Berlin. 47 Schülerzeitungen hatten sich an dem Wettbewerb beteiligt. Zwölf Redaktionen wurden ausgezeichnet.

Wer glaubt, Schüler interessieren sich heute nicht mehr besonders für Politik, der muss sich nur einmal verschiedene Schülerzeitungen anschauen. Die jungen Redakteure wagen sich an die ganz großen Fragen, beschäftigen sich damit, wie die Gesellschaft wohl im Jahr 2216 aussehen wird, greifen die Flüchtlingsbewegung auf, schreiben über die Arbeit der Politiker.

Die besten Schülerzeitungen Berlins sind am Mittwoch beim 15. Schülerzeitungswettbewerb im Roten Rathaus ausgezeichnet worden. Einen Extrapreis erhielt zum Beispiel die Schülerzeitung „Kolumbus News“ der Kolumbus-Grundschule in Reinickendorf für ihre Berichterstattung über Lokalpolitiker, deren Aufgaben sowie über die Arbeit eines Bezirksparlamentes. Die „Schlaufüchse“ von der Grundschule auf dem Tempelhofer Feld haben sich in ihrer prämierten Ausgabe mit dem Thema Flucht befasst und dafür den zweiten Preis in der Kategorie Grundschule bekommen. Die Jungredakteure haben Interviews mit Kindern aus den Willkommensklassen geführt, um ihren Mitschülern zu zeigen, wie es den Kindern aus Syrien, Sri Lanka und vielen anderen Ländern hier in Deutschland geht und was ihre Eltern zur Flucht bewogen hat.

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Aufgerufen zu dem Schülerzeitungswettbewerb unter dem Motto „Gut vernetzt“ hatten die Senatsverwaltung für Bildung, die Berliner Morgenpost und die Junge Presse Berlin. Insgesamt 47 Redaktionen haben ihre beste Ausgabe aus dem Jahr 2017 eingereicht.

Zum ersten Mal war auch eine Schülerzeitung darunter, die ausschließlich online zu lesen ist – die Zeitung der Pankower Kurt-Schwitters-Sekundarschule mit dem Titel „qurt“. Für ihre multimediale Berichterstattung, die fast jeden Tag aktualisiert wird, erhielt diese Schülerzeitung dann auch den ersten Preis in der Kategorie Sekundarschulen. „Bei uns gab es auch erst eine gedruckte Zeitung, aber wir fanden online passender für unsere Schülerschaft“, sagte Kundry Rymon, Mitbegründerin der Online-Zeitung.

Die neuen Medien spielen eine immer größere Rolle

Carsten Erdmann, Chefredakteur der Berliner Morgenpost, sagte zur Eröffnung der Preisverleihung, dass die neuen Medien heute existenziell für Zeitungsmacher seien. Auf seine Frage, wer von den Schülern denn ein Smartphone besitze, meldeten sich fast alle der rund 300 Teilnehmer der Preisverleihung. Das zeige deutlich, welche Rolle die digitalen Medien spielten, sagte Erdmann. „Wir müssen noch mehr tun, um attraktive Angebote zu entwickeln“, sagte der Chefredakteur und ermutigte auch die Schülerzeitungen, sich dieser Herausforderung zu stellen.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) betonte, dass Schülerzeitungen auch eine wichtige Rolle bei der Demokratieerziehung der Schüler spielten. „Beim Zeitungmachen setzen sich die Schüler mit Themen auseinander, die sie selbst, aber auch die Schulgemeinschaft interessieren könnten. Das hilft, einen eigenen Standpunkt zu finden und diesen auch zu formulieren“, sagte die Bildungssenatorin.

Johann Stephanowitz vom Verein Junge Presse Berlin bezeichnete Schülerzeitungen schließlich als überaus wichtig für den journalistischen Nachwuchs. Die Erfahrung, zusammen in einem Team ein Produkt herzustellen, zu lernen, wie Interviews gemacht werden, wie recherchiert wird, führe bei etlichen Schülern zu dem Wunsch, selbst einmal den Beruf des Journalisten zu ergreifen. Der Dachverband für junge Journalisten bietet den Schülerzeitungen Unterstützung bei Fragen und Workshops an.

Auch Ebru Tasdemir von den Neuen Deutschen Medienmachern, die einen Sonderpreis zum Thema „Normale Vielfalt“ ausgeschrieben hatten, äußerte sich erfreut über die Arbeit der jungen Redakteure. Sie lobte zum Beispiel einen Beitrag aus der prämierten Zeitung „Neues von The0“, in dem ein kurdischer Hochzeitssänger porträtiert wird.

