Berlin. Bade-Randale, Müll und gefährliche Uferabschnitte – Ein Gutachten kommt zum Schluss, dass sich vieles am Flughafensee ändern muss.

Er ist mit 34,4 Metern der tiefste See Berlins, einer der schönsten und hat meist die beste Wasserqualität: Der Flughafensee im Tegeler Grundwasserschutzgebiet am Forst Jungfernheide ist ein Bade- und Naturparadies. Auf der einen Seite. Doch auf der anderen Seite ist er eben auch Teil der Stadt, liegt direkt zwischen Justizvollzugsanstalt, ehemaligem Flughafen, wo noch bis voraussichtlich 2029 die Hubschrauberstaffel der Bundeswehr ihren Platz hat. Auch wenn der Ölfilm, der manchmal zu TXL-Zeiten auf dem Wasser trieb, längst der Geschichte angehört, kommt das Paradies auch heute noch in direkten Kontakt mit der harten Realität.

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„Abrutschende Böschung“ und beschmierter Toilettencontainer

Dem See-Besucher fallen als erstes die seit Jahren gesperrte Aussichtsbrücke am Nord-Ost-Ende oder die Warnschilder „Abrutschende Böschung“ auf. Immerhin riecht der Toilettencontainer weniger streng, als man es angesichts seines Aussehens erwarten würde.

Ein Großteil des Ufers ist Vogelschutzreservat unf für Besucher nicht zugänglich.
Ein Großteil des Ufers ist Vogelschutzreservat unf für Besucher nicht zugänglich. © Dirk Krampitz

Anwohner regen sich immer wieder über zu viele Besucher auf, von denen einige das Sommer-Leben zu lang, zu laut und zu wild am Ufer genießen. Vom Bezirksamt Reinickendorf aufgehängte Plakate, die unter anderem campen, laute Musik und Wasserpfeife verbieten und mahnen: „Toilette benutzen“, helfen wenig.

Darum hat der Bezirk 2021 ein Entwicklungskonzept für den Flughafensee angeschoben und über die Jahre unter anderem mit Bürgerbeteiligung begleiten lassen. Nun liegen die Ergebnisse vor. Vor allem Freizeitnutzen und Naturschutz sollen behutsam koordiniert werden. Denn gut die Hälfte der Uferfläche von Westen über Süden nach Osten ist Vogelschutzereservat, eingezäunt und nicht zugänglich.

Böse Überraschung bei Analyse der Böschungen

Klingt ohnehin schon nach keiner einfachen Aufgabe, und dann brachte auch noch die Untersuchung der Uferböschungen der ehemaligen Kiesgrube eine böse Überraschung: Bei einer Analyse stellte sich heraus, dass einige Abschnitte im Norden und Osten nach Ende des Kiesabbaus nicht abgeflacht worden sind. Die so zurückgebliebenen Abbruchkanten sind womöglich nicht standsicher sind und müssen vor dem Betreten geschützt werden. Die bisherigen Schilder reichen nicht mehr. Sie sollen bald eingezäunt werden. Das Ende des Badebetriebs? „Die offiziellen Badestellen sind nicht betroffen, dort ist das Ufer ja flach“, gibt Bezirksstadträtin Korinna Stephan Teilentwarnung.

Der Flughafensee in Tegel Das Entwicklungskonzept samt Zielen für den Flughafensee und seine Umgebung liegt nun vor. Überraschende Erkenntnisse zum Zustand großer Teile der Uferböschung erfordern jedoch neue Grundsatzentscheidungen. <p/> <p/> <p/>
Der Flughafensee in Tegel Das Entwicklungskonzept samt Zielen für den Flughafensee und seine Umgebung liegt nun vor. Überraschende Erkenntnisse zum Zustand großer Teile der Uferböschung erfordern jedoch neue Grundsatzentscheidungen.

© Dirk Krampitz | Dirk Krampitz

Doch trifft das nur auf die hochoffiziellen Badestellen zu. Am Nordufer des Sees gibt es mehrere verschieden große, mit Sand aufgeschüttete öffentliche Badestrände aber eben auch einige gehölzbestandene, waldartige Bereiche, die eben auch stellenweise zum Baden aufgesucht werden.

