Berlin. Im Internet kursierte das Gerücht, dass ein Mann die Eisbärin Hertha mit Pfeil und Bogen erschießen will. Was dahinter steckt.

Für die vielen Fans der Eisbären im Berliner Tierpark war es ein Schock. Am Montag wurde die kommentierte Fütterung der 14-jährigen Bärendame Tonja und ihrer fünf Jahre alten Tochter Hertha, der sogenannte Eisbärentalk, kurzfristig und ohne die Angabe von Gründen von dem Zoo in Lichtenberg abgesagt. Und nicht nur das. Auch der gesamte Bereich um das Eisbärengehege herum wurde weiträumig mit Zäunen abgesperrt. Schnell kam in den sozialen Medien daher Sorge um die beliebten Tiere auf. „Hoffe, Hertha und Tonja geht es gut“, schrieb eine Nutzerin auf Instagram. „Hoffentlich nichts Schlimmes“, eine andere.

Lange sah es aber genau danach aus. Denn im Internet kursierte das mittlerweile wieder gelöschte Video eines verpixelten Mannes mit Sturmhaube und Sonnenbrille. Mit verzerrter Stimme hatte er vor dem Eingang des Tierparks angekündigt, die Eisbärin Tonja mit Pfeil und Bogen erlegen zu wollen. „Ich werde der erste Typ sein, der einen Eisbären in Europa erschießt“, sagte der Mann auf Englisch und deutete auf seine archaisch anmutenden Waffen. „Ich werde Geschichte schreiben.“ Die Witterungsbedingungen ließen auf eine Aktualität des Clips schließen. Bei dem Protagonisten scheint es sich dabei um dieselbe Person zu handeln, die bereits in der vergangenen Woche in einem Jäger-Chat auf Telegram darüber fabulierte, die Eisbärin zu töten.

Angeblich habe er das bereits zuvor mit anderen Polarbären auf genau dieselbe Art und Weise bei bezahlten Jagdtouren in der Arktis getan. Screenshots der Chatgruppe liegen der Berliner Morgenpost vor. Auch einen Eisbärenschädel präsentierte der Jäger, angeblich selbst im Polarkreis erlegt. Zudem mehrere Videos, die er bereits im Tierpark von Hertha aufgenommen haben muss.

Berliner Polizei nahm Drohvideo zunächst ernst

Demnach schrieb der User unter dem Decknamen „Steve Jobbs“ und in gebrochenem Deutsch über den Tierpark: „Ich habe beschlossen jagen zu gehen“. Und: „... ich habe mit meinem Pfeil und Bogen schon alles erkundet. Es ist sehr einfach. Und ich hole mir den Schädel von Hertha.“ Er habe gar eine Lizenz dafür. Eine wirre Ankündigung, die bei den anderen Mitgliedern der Gruppe für Entsetzen sorgte. Sie warfen ihn kurzerhand aus dem Chat. Ein Hilferuf aus dem Jäger-Treff landete anschließend in dieser Redaktion.

Auch die Berliner Polizei nahm die Drohung zunächst ernst. Nach Bekanntwerden des Videos am Montag wurden Ermittlungen wegen des Verdachts auf „Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten und wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz“ eingeleitet. Nur der Tierpark selbst, der reagierte merkwürdigerweise überhaupt nicht auf Nachfragen - trotz der Gehegesperrung und der Absage des Eisbärentalks. Weder per E-Mail noch per Telefon.

Drohvideo soll PR-Gag für den Schutz von Eisbären gewesen sein

Nun scheint sich herauszukristallisieren, warum. Nach Morgenpost-Informationen handelte es sich bei der Eisbären-Drohung die ganze Zeit über lediglich um einen geschmacklosen PR-Gag im Namen des Tierschutzes. Scheinbar sollte die Aktion auf die weltweite Bedrohung von Eisbären und auf eben jene Polar-Jagdtouren aufmerksam machen, von denen der angebliche „Steve Jobbs“ im Telegram-Chat so stolz erzählt hatte. Hintergrund könnte der Welteisbärentag sein, der jährlich am 27. Februar begangen wird. Sollte es tatsächlich eine Kampagne sein, so wurde diese allerdings schon vor mindestens einer Woche in die Wege geleitet.

Die Berliner Polizei jedenfalls sieht mittlerweile keine strafrechtliche Relevanz mehr in dem Video und hat die Ermittlungen eingestellt. Ob und inwiefern der Tierpark Berlin in diese Aktion mit einbezogen war, blieb am Dienstag unklar. Auf eine Anfrage der Berliner Morgenpost antwortete der Zoologische Garten zwei Tage lang nicht.

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Bei Tonya und Töchterchen Hertha handelt es sich zum zwei der beliebtesten tierischen Stars des Tierparks Berlin. Ungeachtet dessen, dass Hertha, die am 1. Dezember 2018 im Park geboren wurde, das Ergebnis einer unwissentlichen Inzucht ist. Das hatte der Tierparkchef Andreas Knieriem im Mai 2021 bekannt gegeben. Die Eltern des Publikumslieblings sind Geschwister. Der Eisbärenmutter Tonja waren im Zoo Moskau nach ihrer Geburt 2009 falsche Papiere zugeordnet worden. Dass Mutter Tonja mit einem anderen Männchen wieder zusammenkomme, sei aber laut Europäischem Erhaltungszuchtprogramm nicht ausgeschlossen, sagte der Veterinärmediziner Knieriem.

Eisbärenzucht ist mit einigen Schwierigkeiten verbunden

Tonja sei eine sehr gute Eisbärenmutter. Zunächst aber sollen Hertha und Tonja so lange wie möglich zusammenbleiben. „Die verstehen sich sehr gut, das sind eher Freundinnen geworden“, sagte der Zoo- und Tierparkdirektor. „Zeigen sie aber an, sie wollen getrennte Wege gehen, dann werden wir das neu organisieren.“ Ein Fernziel sei es, zwei Anlagen für Eisbären zu haben, damit man Tiere auch trennen könne.

Im Berliner Zoo leben dagegen keine Eisbären mehr. An Heiligabend 2021 war Eisbärin Katjuscha im Alter von 37 Jahren gestorben. Schon seit einigen Jahren hatte sie Probleme mit dem Herzen. Nach Auskunft des Zoos war das Tier die älteste Eisbärin Europas. Im natürlichen Lebensraum werden Eisbären maximal 25 bis 30 Jahre alt. Mit Katjuschas Tod ist die Anlage verwaist. „Wir wünschen uns natürlich, dass es im Zoo wieder Eisbären zu sehen gibt“, sagte Sprecherin Christiane Reiss damals.

Denn die Eisbären-Zucht war in den vergangenen Jahren nicht einfach. Mehrere Jungtiere von Tonja überlebten nicht – darunter der kleine Fritz, der 2017 überraschend an den Folgen einer Leberschädigung starb. Ein Publikumsliebling im Zoo war der 2006 geborene

Er starb später an einer Gehirnentzündung.