Zum ersten Mal wurde in diesem Jahr auch ein Sonderpreis zum Thema „Gutes Essen in aller Munde“ von der Vernetzungsstelle Schulverpflegung ausgeschrieben. Die Auswahl war groß, denn in den Schülerzeitungen spielt das Essen eine große Rolle. Die Nachwuchsreporter beschäftigen sich nicht nur mit der Qualität ihres Schulessens, sondern auch mit Fragen etwa zur veganen Ernährung oder zu Essstörungen. Die Zeitung „Hertzschlag“ vom Heinrich-Hertz-Gymnasium in Friedrichshain hatte sogar ein ganzes Sonderheft zum Thema eingereicht.

Gewinner nehmen am bundesweiten Wettbewerb teil

Unter den Hauptpreisträgern fanden sich wieder viele alte Bekannte wieder. Den ersten Preis in der Kategorie Gymnasien gewann die Schülerzeitung des Heinz-Berggruen-Gymnasiums „OHnE“, die bereits in den vergangenen Jahren regelmäßig prämiert worden war.

Insgesamt konnten 2650 Euro an die Hauptpreisträger vergeben werden. Die Gewinner der ersten und zweiten Preise in den Hauptkategorien qualifizieren sich automatisch für den bundesweiten Schülerzeitungswettbewerb.

Grundschulen: Pralle Packung Schulleben in der „Liebigbox“

Die Liebigbox der Friedrichshainer Justus-von-Liebig-Grundschule gehörte schon in den vergangenen Jahren zu den Preisträgern. In diesem Jahr konnten sich die Reporter noch einmal steigern und den ersten Platz holen.

„Die Liebigbox bündelt in einem sehr ansprechenden Layout eine große und altersgerechte Themenvielfalt: Schulnachrichten, Reiseberichte, Interviews mit Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern und Senioren, Kulturtipps und eine sehr aufwendige und tolle Fotostory“, schreiben die Jurymitglieder des Schülerzeitungswettbewerbes in ihrer Laudatio. Dabei gehört die Liebigbox noch zu den Neulingen unter der Schülerzeitungen. Die erste Ausgabe erschien vor drei Jahren.

Das Redaktionsteam mit Schülerinnen und Schülern aus den vierten bis sechsten Klassen trifft sich im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft am Freitagnachmittag. Die Zeitung ist immer wieder eine bunte Überraschungsbox. Sie erscheint zwei Mal im Schuljahr und kostet dank Sponsoren nur 60 Cent. In der prämierten Ausgabe schreiben die Schüler über ihre Reisen nach Moskau und Frankreich, über Geocaching, über interessante Spiele, Filme oder Bücher. Besonders sind nicht nur die Texte, sondern auch die vielen tollen Zeichnungen, Comics und Fotos der Schüler.

Förderschule: Viele Interviews in der „ARS-Schülerzeitung“

Auch die ARS-Schülerzeitung der Adolf-Reichwein-Schule in Neukölln gehört nicht zum ersten Mal zu den Hauptpreisträgern in der Kategorie Förderschulen. Die in diesem Jahr zum Wettbewerb eingereichte Zeitung überzeugte die Jury einmal mehr: „Durch die Vorstellung von Schulprojekten, Arbeitsgemeinschaften, Schülerfirmen und Ausflügen geben sie einen tollen Einblick in den Alltag der Schule“, schreiben die Laudatoren. Besonderen Eindruck machten die vielen Interviews in dem Blatt.

Seit 18 Jahren gibt es die ARS-Schülerzeitung und es gelingt offenbar immer wieder, begabten Nachwuchs anzuheuern. Das Redaktionsteam mit Schülern aus den fünften bis neunten Klassen trifft sich ein Mal pro Woche nach dem Unterricht. Sie sammeln Ideen, recherchieren, schreiben und fotografieren. Dabei erhalten sie Unterstützung von Lehrern. Die Zeitung, die immer am Schuljahresende erscheint, kostet für Schüler einen Euro und für Mitarbeiter der Schule zwei Euro. Die Adolf-Reichwein-Schule ist eine Grund- und Sekundarschule mit dem sonderpädagogischen Förderschwerpunkt Lernen. „Praxisbezogen, handlungsorientiert und lebensnah“ lautet das Motto der Schule. Wer mehr über das Schulleben erfahren will, dem sei die Lektüre der Zeitung empfohlen!