Die FKK-Bader hämmern Hölzer in den Sand

Sogar auch unmittelbar neben der FKK-Stelle steht ein Böschungs-Warnschild. Bei den Nudisten muss man sich immer wieder auf seine gute Erziehung konzentrieren, um die nackten Hobbyhandwerker nicht dabei anzustarren, wie sie Holzpflöcke in den Boden hämmern, um ihre Treppen in der Böschung in Eigenarbeit zu stabilisieren. Für sie sind die Schilder Normalität. Eine zufällige Spaziergängerin mittleren Alters behauptet sogar: „Die stehen hier schon seit ich Kind war, hier bricht nüscht.“

Der FKK-Bereich ist mit Holdpflöcken befestigt, gleich links daneben steht auch ein Warnschild..
Der FKK-Bereich ist mit Holdpflöcken befestigt, gleich links daneben steht auch ein Warnschild.. © Dirk Krampitz

Der Flughafensee entstand in den Jahren 1953 bis 1978 und wurde zum Lieblingssee nicht nur der Nordberliner. Aber mittlerweile ist er in die Jahre gekommen. Nach Regen gibt es tiefe Pfützen auf den Sandwegen, die Fahrradständer sind zugewuchert, viele Zäune sind nur noch Wracks. Er wirkt etwas vernachlässigt.

Mehr als 10.000 zusätzliche Einwohner auf dem ehemaligen Flughafen

Aber durch die Bebauung des benachbarten Geländes des ehemaligen Flughafen Tegel werden mehr als 10.000 Menschen zusätzlich in die Nachbarschaft ziehen. „Wir haben den See nicht vernachlässigt“, sagt Bezirksstadträtin Stephan, „aber der zu erwartende Zuzug übt natürlich auch einen großen Handlungsdruck aus.“

Die Abbruchkante werde schnellstmöglich geprüft, kündigt Stephan an. Doch eventuell beginnen mit dem Erhalt der Endergebnisse dann erst die wirklichen Probleme. „Falls man dort sanieren muss, zieht das laut Stephan „gigantische Kosten, die der Bezirk ganz sicher nicht aufbringen kann“, nach sich. Offiziell gehört der See noch der Bundesrepublik Deutschland, die allerdings eine Übernahme durch den Bezirk anstrebt.

Dabei hatte Stephan mit dem See eigentlich mehr vor als Reparaturmaßnahmen. Als die Bezirksstadträtin noch die Verantwortung für Umwelt im Bezirk hatte, hat sie eine sogenannte Retentionsanlage auf den Weg gebracht, damit das Regenwasser von den Straßen nicht mehr wie bisher ungesäubert in den Schäfer- und den über den Schwarzen Graben verbundenen Flughafensee fließt. Sie will die Barrierefreiheit verbessern, Lärmbelästigung, Vandalismus beseitigen und das Bade-, Freizeit- und Naturerlebnis insgesamt verbessern.

Die gelben Plakate des Bezirksamtes verbieten u.a. campieren, grillen, Shishas und laute Musik.
Die gelben Plakate des Bezirksamtes verbieten u.a. campieren, grillen, Shishas und laute Musik. © Dirk Krampitz

„An einer Bewirtschaftung führt nichts vorbei“

Von Bürgern wurden bessere Toiletten, Duschen, Umkleiden und auch ein Kiosk gewünscht. Darum und auch wegen der Sicherheit, Ordnung und des Naturschutzes steht als Ergebnis des Gutachtens und für Stephan fest: „An einer Bewirtschaftung der Badestelle führt nichts vorbei.“ Also kostet das Baden im Flughafensee künftig Eintritt? „Bewirtschaftung muss nicht zwingend heißen, dass es Eintritt kostet“, sagt Korinna Stephan. Und selbst wenn gebe es ja auch noch soziale Eintrittsregelungen.

Der Bezirk wünscht sich eine Bewirtschaftung ohne Kosten für die Besucher. Durchgespielt wurden im Gutachten zwei Szenarien. Einmal unter der Zuständigkeit des Straßen- und Grünflächenamts, ein anderes Mal unter den Berliner Forsten. Am Ende kommt das Gutachten allerdings zu einem ganz anderen Fazit: „Für den Flughafensee ist in Zukunft nach eine:r Dritten, sicheren Akteur:in Ausschau zu halten, welche:r die Kraft hat, die besondere Aufgaben vor Ort zu lösen.“

Was den Zeitrahmen angeht, ist Stephan pessimistisch-realistisch: „Das wird nicht schnell gehen – wir brauchen jetzt eine Grundsatzklärung, da sind wir als ganzes Bezirksamt gefragt, um das in dieser verbleibenden Legislaturperiode noch klären zu können.“ Zunächst kann also völlig frei weitergebadet werden – allerdings im eigenen Interesse nur an den offiziellen, flachen Uferstellen.

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