Berlin. Die Unterbringung der vielen Geflüchteten stellt Berlin vor gewaltige Probleme. Ein erfahrener Krisenmanager soll es nun richten.

Der Senat hat am Dienstag den erfahrenen Krisenmanager Albrecht Broemme zum Koordinator für Flüchtlingsangelegenheiten ernannt. „Ich freue mich, dass wir Albrecht Broemme dafür gewinnen konnten“, sagte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) nach der Berufung.

Broemme soll alle Fragen und Probleme rund um die Unterbringung von Flüchtlingen zwischen allen Beteiligten koordinieren. Im Vordergrund soll dabei vor allem stehen, dezentrale Unterkünfte einzurichten, um die Großunterkünfte in Tegel und Tempelhof zu entlasten. „Zu seinen Aufgaben gehört auch, die Strukturen und Prozesse mit allen Beteiligten zu verbessern“, sagte Wegner. „Broemme hat immer wieder bewiesen, dass er ein Macher ist.“

Albrecht Broemme war von 1992 bis 2006 Chef der Berliner Feuerwehr und danach bis zu seiner Pensionierung Präsident des Technischen Hilfswerkes Deutschland. Schon bei der ersten Flüchtlingskrise 2015/2016 half er, die Situation in Berlin zu meistern. 2020 baute er die Corona-Impfzentren in der Stadt auf. Seit vergangenem Jahr ist er zudem im Auftrag des Senats mit der Unerbringung ukrainischer Kriegsflüchtlinge betraut.

Broemme wird auch die beiden Taskforces des Senats leiten

Der mittlerweile 70-jährige Broemme stand bereits seit Wochen mit dem Senat in Kontakt, bevor er für die erneute Herausforderung zusagte. „Man kann nicht Tausende Wohnungen herbeizaubern“, dämpfte Broemme am Dienstag allzu große Erwartungen in seine Arbeit. „Aber meine Erfahrung ist, wenn man mit den richtigen Menschen spricht, kann man viel erreichen.“ Broemme wird nach Wegners Angaben auch die beiden Taskforces zur Unterbringung der Flüchtlinge auf Senats- und auf Staatssekretärsebene leiten.

Die Flüchtlingskrise lässt sich aus Sicht Broemmes nur lösen, wenn das Problem als Ganzes angegangen werde. Neben der Frage der Unterbringung soll er sich auch um die gesundheitliche Betreuung und die Registrierung neu ankommender Flüchtlinge kümmern, die nach Möglichkeit in einer zentralen Clearingstelle an einem Standort untergebracht werden soll. Verhandlungen über einen geeigneten Standort laufen bereits, konkrete Angaben dazu wollte Wegner am Dienstag aber noch nicht machen. Es werde eine zeitnahe Entscheidung geben, kündigte der Regierende Bürgermeister an.

Ziel ist es, die beiden Großunterünfte in Tegel und Tempelhof nach Möglichkeit nicht bis zur vollständigen Auslastung zu belegen. 8000 Menschen auf Dauer in einer Großunterkunft wie Tegel unterzubringen, sei keine Lösung. Die Flüchtlinge seien dort zwar besser untergebracht als in ihren Herkunftsländern, aber das Unterkunftszentrum auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens sei von Anfang an nur als Zwischenstation konzipiert worden.

In Tegel sind derzeit 5000 Menschen untergebracht

Der Senat hatte zuletzt beschlossen, die Kapazitäten in Tegel und Tempelhof zu erweitern. In Tegel sollen insgesamt 4500 Plätze bereit stehen und zusätzlich 3500 Reserveplätze. Davon sind knapp 5000 aktuell belegt. In Tempelhof sollen auf einem Areal von 14 Hektar am Columbiadamm zusätzliche Container aufgestellt werden. Wie viele, steht nach Angaben des neuen Koordinators Broemme noch nicht fest. Das hänge davon ab, ob mit ein- oder zweistöckigen Unterkünften geplant werde. Die Flächen sollen als Vorhaltefläche bereit stehen. Wegner geht jedoch davon aus, dass sie auch tatsächlich genutzt werden müssen.

Derzeit leben 1378 Flüchtlinge auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof.
Derzeit leben 1378 Flüchtlinge auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof. © dpa | Lena Lachnit

Die dort ansässigen Sportvereine sollen keine Flächen verlieren, die Sportplätze aber für Flüchtlinge geöffnet werden, kündigte Wegner an. Derzeit sind in den Hangars und auf ehemaligen Parkplätzen 1378 Flüchtlinge untergebracht. 3000 Flüchtlinge leben in Hotels und Hostels. Für sie sollen perspektivisch neue Unterkünfte in Tempohomes und Wohnungen geschaffen werden. Die Mietverträge laufen Ende März aus, damit die Einrichtungen über den Sommer wieder Touristen empfangen können..

„Wir müssen eine Politik nach den Realitäten machen, Wunschdenken hilft nicht weiter“, rechtfertigte Wegner die Pläne für Tegel und Tempelhof. Er sei kein Freund der Großunterkünfte, angesichts der aktuellen Zahlen bliebe der Stadt jedoch keine andere Wahl.

Die Zahlen der Asylsuchenden haben in den vergangenen Monaten wieder zugenommen. Nach Angaben von Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) haben seit Beginn des Jahres 15.000 Menschen in Berlin Asyl beantragt. Das entspricht 35 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum (11.000). Allein in der vergangenen Woche sind 400 Asylsuchende im Ankunftszentrum in Reinickendorf angekommen.

Gleichzeitig haben sich 13.134 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zwischen Januar und Oktober dieses Jahres in Berlin registrieren lassen. Tatsächlich haben sich zwischenzeitlich deutlich mehr Menschen aus der Ukraine in der Stadt aufgehalten. Viele von ihnen sind nach der Ankunft in Berlin weitergereist oder haben sich nicht registrieren lassen.

Wie sich die Zahlen in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln werden, lässt sich nach Angaben der Sozialsenatorin nicht vorhersagen, „Die Prognose für dieses Jahr war im Sommer obsolet, weil sich die Zahlen vervierfacht haben“, sagte Kiziltepe. Ziel bleibe es aber, das Ankunftszentrum in Tegel Ende kommenden Jahres zu schließen.

Auf dem Gelände soll in den kommenden Jahren die „Urban Tech Republic“ entstehen, ein Modell-Quartier für modernes Wohnen und Leben. Außerdem soll die Hochschule für Technik in das ehemalige Terminal des Flughafens einziehen und die Feuerwehr eine neue Schule erhalten.