Berlin. Vattenfall legt mit viel Prominenz (Vizekanzler Robert Habeck) den Grundstein für eine Großwärmepumpe am „Energiedreieck“ Ruhleben.

Der Meilenstein für die Wärmewende in Berlin und ganz Deutschland ist so bedeutend, dass der deutsche Wirtschafts- und Energieminister Robert Habeck (Grüne) am Dienstagmorgen nach Spandau kam. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner und Umweltsenatorin Manja Schreiner (beide CDU) ließen sogar die turnusmäßige Senatssitzung aus.

Die Vattenfall Wärme AG, die das Land Berlin in wenigen Wochen übernehmen wird, legte am Spreeufer auf dem Gelände des bestehenden Kohle- und Gaskraftwerks Reuter West den Grundstein für Großwärmepumpen in industriellem Maßstab, die in Deutschland und Europa ihresgleichen suchen. Sie nutzen das bereits gesäuberte Abwasser aus dem am anderen Flussufer gelegenen Klärwerk der Berliner Wasserbetriebe und machen daraus Fernwärme.

Dienstag in Berlin-Spandau: Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, kommt zur Grundsteinlegung für ein Energieprojekt am Standort vom Heizkraftwerk „Reuter West“.
Dienstag in Berlin-Spandau: Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, kommt zur Grundsteinlegung für ein Energieprojekt am Standort vom Heizkraftwerk „Reuter West“. © DPA Images | Jens Kalaene

Vattenfall-Chef: „Damit dekarbonisieren wir auf einen Schlag 80.000 Haushalte“

„Damit dekarbonisieren wir auf einen Schlag 80.000 Haushalte“, sagte Vattenfall-Wärme-Chef Christian Feuerherd. Die Großwärmepumpen, die Siemens Energy in Schweden baut, werde 75 Megawatt Leistung bringen. Projektleiter Timo Paul nannte die Größe der Anlagen die eigentliche Herausforderung. „In diesem Maßstab ist das die erste Anlage, auf dem Markt gab es so etwas noch nicht“, so der Ingenieur.

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Dazu erneuert Vattenfall die 40 Jahre alte Dampfturbine, die seit Jahren Strom und Wärme aus der ebenfalls am Südufer der Spree liegenden Müllverbrennungsanlage der Berliner Stadtreinigung (BSR). Beide Systeme werden im gleichen Gebäude auf 1600 Quadratmetern Grundfläche untergebracht. Die Leitungen zum Klärwerk werden über die bestehende Brücke über den Fluss geführt. 200 Millionen Euro investiert der demnächst landeseigene Berliner Fernwärme-Betrieb in das neue System im neuen „Energiedreieck“ in Spandau. BSR-Chefin Stephanie Otto sagte, sieben Prozent der Berliner Haushalte werde bereits aus der Verbrennung nicht anders verwertbarer und nicht vermeidbarer Haus-Abfälle mit Wärme versorgt. Künftig sollen zehn Prozent der Fernwärme aus der Müllverbrennung kommen und ein Viertel aus Großwärmepumpen.

Der Vorstandsvorsitzende von Vattenfall, Christian Feuerherd, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Kai Wegner, Regierender Bürgermeister von Berlin (v.l.).
Der Vorstandsvorsitzende von Vattenfall, Christian Feuerherd, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Kai Wegner, Regierender Bürgermeister von Berlin (v.l.). © FUNKE Foto Services | Sergej Glanze

Der Strom aus der Müllverbrennungsanlage kann genutzt werden, um das zwischen 13 und 27 Grad warme Abwasser auf die für die Fernwärme benötigten 95 Grad zu bringen. So ist das System auch bei niedrigen Temperaturen zu nutzen und somit Grundlast-fähig. Man braucht also keine Gaskraftwerke als Reserve für den Winter. 2026 soll die saubere Wärme geliefert werden. Im Sommer, wenn es vor allem um warmes Wasser für die Kunden geht, könne die Anlage allein den gesamten Berliner Westen versorgen, sagte Feuerherd.

Habeck begeistert: „Der Höhepunkt meiner Woche“

Habeck zeigt sich begeistert. „Das ist der Höhepunkt meiner Woche“, sagte der für die Energiewende zuständige Minister. Der Standort zeige, was man ganz lange beredet habe. „Wir nutzen die Wärme, die sowieso da ist. Jetzt geht es richtig los mit der Wärmewende“, sagte Habeck.

Wegner sagte, Reuter West sei ein „absoluter Zukunftsstandort für unsere Stadt“. Das Vorhaben habe Vorbildcharakter für das ganze Land. „Wenn es in Berlin funktioniert, kann es überall funktionieren“, sagte der Regierende Bürgermeister. Er bekannte sich zu dem Ziel, Berlin vor 2045 klimaneutral zu machen. Deshalb sei es unerlässlich, die 40 Prozent der Berliner Kohlendioxid-Emissionen zu vermeiden, die bisher noch die Fernwärme mit ihren Kohle- und Gaskraftwerken verursacht.

Für den Betreiber des Berliner Fernwärmenetzes ist der Ausbau des Standortes Reuter West mit den Partnern Wasserbetriebe und BSR das wichtigste einzelne Transformationsprojekt. Dort steht bereits Deutschlands größte Power-to-Heat-Anlage, die aus sonst nicht genutzten Windstrom Wasser für die Fernwärme erhitzt. Daneben steht der riesige Wassertank, der eine Menge heißen Wassers lagern kann, die der Hälfte des Fernwärmewassers im Westberliner Netz entspricht. Neben den neuen Wärmepumpen soll zudem ein neues Biomasse-Kraftwerk entstehen.

Nutzung von Abwasser an weiteren Standorten nicht möglich

Die Nutzung von Abwasser aus Klärwerken für Berlins Fernwärme ist aber an weiteren Standorten nicht möglich. Die anderen Klärwerke liegen zu weit außerhalb der Stadt und damit zu weit weg vom Fernwärmenetz, um die Abwärme in Berlin nutzen zu können. Aber auch die Wasserbetriebe sollen nach den bisherigen Plänen fünf Prozent der Fernwärme liefern, sagte BWB-Chef Christoph Donner. Das werde aber neben der Spandauer Anlage aus Abwasserkanälen geschehen.

17 solcher Projekte gibt es bereits, schon heute werden unter anderem das Ikea-Haus an der Landsberger Allee und die Schwimmhalle am Sachsendamm aus Abwasserkanälen erwärmt. Auch für das Haus der Statistik am Alexanderplatz und den geplanten Siemens-Campus an der Spandauer Nonnendammallee ist der Abwasserkanal die Wärmequelle der Wahl.

Vattenfall Wärme plant nach Angaben der Transformationsmanagerin Heike Tauber weitere große Investitionen, um die Wärmewende in der Stadt voranzubringen. So wird das Gaskraftwerk Charlottenburg am Spreeufer hinter dem Bezirksrathaus modernisiert und für Wasserstoff nutzbar gemacht. Das ist auch für das Kraftwerk Klingenberg am Rummelsburger See in Lichtenberg geplant, wo auch ein weiteres Biomasse-Kraftwerk entstehen soll. Am Standort Marzahn baut die Fernwärme eine digitale Leitwarte, um das durch die vielen kleineren Einspeiser immer komplexer werden System zu steuern. In Marzahn wird auch nach tiefer Geothermie gebohrt. Das dort geförderte warme Wasser kann dort direkt ins Fernwärmenetz gespeist werden.