Aber auch das Gegenteil: Ein Fremdkörper im brandenburgischen Wald.

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