Berlin. Kongressraumschiff und Bierpinsel: Zusammen mit ihrem Mann Ralf Schüler schrieb die Berlinerin Architekturgeschichte.

Die Berliner Architektin Ursulina Schüler-Witte, die gemeinsam mit ihrem Mann Ralf Schüler mit ihren Bauten das Gesicht West-Berlins nach dem Zweiten Weltkrieg entscheidend mitprägte, ist tot. Die Architektin starb bereits im Mai im Alter von 89 Jahren, wie die Berlinische Galerie, das Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur, mit einer Traueranzeige erst am vergangenen Sonnabend bekannt machte.

Das Architektenpaar hatte nicht nur das Leben gemeinsam gestaltet, sondern auch zusammen Berliner Architekturgeschichte geschrieben. Ralf Schüler und Ursulina Witte lernten sich 1953 beim Architekturstudium an der Technischen Universität Berlin (TU) kennen und lieben.

Zusammen entwarfen die Eheleute ikonische Bauten der Pop-Art-Architektur

Gemeinsam entwarfen sie in den 1960er- und 1970er- Jahren im typischen Pop-Art-Stil knallbunte Bauten wie den U-Bahnhof Schloßstraße in Steglitz mit seinen blauen, gelben und orangefarbenen Wandelementen oder das ikonische orange-rote Turmrestaurant in Steglitz, besser bekannt als „Bierpinsel“. Sie schufen auch das Denkmal für Rosa Luxemburg am Landwehrkanal oder die Kuppel über der U-Bahnstation Nollendorfplatz. Nach der Wende bauten die beiden auch das Rathaus von Hellersdorf.

Ihr größtes und bedeutendstes Gebäude und zugleich ihr Hauptwerk ist jedoch das Internationale Congress Centrum (ICC) Berlin. Das in seiner Aluminiumhülle silberglänzende, futuristische „Raumschiff“ zwischen Messedamm und Stadtautobahn, war zu seiner Eröffnung eines der größten Kongresshäuser der Welt. Das 313 Meter lange, 89 Meter breite und fast 40 Meter hohe Gebäude hat in seinem Inneren Platz für 80 Säle und Räume von 20 bis zu 9100 Plätzen.

Zermürbende Diskussionen um die Zukunft des Kongresszentrums

Die langjährigen und zermürbenden Diskussionen auf Landesebene um die Bewahrung ihres Kongressdampfers vor baulicher Veränderung im Zuge einer seit Jahren immer wieder verschobenen Sanierung oder gar den ebenfalls von Teilen der Berliner Politik favorisierten Abriss hat Ursulina Schüler-Witte nach dem Tod ihres Mannes vor elf Jahren alleine weitergeführt. Dass der damalige Finanzsenator Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) noch kurz vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus im Sommer 2021 bekannt gab, dass die Mittel für die Weiterentwicklung des Kongresszentrums komplett gestrichen werden sollen, empörte Schüler-Witte, wie sie bei ihrem letzten Gespräch mit der Berliner Morgenpost vor einem Jahr sagte: „Es ist eine Schande für Berlin, dass das ICC weiterhin nicht genutzt wird.“

Nachlass des Architektenpaares verwahrt die Berlinische Galerie

Das ICC habe seine ausgesprochene Nützlichkeit bis heute nicht verloren, betonte die Architektin damals. Es könne auch weiterhin für Kongresse und alle anderen Arten von Veranstaltungen gebraucht werden. Darum sei es bis zu seiner Schließung 2014 auch stets ausgebucht gewesen. „Die Schuld an dem Leerstand liegt nicht am Gebäude mit all seinen Möglichkeiten“, stellte Ursulina Schüler-Witte klar, „sie liegt bei den politisch Verantwortlichen, die sich nicht rühren.“

Das ICC nimmt unter den 250 Gebäuden, die das Architektenpaar im Laufe seiner Berufstätigkeit entworfen hat, eine Sonderstellung ein. „Das ist wie bei Eltern, die ihrem Sorgenkind auch besondere Zuneigung entgegenbringen“, sagte Ursulina Schüler-Witte einmal. Wenn auch die Zukunft des ICC noch immer nicht gesichert ist, so sind es doch zumindest alle Entwürfe, Pläne und Modelle des kinderlosen Ehepaars: Zu seinem 80. Geburtstag am 26. Oktober 2010 hatte Ralf Schüler der Berlinischen Galerie sämtliche Dokumente überlassen.