Sekundarschule: „qurt.“ ist online, crossmedial und unabhängig

Zum ersten Mal in der Geschichte des Berliner Schülerzeitungswettbewerbs konnte die Jury eine reine Online-Zeitung prämieren. Unter dem Link www.qurt.news kann man nahezu täglich neue Beiträge in Form von Texten, Fotos, Videos oder Podcasts sehen oder hören.

Gegründet wurde die Zeitung der Kurt-Schwitters-Schule in Prenzlauer Berg am 1. Mai vergangenen Jahres als ein reines Schülerprojekt – „unzensiert“ und „unabhängig“, wie es in der Ankündigung hieß. Zuvor gab es Unstimmigkeiten in der bisherigen Schülerzeitung über zu viel Einfluss von Lehrern. Also beschlossen die Schüler, ihr ganz eigenes Medium zu schaffen. Gleichzeitig wollten die Schüler erstmals die alljährliche Projektwoche am Ende des Schuljahres komplett autonom organisieren.

Bei der Umsetzung spielte die neue Online-Zeitung eine wesentliche Rolle. Auch die Wahl der Schülersprecher wurde in zahlreichen Einträgen dokumentiert. So hat sich die Zeitung zu einem berlinweit wohl beispiellosen Forum für die Schuldemokratie entwickelt. Die Redakteure schreiben aber auch über politische Themen, die sie gerade bewegen. Ihr Anspruch: nur geprüfte und „wahre“ Informationen in die Welt zu setzen. Ansonsten ist so gut wie alles erlaubt.

Oberstufenzentrum: mbs Newsreport setzt neue Maßstäbe

Gute Schülerzeitungen an beruflichen Oberstufenzentren sind leider selten. Das liegt wohl daran, dass die Schülerschaft in viele verschiedene Bildungsgänge aufgeteilt ist. Einige sind nur ein Jahr dabei, andere vier Jahre. Die Schülerzeitung mbs Newsreport vom Oberstufenzentrum Holz- und Bautechnik bildet da eine rühmliche Ausnahme. Der Schwerpunkt Design spiegelt sich auch beim oft frechen und gekonnten Layout der Zeitung wider. Und auch inhaltlich hat es die Zeitung nun mit der prämierten Ausgabe geschafft, zu einer echten Plattform der gesamten Schülerschaft zu werden.

Im vergangenen Schuljahr sorgten lautstarke Schülerproteste an der Marcel-Breuer-Schule gegen eine verordnete Fusion mit der benachbarten Martin-Wagner-Schule berlinweit für Schlagzeilen. Beide Schulleiter wurden schließlich abgesetzt. Die Redaktion der Schülerzeitung arbeitete die Proteste mit Abstand auf, führte Interviews mit den verschiedenen Beteiligten und auch mit dem ehemaligen Schulleiter. Dabei steht nicht der Groll des Protestes im Vordergrund, sondern die Frage, wie die Zukunft gemeinsam gestaltet werden kann.

Für diese reife Leistung erhält der mbs Newsreport einen verdienten ersten Platz in der Kategorie Oberstufenzentren.

Gymnasium: Die OHnE überzeugt nicht nur durch ein tolles Layout

Die OHnE vom Heinz-Berggruen-Gymnasium in Charlottenburg gehört seit Jahren zu den erfolgreichsten Schülerzeitungen der Stadt. Und auch in diesem Jahr konnte die Redaktion das hohe Niveau halten. Die Schülerzeitung, die drei bis vier Mal pro Schuljahr erscheint, gibt es bereits seit 20 Jahren. An die langjährige Geschichte des Blattes erinnert auch der Name OHnE, der sich aus den Initialen des ehemaligen Schulnamens zusammensetzt. Eine Änderung des Namens kommt für Redaktion offenbar nicht infrage, schließlich steht er inzwischen für Qualitätsjournalismus aus der Schule. Markenzeichen der Zeitung ist das professionelle Layout, das mit hochwertigen Magazinen am Kiosk durchaus mithalten kann.

Inhaltlich setzt die Zeitung meist auf einen Themenschwerpunkt. Die Redakteure sind aber auch immer nah am Schulgeschehen dran, lobte die Jury. In der prämierten Ausgabe zum Beispiel nahmen sie den neuen Rahmenlehrplan genauer unter die Lupe. Zur Redaktion gehören etwa 15 Redakteure, die komplett selbstständig und schulunabhängig arbeiten. Sinnbildlich dafür steht auch der Treffpunkt des Redaktionsteams außerhalb der Schule im legendären Kant-Café. Das Preisgeld kann dort sicher gut angelegt werden.